Ferenc Krausz: "Es ist doch Realität und kein langer Traum"

Hier freut sich Physiker Ferenc Krausz mit seiner Forschungsgruppe über den Nobelpreis
Österreichisch-ungarischer Physiknobelpreisträger Ferenc Krausz: "Ich wollte zuerst den Anruf gar nicht annehmen, weil ich keine Nummer am Display gesehen habe."

"Wie es mir geht? Ich versuche seit ungefähr elf Uhr festzustellen, ob ich jetzt in der Realität bin oder das ein langer Traum ist. Aber es gibt gewisse Anzeichen jetzt, dass es die Realität ist." Das sagte der österreichisch-ungarische Physiknobelpreisträger Ferenc Krausz Dienstnachmittag bei einer via YouTube übertragenen Pressekonferenz am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München.

Er bedankte sich bei seiner Familie und insbesondere seiner Frau, und "allen Lehrerinnen und Lehrern von der Grundschule weg bis zur Universität, die bei mir die Entscheidung haben reifen lassen, Physik zu meinem Leben zu machen." Es wäre gerechter gewesen, den Nobelpreis dem ganzen Team zu geben, "das all diese schönen Resultate erzielt hat", aber leider erlaubten es die Regeln der Nobelstiftung nicht, einen Nobelpreis an mehr als drei Menschen zu vergeben: "Aber es hätten ihn mehr Leute verdient."  Insbesondere erwähnte er in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Paul Corkum von der Universität Ottawa in Kanada, der nicht ausgezeichnet wurde. Und er betonte auch, dass der Preis "große Demut gebietet".

Ferenc Krausz: "Es ist doch Realität und kein langer Traum"

Ferenc Krausz bei der Pressekonferenz Dienstagnachmittag am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München.

In seinen Dankesworten ging Krausz auch auf seine Zeit an der TU Wien ein. Als erstem von mehreren Professoren bedankte er sich bei "Professor Arnold Schmidt in Wien, der mir auch als Mentor über die Jahre in Wien zur Seite gestanden ist und mir die ganzen Freiheiten gegeben hat, die diese Resultate ermöglicht haben." Krausz hatte die ersten entscheidenden Experimente um das Jahr 2000 an der TU Wien durchgeführt. Arnold Schmidt ist emeritierter Professor der TU Wien.

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Sein Forschungsgebiet sei eine "besondere Form der Schnellfotografie". "Wenn man schnelle bewegte Objekte fotografieren möchte, braucht man eine sehr schnelle Kamera, um Momentbilder zu machen. Genau mit so einem Ansatz versuchen wir seit vielen Jahren die allerschnellsten Bewegungen in der Natur außerhalb des Atomkerns zu verfolgen." Um diese Bewegungen festhalten zu können benötige man quasi eine "Attosekunden-Kamera".

Krausz schilderte auch, wie er vom Nobelpreis erfahren habe: "Wir hatten heute an unserem Feiertag in Deutschland (Tag der Deutschen Einheit, Anm.) unseren Tag der Offenen Tür und ich hatte mich mit Freude bereiterklärt, einige Laborführungen zu machen." Dazu habe er am Vormittag noch zu Hause eine Kurzpräsentation vorbereitet. "Dann dachte ich, ich brauche einmal eine Pause und habe gerade angefangen, mir ein Interview mit der Katalin Karikó´(sie erhält mit Drew Weissman den heurigen Medizin-Nobelpreis, Anm.) anzusehen - und nach ungefähr einer Minute kam der Anruf."

Ferenc Krausz: "Es ist doch Realität und kein langer Traum"

Zuerst wollte er aber gar nicht abheben, weil keine Telefonnummer am Handy-Display aufgeschienen ist: "Bei solchen Anrufen kann man ja auch mit dubiosen Anliegen konfrontiert werden. Aber dann dachte ich ausnahmsweise, ich hebe doch ab." Der Anruf kam aus Stockholm.

Und wie war seine erste Reaktion? "Mich haben die ersten Gefühle absolut überwältigt und ich kann es noch immer nicht fassen."  Seine Gedanken seien "bei all jenen wichtigen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich über die Jahre hinweg meine Erfolge und Misserfolge gefeiert bzw. erlitten habe." Es sei am Ende "doch ein sehr schönes Gefühl zu sehen, dass es sich gelohnt hat, auch nach Rückschlägen nicht am Boden liegen zu bleiben, sondern unbeirrt weiter zu gehen. Das ist die wichtigste Lehre für mich daraus, die ich auch der nächsten Generation weitergeben möchte. Wenn man überzeugt ist, dass das Ziel das richtige ist und die Fragen, die man sich stellt, die richtigen sind, dann soll man seinen Weg gehen und sich nicht von Rückschlägen entmutigen lassen."

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Die größte Faszination der Forschung liege darin, "etwas Neues zu entdecken, was vorher kein Mensch gesehen hat oder etwas zu verstehen, was vorher niemand verstanden hat. Das ist ein Gefühl, das letztlich alle Hindernisse und Rückschläge überkompensiert."

Der praktische Nutzen seiner Forschung

"Elektronen sind, auch wenn wir sie nicht sehen können, allgegenwärtig in unserem biologischen Leben und generell im Alltag", betont Krausz.

  • In der Biologie sind sie "der Klebstoff zwischen den Atomen, die dann Moleküle bilden - und das sind die funktionalen Bausteine eines jeden Organismus." Eine künftige Anwendung könnte in der Medizin liegen, in der Früherkennung von Krankheiten. Durch eine Krankheit ändere sich das molekulare Signal, das man mit einem Atto-Laser aufnehme könne. Damit könnten frühzeitig Hinweise auf entstehende Krebs- oder Herzerkrankungen gewonnen werden.  In Ungarn laufe bereits eine große Studie. Dabei werden bei inzwischen 10 000 Teilnehmern, die anfangs gesund waren, regelmäßig Blutproben mit Infrarot-Laserlicht durchleuchtet, um Hinweise auf sich ausbildende Krankheiten - besonders Krebserkrankungen - zu gewinnen. Dies werde mit Laboruntersuchungen abgeglichen. "Die Resultate sind sehr vielversprechend", so Krausz.Noch sei es aber ein weiter Weg bis zu einer Anwendung im medizinischen Alltag, viele Studien seien noch notwendig.
  • Eine zweite Anwendung gebe es in der Elektronik: "Diese ist in den vergangenen Jahren durch die Miniaturisierung der Bauteile immer leistungsfähiger geworden." Aber da sei eine Grenze erreicht, "das wird sich nicht fortsetzen lassen". Hingegen stagniere seit 20 Jahren die Geschwindigkeit, mit der Strom ein- und ausgeschaltet werden könne. Mit Lichtwellen, wie sein Team sie einsetze, könnte hier eine wesentliche Beschleunigung erzielt werden.

Würdigung auch für die beiden anderen Preisträger

Krausz würdigte auch die Leistungen seiner Co-Laureaten, Anne L'Huillier und Pierre Agostini, Diese hätten beide entscheidende Grundlagenarbeiten in der Anfangsphase der Forschung auf diesem Gebiet geleistet.

Im Vorjahr wurde Krausz für seine Beiträge zur Attosekundenphysik gemeinsam mit L'Huillier sowie mit dem heuer nicht ausgezeichneten Paul Corkum mit dem renommierten Wolf-Preis in Physik ausgezeichnet.

 

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