Der Kenner der SP-Geschichte, Historiker Wolfgang Maderthaner, weiß: „In der Sozialdemokratie gibt es seit ihrer Gründung unterschiedliche Flügel. Zwischen links und rechts haben sich oft Konflikte an verschiedenen Themen entzündet, etwa an der Haltung zum Ersten Weltkrieg.“ Als der sich mehr und mehr zu einem Verteidigungskrieg entwickelte und Parteigründer Viktor Adler innerhalb seiner Partei die Unterstützung der Kriegspolitik durchsetzte, trat der radikal pazifistische Flügel um Robert Danneberg und Adlers Sohn Friedrich für sofortigen Friedensschluss ein.
Die Auseinandersetzung gipfelte in dem Attentat Friedrich Adlers auf Ministerpräsident Stürgkh. Und in der Änderung der Haltung der sozialdemokratischen Führung: Angesichts wachsender Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung forderte man vehement ein Ende des Krieges.
Aber: „Als Friedrich Adler schließlich aus dem Gefängnis entlassen wurde, fügte er sich ohne Wenn und Aber in die vorgegebene Parteilinie ein.“
Nach außen hin agieren die beiden Flügel – repräsentiert durch Otto Bauer (linker Mehrheitsflügel) und Karl Renner (rechter Minderheitsflügel) – in der Ersten Republik also immer gemeinsam.
In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg stand die Sozialdemokratie vor einer weiteren wichtigen Entscheidung, die in einem historischen Gegensatz münden sollte – jenem zwischen Bund und Ländern. „Konzentriert sie sich auf die Städte oder macht sie den Sprung aufs flache Land und versucht die Landarbeiterschaft zu mobilisieren“, sagt Historiker Florian Wenninger. „Sie entscheidet sich für den Fokus auf die Städte und verschiebt den Sprung auf das Land. 1925 wird versucht, das nachzuholen. Zu spät.“
Zu den Folgen meint er: „Das führt dazu, dass in den Ländern ein gewisser Groll feststellbar ist, die Wiener hätten ihre eigenen Interessen in den Vordergrund gestellt.“ Gleichzeitig dominierte die Wiener Landesorganisation den Bund, während die Länder wesentlich schwächer waren. Inklusive des oft gehörten Vorwurfes an die Länder: „Ihr bringt nichts zuwege“, resümiert Wenninger.
Junge Linke
„Generell kann man sagen, dass die Jugend meist radikalere, linkere Positionen vertreten hat als die Erwachsenen – das ist eine Konstante“, spricht Historiker Spitaler ein weiteres Minenfeld an, das sich durch die Parteigeschichte zieht: „Immer wieder wurden Jugendorganisationen gemaßregelt, wenn sie etwas taten, was der Parteilinie widersprach.“ Zur Strafe wurde einfach der Geldhahn zugedreht.
Ob Umwelt- und Frauenpolitik oder die Haltung zur Abtreibung zu Beginn der 1970er-Jahre: Gründe für Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Partei waren und sind mannigfaltig. Auch die Allianz Intellektuelle und Arbeiter war für die Partei immer sehr wichtig – und eine Herausforderung. Viele Vordenker wie Viktor Adler, Käthe Leichter oder Bruno Kreisky kamen aus dem liberalen Bürgertum, dem aber vielfach das Verständnis für die Lebenswelt der kleinen Leute abgesprochen wurde.
Irgendwie scheint es, als wäre die Stärke der Partei auch ihre größte Schwäche. „Flügelkämpfe hat es bei den Sozialdemokraten von Anfang an gegeben, weil es den Anspruch gab, dass man eine Partei ist, die eine Einheit sein soll“, sagt Spitaler. Stark sind wir nur, wenn wir uns einig sind, lautete das Einheitsparadigma, das bis heute nachwirkt. Historiker Maderthaner abschließend: „Man tat also alles, damit sich die Partei nicht spaltet“.
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