Laborfleisch: Für diesen Hamburger stirbt kein Rind

Der erste In-vitro-Burger sorgte vor einigen Jahren für große Aufmerksamkeit. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Start-ups, die sich mit kultiviertem Fleisch beschäftigen
Durch Laborfleisch könnte man den Viehbestand und alle damit verbundenen Probleme senken.

Fleisch – es schmeckt gut, bringt aber auch eine Menge Probleme mit sich. Mehr als drei Viertel der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche werden für Futterproduktion und als Weidegrund verwendet. Per Kreuzungszucht und Medikation werden Tiere zu Produktionsmaschinen geformt und teilweise unter unwürdigen Bedingungen gehalten. Hoher Fleischkonsum kann das Risiko von Herzkrankheiten und bestimmten Krebstypen erhöhen.

Nicht zuletzt produzieren Rinder enorme Mengen Methan, ein Treibhausgas, das viel stärker auf die Erwärmung der Atmosphäre wirkt als Kohlendioxid. Dennoch ist Fleisch beliebter denn je. Im Jahr 2050 soll die Nachfrage 70 Prozent höher als heute sein. Zahlreiche neue Start-ups halten eine Lösung für all diese Probleme parat. Sie nennt sich kultiviertes Fleisch, In-vitro-Fleisch oder ganz einfach Laborfleisch.

Laborfleisch: Für diesen Hamburger stirbt kein Rind

Echte Muskeln

Essbare Produkte, die wie tierisches Fleisch schmecken oder gar tierisches Fleisch sind – aber dennoch ohne Tier entstanden sind – liegen spätestens seit der Präsentation des ersten In-vitro-Hamburgers im Jahr 2013 voll im Trend. Kreiert wurde dieser von Mark Post, einem Professor für Gewebezüchtung an der Universität von Maastricht. Der Niederländer hat sein Projekt mit Unterstützung von Google-Mitbegründer Sergey Brin verwirklicht und kurz darauf das Unternehmen Mosa Meat mitgegründet. Der KURIER hat Post beim Pioneers Festival in Wien getroffen.

Laborfleisch: Für diesen Hamburger stirbt kein Rind

Mark Post: Chief Scientific Officer von Mosa Meat

Das Rezept für Rindfleisch ohne Kuh, auf das sich Mosa Meat spezialisiert, ist laut Mark Post einfach: "Wir entnehmen Stammzellen aus einer Kuh und lassen sie wachsen, um Muskelgewebe zu bilden. Natürlich müssen die Zellen gefüttert werden, so einfach wie mit einer Pflanze ist das nicht." Ein ausgeklügelter Cocktail an Stoffen, wie Zucker, Aminosäuren und Vitaminen, sei dazu notwendig. An einem bestimmten Punkt stoppt man die Zufuhr von "Wachstumsfaktoren". Die Muskelzellen beginnen dann selbstständig sich zu differenzieren und zu verbinden. In einer ringförmigen Schale ziehen sich die Muskelzellen zusammen. Dadurch bildet sich proteinreiches Gewebe. "Das ist wie im Fitnesscenter. Du musst Spannung aufbauen, um dicke Muskeln zu bekommen."

Acht Wochen

Bis aus einer Stammzelle ein ganzes Fleischlaibchen für einen Hamburger entstanden ist, dauert es rund acht Wochen, erklärt Post. Das Verfahren, das Mosa Meat entwickelt hat, sei fast soweit, um mit echter Lebensmittelproduktion zu beginnen. Zunächst müsse man noch regulatorische Hürden nehmen. Im Jahr 2021 oder 2022 will das Unternehmen dann mit der Markteinführung beginnen. Während der erste Laborfleisch-Hamburger im Jahr 2013 noch auf Produktionskosten von 250.000 Euro gekommen ist, soll das künftige Produkt preislich vergleichbar mit jenem aus Tierhaltung sein. Wird Fleisch einmal in großem Maßstab im Labor hergestellt, Post rechnet mit 10 bis 15 Jahren, könnten die weltweiten Nutztierbestände stark reduziert werden.

Stabiler Geschmack

Eine der wichtigsten Fragen rund um kultiviertes Fleisch ist freilich: Wie schmeckt es? Post: "Es schmeckt wie Fleisch, es ist ja auch dasselbe Gewebe. Was noch fehlt, ist das Fett. Jetzt schmeckt es sehr nach Protein, etwas süßlich, fast karamellisiert." Wird das Fleisch faschiert, sei es aber relativ leicht, Fett hinzuzumischen.

"Das klingt vielleicht etwas langweilig, aber einer der Vorteile unseres Fleisches ist, dass der Geschmack absolut gleich bleiben kann", meint Post. "Wenn ich Leute damit konfrontiere, sagen sie immer, dass sie das nicht wollen würden – aber wenn man sich das tatsächliche Kaufverhalten der Leute ansieht, merkt man: Das ist genau das, was sie wollen. Nicht umsonst ist Johnnie Walker der beliebteste Whiskey. Er schmeckt immer gleich."

Sichere Wette

Sein Laborfleisch will Mosa Meat künftig einerseits selber produzieren, andererseits plant das Unternehmen die Weitergabe seines Verfahrens an Industriekunden gegen Lizenzgebühren. Auf die Frage, wie denn die traditionelle Fleischindustrie auf Laborfleisch reagiere, sagt Post: "Jeder realisiert, dass sich Dinge ändern müssen, wenn der steigende Bedarf bedient werden soll. Die großen Player der Branche investieren reihenweise in Unternehmen wie unseres."

Laut Post sind derzeit weltweit rund 150 Firmen mit der Entwicklung von Laborfleisch oder pflanzlichen Fleischalternativen beschäftigt. Auch Fisch aus dem Labor ist ein Thema. Für Start-ups zahle sich der Einstieg in das Feld bestimmt aus: "Wir werden immer essen müssen. Biotechnologie ist eine sichere Wette. Aber klarerweise ist das Ganze komplexer als eine App zu bauen."

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