Sie haben diese Diskussion an Ihrer Universität geführt?
Ja, wir haben im Juni aus diesem Anlass eine Tagung veranstaltet. Der Sukkus daraus ist, dass das einzelne Mitglied der Universität durchaus das Recht hat, seine/ihre Meinung auch aktivistisch kundzutun: ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht, das man aber nicht unbedingt auf die Wissenschaftsfreiheit zurückführen kann.
➤ "Erde Brennt": Jetzt auch Hörsaal der Boku besetzt
Es gibt den Vorwurf, vor allem seit der Pandemie, dass Wissenschaft – genauso wie Medien und Politik – einem „Mainstream“ unterworfen ist. Wer sich dagegen auflehnt, wird quasi „exkommuniziert“. Wie gewährleisten Sie, dass alle Forscher auch „out of the box“ denken dürfen, ja müssen?
Wir wissen ja, dass viele neue wissenschaftliche Theorien zunächst einmal komplett abgelehnt wurden. Aber eine wissenschaftliche Meinung, mag sie auch gegen den Mainstream sein, muss sich sowieso beweisen und überprüfen lassen.
Man hört als Journalist – etwa bei Energiethemen – immer häufiger Meinungen nur hinter vorgehaltener Hand, weil sich auch Experten nicht den Mund verbrennen wollen. Ein Problem?
Das sehen wir als Universität nicht. Wir fördern den freien Diskurs, bei uns kann man alles sagen. Daher haben wir auch die vorhin erwähnte Diskussion geführt, wenn auch bewusst nicht als öffentliche Veranstaltung. Manche Reaktionen auf Social Media können so heftig sein, dass man sich eine Äußerung manchmal dreimal überlegt.
➤ Mehr lesen: Wie das Vertrauen in die Wissenschaft gestärkt werden kann
Wer ist daran schuld?
Wahrscheinlich die ganze Gesellschaft, die sich so entwickelt hat. Jeder postet ständig irgendwas und ist dann überrascht, wie groß der Druck plötzlich von außen sein kann. Da braucht es vielleicht mehr Toleranz.
Muss da nicht auch die Wissenschaft stärker erklären: Wir sind Wissenschaft, manches verändert sich, manchmal gibt es auch falsche Thesen.
Da haben Sie völlig recht. Wissenschaft darf sich nicht als allwissend betrachten. Sie steht auch im Dienst der Gesellschaft.
Spüren Sie seit Corona eine Vertrauenskrise zwischen Wissenschaft und Bevölkerung? Wenn ja, wie kittet man das wieder?
Ja, man spürt sie. Es gibt eine Initiative des Wissenschaftsministeriums, dieses Vertrauen wieder aufzubauen. Wir an der Boku wollen die Bürger für die Wissenschaft gewinnen und haben daher ein neues Format entwickelt: die „Zukunftskonferenz“, die jährlich stattfinden soll. Heuer ging es um Mobilität und Energiewende. Wir wollen mit hochrangigen Speakern und Podiumsdiskussionen Themen so vermitteln, dass es die Menschen verstehen. Das ist gut angekommen.
Universität für Bodenkultur klingt altmodisch. Wäre Life Science University nicht besser?
Wir denken tatsächlich darüber nach. Die Boku befindet sich im Wettbewerb mit anderen Universitäten und kämpfte – wie viele andere – mit einer sinkenden Zahl „prüfungsaktiver“ Studierender. Danach bemisst sich aber die Finanzierung der Universitäten. Es gilt daher, attraktive Studienmöglichkeiten zu schaffen. Wir haben das Glück, die Themen der Stunde und der Zukunft zu haben. Es gibt neue Masterstudien – etwa „Climate Change and Societal Transformation“, alle englischsprachig. Und wir werben unter anderem auf Tiktok. Die letzten beiden Semester hatten wir ein Plus von je acht Prozent bei den Studierenden.
Politisch sehr umstritten ist die grüne Gentechnik. Sie sind gemeinsam mit vielen anderen Wissenschaftern in einem offenen Brief dafür eingetreten. Kann man die Weltbevölkerung langfristig überhaupt ohne gentechnische Methoden ernähren? Man braucht dafür ja auch klimaresistente Pflanzen.
Angesichts der Herausforderungen wie Ernährungssicherheit und Klimawandel brauchen wir Lösungen. Die neuen gentechnischen Methoden geben uns dafür sehr präzise, zusätzliche Werkzeuge in die Hand. Wenn man der Wissenschaft glaubt, und das tue ich, dann ist der mögliche Nutzen hoch, das erwartbare Risiko aber gering.
➤ Ist Gentechnik doch nicht so übel? Österreichs Forscher sind jetzt dafür
Wie steht die Boku zu Düngemitteln und Insektiziden? Auch die sind ja teils sehr umstritten.
Dazu erstellen wir Studien. Zunehmend spielt da auch die Digitalisierung eine große Rolle, weil sie die Möglichkeit bietet, weniger Pflanzenschutz einzusetzen. Man kann computergesteuert Unkraut erkennen und zielgerichtet nur einen Bruchteil der Spritzmittel verwenden, die bisher nötig waren. Auch da wollen wir uns stärker aufstellen.
Hat man als Frau an der Spitze einer Uni andere oder härtere Herausforderungen oder ist das mittlerweile „normal“?
Es hat sich zum Positiven verändert. Als ich 2008 an die Boku berufen wurde, war die Frauenquote unter den Professoren bei circa 15 Prozent. Jetzt sind wir bei 25 Prozent. Das ist natürlich noch ausbaufähig. Aber die Hälfte unserer Absolventen sowie der Studierenden sind Frauen. Außerdem ist circa ein Drittel der Rektorate in Österreich in weiblicher Hand. Man kann daher schon sagen: Es ist mittlerweile „normal“.
Kommentare