KURIER: Wäre Krausz als Wissenschafter ohne Fördermittel dort, wo er heute ist?
Christof Gattringer: Das ist nicht ganz vorstellbar. Allein der FWF hat ihn über viele Jahre hinweg mit mehr als 5 Millionen Euro gefördert. Unter anderem mit dem prestigeträchtigen FWF-Wittgenstein-Preis, den er 2002 erhielt, aber auch – und fast noch wichtiger – mit dem FWF-START-Preis für Nachwuchsforscher, der ihm 1996 zugesprochen wurde. Was uns besonders freut: In der Begründung des Nobelkomitees werden sechs Arbeiten von Krausz explizit genannt – bei fünf wird dem FWF für die Finanzierung gedankt. Wir freuen uns, dass wir einen Gutteil der Publikationen, die zu dem Nobelpreis geführt haben, unterstützen konnten.
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Bei Quantenphysiker Anton Zeilinger, der erst vergangenes Jahr mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ist das ganz ähnlich.
Nahezu identisch, ja. Auch bei ihm ist es geglückt, eine vielversprechende Forscherpersönlichkeit langfristig zu fördern.
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2022 holte schon Zeilinger den Nobelpreis nach Österreich. Nun Attosekunden-Forscher Krausz. Sind wir in der Physik Weltklasse?
Wenn man sich die Trägerinnen und Träger des Wittgenstein-Preises (gilt als österr. Nobelpreis, Anm.) ansieht, die von einer internationalen Jury ausgesucht werden, sind relativ viele Physikerinnen und Physiker dabei. Das zeigt: Die Physik ist bei uns gut aufgestellt. Unser Forschungspotenzial geht aber über die Physik hinaus und umfasst beispielsweise auch Teilbereiche der Medizin, der Mathematik und der Geisteswissenschaften.
Wie kommt man als Forschender eigentlich an solche Förderungen?
In den meisten Ländern, auch in Österreich, wird Forschung kompetitiv finanziert. Das bedeutet, man reicht einen Antrag ein, der durch internationale Gutachterinnen und Gutachter evaluiert wird. Das sorgt dafür, dass mit den verfügbaren Mitteln die besten Forschungsgruppen gefördert werden. Wir beim FWF zielen so auf Exzellenz und sorgen dafür, dass besonders vielversprechende Ideen umgesetzt werden können. Eine gute Dotierung des FWF ist somit ein wichtiger Hebel, um Grundlagenforschung zu unterstützen und voranzutreiben.
In Wissenschaftskreisen gibt es Kritik – jüngst etwa von Anton Zeilinger geäußert – dass die Forschung inzwischen kaum mehr frei agieren könne. Ist die Forschungsförderung überbürokratisiert?
Die Freiheit in der Forschung wird von Zeilinger vollkommen zu Recht eingemahnt. Es gilt aber zwei Dinge zu unterschieden: Das eine ist, dass man die freie Grundlagenforschung nicht dadurch einschränken sollte, dass bestimmte Ziele erreicht werden müssen – wie etwa in der angewandten Forschung. In der Grundlagenforschung will man innovative Ideen ausprobieren, ohne zu wissen, wo sie hinführen. Das andere ist, dass hohe Fördersummen nicht einfach so fließen können. Da braucht es ein administratives Korsett, wir beim FWF hantieren letztendlich mit Steuergeld. Allerdings sind wir bestrebt, die Beantragung so schlank wie möglich zu halten, damit sich die Forschenden auf ihre tollen Ideen und wir auf die Förderentscheidung konzentrieren können.
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Haben junge österreichische Forschende noch die Chance auf einen Nobelpreis?
Ich glaube, dass Kolleginnen und Kollegen am Anfang ihrer akademischen Karriere sehr wohl mit Spitzenleistungen in Richtung eines Nobelpreises gehen können. Dafür müssen wir allerdings für das optimale Umfeld kämpfen.
Was macht dieses aus?
Es braucht ein stimulierendes, attraktives Forschungsumfeld und eine Konzentration von Expertise und Kreativität, die es für Forschende attraktiv machen, hier zu bleiben und ihre Ideen zur Reife zu entwickeln. Und eine bessere Finanzierung.
Beim FWF bangt man aktuell um die Mittel.
Wir haben ein ausverhandeltes Budget von 1,124 Milliarden Euro für die Jahre 2024 bis 2026. Aber wir sorgen uns, dass es doch noch gekürzt werden könnte. Ich appelliere an die Politik, den langen Atem, den es in der Grundlagenforschung braucht, zu haben. Dass sich das bezahlt macht, zeigt Ferenc Krausz: Von der ersten Förderung bis zum Nobelpreis vergingen 25 Jahre.
Man muss also in Kauf nehmen, dass der konkrete Nutzen von Grundlagenforschung oft anfangs gar nicht absehbar ist?
So ist es. In fast allen hochtechnologisierten Geräten, etwa dem Handy, mit dem wir gerade telefonieren, steckt Grundlagenforschung. Mehrere Nobelpreisträger sind mit ihrem Wissen in die Konstruktion moderner Handys eingegangen. Ich bin überzeugt, dass Grundlagenforschung die Basis für langfristigen Wohlstand in unserer Gesellschaft ist.
Können "unsere" Nobelpreise Menschen dazu motivieren, sich für Physik zu interessieren? Oder gar die hierzulande verbreitete Wissenschaftsskepsis abbauen?
Diese Nobelpreise haben jedenfalls eine starke Vorbildwirkung. Ich habe das erst kürzlich bei der Verleihung des Wittgenstein-Preises an den Quantenphysiker Hans Briegel gesehen: Wir laden immer auch Schülerinnen und Schüler ein, die sich für Wissenschaft interessieren. Ich habe damals gehört, wie ein Schüler zum anderen sagte: "Hoffentlich sehen wir den Zeilinger!" Es ist also klar zu sehen, wie inspirierend es ist, wenn solche Auszeichnungen ins Land geholt werden. Wenn junge Forschende ihre Faszination für Wissenschaft in die Gesellschaft tragen, können auch Vorbehalte abgebaut werden.
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