Nobelpreis für Krausz: "Versuche das gerade zu realisieren"

Die Physiker Pierre Agostini, Ferenc Krausz und die Physikerin Anne L´Huillier
Der 61-Jährige erhält den Preis gemeinsam mit einem Kollegen aus den USA und einer Kollegin aus Schweden.

Zum zweiten Mal in Folge erhält ein Österreicher den Physik-Nobelpreis. Nach Quantenphysiker Anton Zeilinger im Vorjahr ist in diesem Jahr Ferenc Krausz der glückliche Gewinner. Der 61-Jährige ungarisch-österreichische Forscher ist außerordentlicher Professor an der TU Wien und Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Krausz führte einige seiner wichtigsten Arbeiten an der Technischen Universität (TU) Wien durch.

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"Erfinder" der Attosekundenphysik

Ferenc Krausz und sein Forschungsteam erhalten den Physik-Nobelpreis, weil es ihnen erstmals gelungen ist, einen Lichtpuls von einer Dauer von weniger als einer Femtosekunde (Die Einheit, in der Licht die Distanz von 0,3 Mikrometer (Größe eines Bakteriums) zurücklegt, Anm.) experimentell zu demonstrieren und mit diesen Attosekunden-Lichtpulsen die inter-atomare Bewegung von Elektronen in Echtzeit wahrnehmbar zu machen. Diese Ergebnisse markieren den Beginn der Attosekundenphysik.

 "Ich versuche zu realisieren, dass das Realität ist und kein Traum", sagte Krausz der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag kurz nach der Preisverkündung. Damit gerechnet habe er nicht.  Mit seiner Forschung habe er es zusammen mit vielen Wissenschaftern und Teams geschafft, "die schnellsten Vorgänge, die es in der Natur außerhalb des Atomkerns gibt, nämlich die Bewegung der Elektronen, in Echtzeit zu verfolgen", sagte Krausz im Max-Planck-Institut, das gerade Tag der offenen Tür hatte. "Diese Bewegungen initiieren jegliche molekulare Vorgänge in lebenden Organismen und sind letzten Endes auch für die Entstehung von Krankheiten auf fundamentalster Ebene verantwortlich." Erkenntnisse in diesem Bereich könnten daher für die Medizin wichtig sein.

Wofür das ganze?

Es gebe seit drei Jahren ein großes Forschungsprojekt mit 10.000 Menschen zur Erkennung von Krankheiten wie Krebs in frühen Stadien. Sie bekämen regelmäßig Blutproben abgenommen, die mit Infrarot-Laser-Licht durchleuchtet würden - um "daraus weitere Informationen, die uns derzeit die Labormedizin nicht liefern kann, über sich möglicherweise ausbildende Krankheiten in einem früheren Stadium zu gewinnen". Die ersten Resultate seien vielversprechend, bis zur Anwendung seien aber vermutlich noch fünf bis zehn Jahre nötig.

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Mit Krausz werden der in den USA tätige Physiker Pierre Agostini und die in Schweden arbeitende Physikerin Anne L'Huillier ausgezeichnet. Der Preis ist heuer mit elf Millionen Schwedischen Kronen (926.000 Euro) dotiert, die Nobelstiftung hat die Preissumme gegenüber dem Vorjahr um eine Million Kronen angehoben. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.

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Der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaft (ÖAW), Heinz Faßmann, gratuliert Krausz zu seinem Nobelpreis: "Im Namen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gratuliere ich unseren Mitgliedern Ferenc Krausz und Anne L'Huillier herzlich zum Nobelpreis für Physik. Nur ein Jahr nach der bedeutenden Ehrung an Anton Zeilinger ist das erneut ein großartiger Erfolg für zwei unserer Mitglieder."

ÖAW-Vizepräsidentin Ulrike Diebold ergänzt: "Wir freuen uns, dass wir Anne L'Huillier im kommenden Jahr zu einer gemeinsamen Lecture von ÖAW und ISTA in Wien begrüßen dürfen. Dort wird sie dem österreichischen Publikum ihre wegweisenden Forschungen auf dem Gebiet der Attosekundenphysik näher vorstellen."

Der Vortrag wird am 29. Jänner im Festsaal der ÖAW stattfinden.

