Historiker Thießen: "Nicht Virus ist das Problem, wir sind es"

Historiker Thießen: "Nicht Virus ist das Problem, wir sind es"
Die Pandemie hat uns fest im Griff. Trotzdem sagt Historiker Malte Thießen: "Dass wir so große Angst vor Corona haben, ist ein Fortschritt."

Wer würde sich nicht wünschen, dass Corona längst Geschichte ist? Malte Thießen hat das wörtlich genommen und „Eine Gesellschaftsgeschichte der Pandemie“ (so der Untertitel seines neuen Buches Auf Abstand) geschrieben. Dabei rückt der deutsche Historiker nicht das Virus, sondern die Menschen in den Mittelpunkt.

KURIER: Sie nennen Corona die sozialste aller Krankheiten. Warum?

Malte Thießen: Seuchen rühren immer sofort an die Grundsätze von Gesellschaften. Andere Leiden wie Krebs sind für den Einzelnen genauso schlimm, doch im Pandemie-Fall ist die Krankheit immer auch eine Bedrohung für andere, weil sie übertragen wird. Klingt banal, ist aber der Grund, warum wir sofort um soziale Normen streiten und Sündenböcke suchen, denn die Ausbreitung hängt davon ab, ob wir verantwortungsvoll sind oder nur an uns denken.

Das passt zu den aktuellen Entwicklungen in Österreich. Der Lockdown für Ungeimpfte war eine Weltpremiere. Wie schätzt der Historiker das ein?

Ich bin da zwiegespalten und genervt. Ich kann den Wunsch nach Planbarkeit von Gesundheit nachvollziehen. Aus historischer Perspektive habe ich große Zweifel, ob das was bringt oder man damit nur neue Gefahren heraufbeschwört.

Heißt was?

Kommentare