Dunkelziffer-Studie: Hatten drei Mio. Österreicher bereits Corona?
Wie viele Österreicher bisher eine auch unentdeckte Covid-19-Erkrankung durchgemacht haben, liegt im Dunkeln. Seit der letzten repräsentativen "Dunkelzifferstudie" aus dem Herbst tun sich Fragezeichen auf.
Aktuelle Schätzungen dazu, wie viele Österreicher schon in Kontakt mit dem Coronavirus waren, reichen von sieben bis etwa 30 Prozent. Letztere hatte Franz Allerberger von der AGES kürzlich im parlamentarischen Gesundheitsausschuss abgegeben. Sie fußt auf Daten aus Ischgl.
Rückschluss auf die Fallsterblichkeit
Bei dieser Untersuchung der Medizinischen Universität Innsbruck mit Fokus auf den frühen Corona-Hotspot in Tirol handelt es sich um die einzige Kohortenstudie in Österreich, aus der sich ein Rückschluss auf die Fallsterblichkeit - also der Anteil der Verstorbenen unter den insgesamt Infizierten - ableiten lässt, erklärte die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf Anfrage der APA.
Unter einer Kohorte wird ein Ausschnitt einer Population verstanden, der beispielsweise die Gesamtbevölkerung in einem bestimmten Gebiet oder auch regionsübergreifend einen bestimmten Jahrgang umfassen kann. Derartige Studien brauche es im Bereich der Öffentlichen Gesundheit, um sich dem tatsächlichen Risiko einer Infektionskrankheit anzunähern.
Die Ischgl-Kohortenstudie hat eine Sterblichkeit von 0,26 Prozent ermittelt. Damit liege sie in jenem Bereich, zu dem u.a. auch eine ähnliche regionale Studie in Deutschland kommt.
Hochgerechnet: Drei Millionen Österreicher infiziert
Allerberger, Leiter der Abteilung für Öffentliche Gesundheit der AGES, hat sich im parlamentarischen Gesundheitsausschuss auf diese Daten bezogen: Nehme man die bis zum 23. Februar verzeichneten, mit Covid-19 in Zusammenhang stehenden Todesfälle her (8.317 Menschen laut "AGES Dashboard COVID19") und geht davon aus, dass es sich dabei um jene 0,26 Prozent handelt, die die Tiroler Studie nahelegt, kommt man hochgerechnet in etwa auf über drei Millionen Österreicher, die bisher vermutlich eine symptomatische oder asymptomatische Covid-19-Erkrankung durchgemacht haben.
Vorsichtig geschätzt, entspräche dies rund 30 Prozent der Gesamtbevölkerung. Zum Vergleich: Bisher haben sich laut AGES-Daten hierzulande seit Beginn der Pandemie rund 447.000 Menschen nachweislich mit SARS-CoV-2 infiziert.
Simulationsforscher rechnete mit 1,5 Mio. Österreichern
Eine durch österreichweite Daten gestützte repräsentative Hochrechnung lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt jedoch nicht heranziehen. So ging der Simulationsforscher Niki Popper von der Technischen Universität (TU) Wien am Ende der vergangenen Woche davon aus, dass rund 15 Prozent der Österreicher eine SARS-CoV-2-Infektion hinter sich haben - inklusive Dunkelzifferfällen. Das wären zwischen 1,3 bis 1,5 Millionen Menschen, "die zumindest temporär immun sind", sagte Popper bei einer Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).
Herdenimmunität
Nicht zuletzt steht die Frage der Durchseuchung stark damit im Zusammenhang, ob und wann in Verbindung mit Immunisierungen durch Impfungen eine Herdenimmunität die Ausbreitung der Erkrankung sozusagen automatisch unterbindet. Laut Expertenmeinungen müssten dafür aber Immunitätsraten von mindestens 50 bzw. eher 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung erreicht werden.
Noch weit entfernt sah eine natürliche Herdenimmunität Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) Anfang Dezember 2020, als die Ergebnisse der letzten von seinem Ressort in Auftrag gegebenen, von Statistik Austria durchgeführten repräsentativen "Covid-19 Prävalenzstudie" bekanntgegeben wurden. Demnach hatten bis Mitte bzw. Ende Oktober vergangenen Jahres rund 349.000 Personen oder 4,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung eine derartige Infektion durchgemacht.
Diese Hochrechnung basierte auf Antikörpernachweisen im Blut von insgesamt 92 Proben unter 2.229 Personen über 16 Jahren, die an der Untersuchung teilgenommen haben. Da sich die Parameter der Pandemie seither stark verändert haben, denke man momentan darüber nach, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Studiendesign eine weitere Prävalenzstudie durchgeführt werden kann, hieß es aus dem Bildungsministerium zur APA.
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