Die Gerüchteküche brodelt: Wird das Grand Egyptian Museum (GEM) – das weltweit größte archäologische Museum unweit der Pyramiden in Gizeh, an dem gut 20 Jahre gebaut wurde – nun tatsächlich endlich eröffnet? Nach gescheiterten Ankündigungen 2018, 2020 und 2021 sollte es zum ikonischen Datum am 4. November so weit sein, hörte man lange. An diesem Tag vor exakt 100 Jahren hat Howard Carter das unversehrte Grab des Tutanchamun im Tal der Könige entdeckt.
Der junge Pharao ist auch der Star des neuen Museums: Erstmals wird der komplette Schatz aus seinem Grab – renoviert und in modernster Museumstechnik herausgeputzt – gezeigt. Die Halle des Tutanchamun im GEM sei zu 99 Prozent fertig, verkündete man in Frühjahr stolz, die Arbeiten am Museum selbst zu 80 Prozent abgeschlossen. Und die Eröffnung? Offiziell Funkstille.
Wenn man sich bei Insidern im Land am Nil umhört, was das bevorstehende Jubiläum betrifft, kommt zum Beispiel vom Chef der Antikenbehörde und damit oberster Ausgräber des Landes, Mostafa Waziry: "Pläne? Natürlich! Wir planen ein unvergleichliche Party." Im Herbst? Langes Schweigen. "Ich weiß es nicht, es ist nicht meine Entscheidung."
Der wohl berühmteste Ägyptologe, Zahi Hawass, meint auf dieselbe Frage: "Große Pläne! Von 4. bis 6. November wird es eine Konferenz mit 40 Wissenschaftern aus aller Welt in Luxor geben. Wir haben sie eingeladen, über Tutanchamun zu sprechen." Darauf folge ein Dinner für 300 Leute im Luxor-Tempel. Und ab 5. November wird an fünf Tagen Hawass' Tutanchamun-Oper vor dem Tempel der Hatshepsut, Deir el-Bahari, aufgeführt. "Die Musik stammt vom italienischen Komponisten Zamboni. Ich habe das Skript verfasst", erzählt Hawass. Und die GEM-Eröffnung? Darauf kommt ein wages: "Wir hoffen,
dass es am Beginn des nächsten Jahres mit der Eröffnung klappt."
Der KURIER wollte es aber genau wissen und begab sich nach Zamalek im Zentrum von Kairo, wo der zuständige Antikenminister, Khalid El-Enany, sein Büro hat.
Khaled El-Enany, 1971 im Schatten der Pyramiden von Gizeh geboren, ist Ägyptologe und seit 2016 Antikenminister. 2019 kamen die Tourismusagenden dazu. Diesen Aufgabenmix gibt es erstmals seit 1964. Und der Minister meint dazu: "Das Haupteinkommen der historischen Sehenwürdigkeiten und Museen stammt aus dem Tourismus. Bedeutet: Der ägyptische Tourismus ist gleichbedeutend mit Kultur."
KURIER: Herr Minister, wie zufrieden sind Sie mit den Fortschritten im Grand Egyptian Museum?
Khaled El-Enany: Sehr zufrieden, denn ich erinnere mich gut an meinen ersten Besuche 2016, nachdem ich als Minister bestellt worden war. Wir hatten eine wunderbare Restaurierungswerkstatt. Im Museum selbst war nichts da, außer Wände. Nun kann ich Ihnen sagen, dass das Museum praktisch fertig ist. Mehr als 55.000 Objekte sind fertig restauriert, und warten auf ihre Präsentation. Alle Schaukästen sind bereits in den richtigen Galerien. Sicherheitsanlagen und Technologie sind einsatzbereit.
Und wie steht es um den Schatz aus dem Grab von Tutanchamun?
85 Schaukästen von 107 sind bereits mit den Artefakten befüllt. Nur einige Objekte werden zurückgehalten. Sie sollen wenige Tage nach der Eröffnung vom Ägyptischen Museum am Tahrirplatz ins Grand Egyptian Museum kommen. Wir möchten die Touristen, die vor der GEM-Eröffnung nach Ägypten kommen, nicht verärgern, weil sie die Schätze nicht sehen können. Und um Ihre nächste Frage zu beantworten ...
... die nach dem Termin der Eröffnung?
Das Museum wird vor dem 100-Jahr-Jubiläum der Entdeckung von Tutanchamun im Herbst fertig sein.
Und auch eröffnen?
Das ist eine andere Frage! Unlängst mussten wir uns Corona stellen, jetzt sind wir mit der Organisation von COP 27 beschäftigt. Ab 7. November werden in Sharm el Sheikh Staatsoberhäupter aus der ganzen Welt auf der UN-Klimakonferenz begrüßen. Außerdem gibt es politische Veränderungen ...
