Cannabis als Allheilmittel für Senioren?

Ein alter Mann mit Hut zündet sich mit einem Feuerzeug einen Joint an
Mehr Appetit, besserer Schlaf und weniger Schmerz. Die Wirkstoffe der Pflanze gewinnen vor allem für Ältere an Bedeutung.

Cannabis statt Schmerztabletten – in US-amerikanischen Altersheimen greift man immer öfter zu Marihuana, um krankheitsbedingte Schmerzen und altersbedingte Beschwerden in den Griff zu bekommen. Allerdings wird der Wirkstoff weniger in Form eines Joints, sondern meist als Tropfen oder Öl in einer Kapsel verabreicht. "Ich fühle mich nicht high oder stoned. Ich weiß nur, dass ich mich besser fühle, wenn ich das nehme", erklärte eine 98-jährige Bewohnerin eines New Yorker Altersheims erst kürzlich der New York Times.

Die Wirkstoffe dürften den Senioren zu besserem Schlaf und gesteigertem Appetit verhelfen. Und es gibt immer mehr Hinweise, dass sich geringe Dosen des Cannabis-Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) gar positiv auf Alzheimer und Altersdemenz auswirken können.

Alte verhalten sich wie Junge

Aktuell konnten Bonner Forscher etwa in Experimenten mit alten Mäusen zeigen, dass die Lern- und Gedächtnisleistung stark verbessert wurde. "Auf einmal verhalten sich die alten Tiere wie die jungen", erklärt der Neurowissenschaftler Prof. Andreas Zimmer. In israelischen Altenheimen würden Bewohner, die unter Appetitlosigkeit und Schlafstörungen litten, mit Cannabis behandelt. "Viele darunter waren daraufhin auch geistig wesentlich reger." Klinische Untersuchungen zum geriatrischen Einsatz von Cannabis laufen.

Einsatz auch in Österreich

Auch in Österreich wird Cannabis "vor allem in der Palliativmedizin zur Schmerztherapie und zur Appetitförderung bei Mangelernährung bewusst eingesetzt", erklärt Univ.-Prof. Regina Roller-Wirnsberger von der Österr. Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie. "In unserem Bereich geht es immer weniger um die Lebensverlängerung, sondern um die Lebensqualität. Je älter jemand ist, desto individueller muss die Therapie sein. Und da wird Cannabis bei Bedarf nach dem Motto Start Slow and dose low (Beginne langsam und dosiere niedrig) verabreicht."

Mutigerer Umgang

Der Hartberger Allgemeinmediziner Reinhold Glehr, der viele Patienten in Altenheimen betreut, wünscht sich einen mutigeren Umgang mit Cannabis für Senioren. "Vor allem der Wirkstoff Cannabidiol wird unterschätzt. Er wirkt muskelentspannend, schmerzstillend, appetitfördernd, hat weniger Nebenwirkungen und wirkt weniger psychoaktiv als THC." Er würde es befürworten, wenn Cannabidiol leichter verschreibbar wäre. Derzeit ist es nur als Nahrungsergänzungsmittel im Handel erhältlich, weil es kein Suchtpotenzial hat. Medizinisches THC ist in Österreich nur unter bestimmten Umständen (siehe oben) zugelassen.

"Cannabidiol sollte gerade in der Geriatrie häufiger eingesetzt werden – mit Bedacht, bis man die richtige Dosis findet. Aber man muss nicht überängstlich sein. Immerhin werden auch Opioide verschrieben." Im hohen Alter sei es wichtig, Schmerzen zu nehmen und die Stimmung zu verbessern. "Die Abhängigkeit spielt im hohen Alter nicht mehr so eine große Rolle."

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