  • Erwin Schrödinger (1887-1961) gilt als einer der Väter der Quantenphysik, 1926 lieferte er mit der sogenannten Wellenmechanik ("Schrödingergleichung") eine der beiden theoretischen Formulierungen der Quantentheorie. 1933 wurde ihm als erstem Österreicher der Physiknobelpreis verliehen, gemeinsam mit dem britischen Physiker Paul Dirac "für die Entdeckung neuer produktiver Formen der Atomtheorie".
     
  • Victor Franz Hess (1883-1964) wies 1912 von einem Fesselballon aus einen Anstieg der ionisierenden Strahlung nach. "Für die Entdeckung der kosmischen Strahlung" erhielt er 1936 den Nobelpreis. Er teilte sich die Auszeichnung mit dem US-Physiker Carl David Anderson, der für die Entdeckung des Positrons" geehrt wurde.
     
  • Wolfgang Pauli (1900-1958) formulierte 1925 ein physikalisches Gesetz, das eine quantenmechanische Erklärung des Aufbaus eines Atoms lieferte. Vereinfacht gesagt können demnach zwei Elektronen in einem Atom nicht in allen Quantenzahlen übereinstimmen. Für die "Entdeckung des Ausschließungsprinzips, auch Pauli-Prinzip genannt" erhielt er 1945 den Nobelpreis.
     
  • Anton Zeilinger (geb. 1945) teilte sich den Physik-Nobelpreis 2022 mit seinem französischen Kollegen Alain Aspect und dem US-Physiker John Clauser. Die drei Physiker wurden "für Experimente mit verschränkten Photonen, Nachweis der Verletzung der Bellschen Ungleichungen und wegweisender Quanteninformationswissenschaft" ausgezeichnet.
     
  • Ferenc Krausz, (geb. 1962 in Ungarn) teilt sich den Physik-Nobelpreis mit dem in den USA tätigen Physiker Pierre Agostini und der in Schweden arbeitenden Physikerin Anne L'Huillier. Der am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in München tätige österreichisch-ungarische Physiker Krausz erhält den Nobelpreis für "experimentelle Methoden, die Attosekunden-Lichtimpulse zur Untersuchung der Elektronendynamik in Materie erzeugen". Solche kurzen Lichtblitze waren ihm 2001 mit seinem Team an der Technischen Universität (TU) Wien erstmals gelungen. Seither konnte Krausz zahlreiche Echtzeit-Filmaufnahmen der Bewegung von Elektronen in Molekülen und Atomen aufnehmen.

Österreichische Preisträger

Mit dem diesjährigen Physiknobelpreisträger Ferenc Krausz sind 20 Nobelpreisträger innerhalb der Grenzen des heutigen Österreichs geboren bzw. insgesamt 33 in einem Gebiet, das zum Zeitpunkt ihrer Geburt zu Österreich gehörte. Sieben Nobelpreisträger waren zum Zeitpunkt der Preisverleihung an einer österreichischen Uni bzw. Forschungseinrichtung tätig. Ein Spezialfall ist außerdem die 2005 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), die ihren Sitz in Wien hat.

Physik-Nobelpreis

  • Erwin Schrödinger (1887 in Wien/Nobelpreis 1933)
  • Viktor F. Hess (1883 in Peggau/1936)
  • Wolfgang Pauli (1900 in Wien/1945)
  • Anton Zeilinger (1945 in Ried / 2022)
  • Ferenc Krausz (1962 in Mór / 2023)

Chemie-Nobelpreis

  • Richard Kuhn (1900 in Wien/1938)
  • Max F. Perutz (1914 in Wien/1962)
  • Walter Kohn (1923 in Wien/1998)
  • Richard Zsigmondy (1865 in Wien/1925)
  • Martin Karplus (1939 in Wien/2013)

Medizin-Nobelpreis

  • Robert Barany (1876 in Wien/1914)
  • Julius Wagner-Jauregg (1857 in Wels/1927)
  • Karl Landsteiner (1868 in Wien/1930)
  • Karl von Frisch (1886 in Wien/1973)
  • Konrad Lorenz (1903 in Wien/1973)
  • Eric Kandel (1929 in Wien/2000)

Literatur-Nobelpreis

  • Elfriede Jelinek (1946 in Mürzzuschlag/2004)
  • Peter Handke (1942 in Griffen/2019)

Friedensnobelpreis

  • Alfred Fried (1864 in Wien/1911)
  • Bertha von Suttner (1843 in Prag /1905)

Wirtschaftsnobelpreis

  • Friedrich August von Hayek (1899 in Wien/1974)

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