Sie meinen den Ukraine-Krieg, der die Einladungspolitik (Putin einladen oder nicht, Anmerkung) erschwert?
Genau.
Sie spekulieren mit einer Eröffnung im nächsten Jahr?
Nein, es kann auch Ende des Jahres klappen. Es gibt drei Faktoren, die den Termin beeinflussen: 1. Covid und wie es mit der Pandemie weiter geht. 2. Die Organisation von COP 27, denn es ist unmöglich, wichtige Menschen zugleich in Kairo und Sharm el Sheikh zu begrüßen. Und 3. Die politische Situation. Ende des Jahres wollen wir aber für die Eröffnung bereit sein. Das ist eine der Möglichkeiten. Letztlich wird Präsident El-Sisi die Entscheidung treffen.
Apropos Covid: Wie sehr hat die Pandemie dem Tourismus geschadet?
Es war ein harter Schlag, als wir im März 2020 Flughäfen, Sehenswürdigkeiten und Museen schließen mussten. Im Juli 2020 haben wir wieder geöffnet und im Oktober 2021 hat die Zahl der Reisenden das Vor-Pandemie-Niveau erreicht. Dann hat uns Delta einen Rückschlag beschert. Jetzt spüren wir die Ukraine-Krise – ein erneuter Schlag.
Die Ukraine ist ein wichtiger Markt für Sie?
Von 2016 bis 2020 war sie unser zweitwichtigster Markt, 2021 sogar die Nummer 1. Der Verlust des russischen Marktes – bis 2015 unsere Nummer 1 – hat uns auch getroffen. Jetzt fokussieren wir auf andere Länder, sind für den Sommer optimistisch.
Sie wollen das Land auch Richtung grünen Tourismus verändern. Wie das?
Wir arbeiten an Konzepten für erneuerbare Energie, Mülltrennung, Recycling, Luftverschmutzung, Klimaanlagen, Wasseraufbereitung – an einer komplett neuen Infrastruktur. Wir haben ein ambitioniertes Programm, die Hotels in grüne Hotels umzuwandeln. Und wir starten bei der UN-Klimakonferenz in Sharm el Sheikh im November. Denn wenn wir dem Tourismus auch in der nächsten Generation eine Chance geben wollen, müssen wir unsere natürlichen Ressourcen bewahren.
Im November 2018 gingen die Uhren noch anders: Auf dem Gelände des halb fertigen Grand Egyptian Museum im Süden der 10-Millionen-Stadt Kairo herrschte reges Treiben. Taxis fuhren im Minutentakt vor, Besucher wuselten durch die Gänge des „Conservationcenters“, besichtigten die Restaurierungswerkstätten und warfen ungläubige Blicke auf die Baustelle, auf der Kabel und Rohre aus der Betonfassade hingen. Nichts war fertig. Dabei hatte der Präsident die Order ausgegeben, dass man 2020 fertig zu sein habe.
Dreieinhalb Jahre später baut man immer noch, ein Militär hat das Kommando übernommen und die Regeln sind strenger: Keine Besucher, keine Besichtigung. Fotos? Keinesfalls. Nicht einmal unser Taxi wird auf das Gelände gelassen. Wir müssen durch den Baustellenzaun schlüpfen, der nur ein wenig geöffnet wird, und die letzten 200 Meter zu Fuß zu unserem Interview-Partner Eltayeb Abbas, dem stellvertretenden Direktor und wissenschaftlichen Leiter des GEM, gehen (das Interview lesen Sie im Herbst im KURIER History-Magazin anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun).
So viel sei verraten: Die meisten Stücke sind fertig restauriert – Tutanchamuns Unterhosen etwa. Fünf Monate lang wurden die 3.400 Jahre alten Leinen-Dreiecke – insgesamt 145 – mittels Röntgen und C14 analysiert. Die Restaurierung selbst dauerte einen Monat. Sogar das Waschmittel wurde bestimmt.
Wobei: „Die Leute denken, das GEM wird ein Tutanchamun-Museum, aber das stimmt nicht“, sagt Abbas. Etwa 50.000 Objekte von der Ur- bis zu griechisch-römischen Geschichte auf fünfzehn miteinander verbundenen Galerien sollen gezeigt werden – 20.000 davon erstmals.
800 Meter misst allein die Hauptfassade des GEM aus Alabaster, Glas und Beton. Im zentralen Atrium fänden Passagierflugzeuge Platz. Die Ausstellungsfläche ist fast siebzig Fußballfelder groß.
Und nein, Leute, die das alles nicht interessiert, müssen nicht durchs ganze Museum, um endlich Tutanchamuns Schatz zu sehen. Links geht es zu den Galerien. Doch wer beim Eingang gleich rechts abbiegt, kommt direkt zu ihm. 7.000 m² sind für die 5.398 Objekte des Tutanchamun reserviert. Nur 1.500 davon waren bisher ausgestellt.
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