Schmelztiegel: Das sind die "echten Wiener"

"Czechen, die alle nach Wien gehen, ohne Abgeordnete zu sein". Satirisches Blatt zur Migration der Tschechen nach Wien, 1869
Nachdem FP-Politiker Waldhäusl ein „Wien wie früher“ herbeifantasiert hat, ist es Zeit, das „Wien von früher“ zu beleuchten: Die Stadt hat immer von Zuwanderung gelebt.

Wie so oft brachte es ein Kabarettist auf den Punkt: Er sitze gern im Wirtshaus und blättere im Wiener Telefonbuch, sang Georg Kreisler 1957 in seiner Telefonbuchpolka. Weil: „Alle meine Freind stehn drin. Und zwar auf Seite „Vau“:Vondrak, Vortel, Viplaschil, Voytech, Vozzek, Vimladil, Viora, Vrabel, Vrtilek, Viglasch, Vrazzeck, Vichnalek, ...“

Das gute alte Telefonbuch ist ein Spiegel der heimischen Realität: „Wien hat über weite Strecken seiner Historie von Zuwanderung gelebt“, sagt der Historiker Andreas Weigl vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. So gesehen sei der Waldhäusl-Sager „komplett unzutreffend und unhistorisch.“

Kreislers „Seite Vau“ hat ihren Ursprung im 17. Jahrhundert, als die Zuwanderung aus dem böhmischen Raum begann. Bis 1900 machten Migranten aus Böhmen, Galizien, der Bukowina, der Slowakei, Kroatien, Deutschland, Krain und dem Trentino Wien zu einem der größten urbanen Zentren Europas mit 1,7 Millionen Einwohnern. 54 Prozent der Wiener waren damals nicht hier geboren.

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