Zurück zum Mund-Nasen-Schutz oder bald sogar ganz ohne Masken?
Wie schätzen Experten die politischen Überlegungen ein, ab Juli von den FFP2-Masken wieder auf den - die Atmung erleichternden - Mund-Nasen-Schutz umzusteigen? Und könnte angesichts der geringen Infektionszahlen die Maskenpflicht auch ganz fallen? Der KURIER hat sich unter Experten umgehört.
Die Hygienikerin Miranda Suchomel von der MedUni Wien kann sich nicht nur die Rückkehr zum Mund-Nasen-Schutz vorstellen: "Ich finde, dass es angesichts der niedrigen Infektionszahlen auch vertretbar ist, dass die Maskenpflicht auch in Innenräumen komplett fällt", sagt sie im KURIER-Gespräch. "Wir haben heuer nicht nur niedrige Infektionszahlen, so wie im Vorjahr um diese Zeit auch, sondern wir haben zusätzlich auch eine hohe Durchimpfungsrate."
Es sei für sie zum Beispiel nicht einleuchtend, "warum in Lokalen zwar mittlerweile acht Leute an einem Tisch sitzen können, beim Rein- und Rausgehen aber immer noch die Masken getragen werden müssen." Überall dort, wo die 3-G-Regel gelte („geimpft, getestet, genesen“) gebe es überhaupt kein Argument mehr für die Maske. "Aber ich halte den Verzicht auf Masken auch im Supermarkt und in öffentlichen Verkehrsmitteln mittlerweile für vertretbar. Die Infektionszahlen geben das eindeutig her."
Zwar sei davon auszugehen, dass "wir im Herbst wieder steigende Infektionszahlen sehen werden. Solche saisonale Anstiege werden uns bleiben, so wie bei Erkältungskrankheiten bzw. der Influenza auch. Aber dann kann man konkret entscheiden, ob es wieder die eine oder andere Maßnahme brauchen wird, um die Intensivstationen zu schützen. Das wird die Zeit zeigen." Und jedem sei es überlassen, zum Eigenschutz weiterhin eine FFP2-Maske zu tragen: "Ich persönlich bin über die FFP2-Maske in der U-Bahn gar nicht unglücklich, weil ich dadurch auch keinen Schweißgeruch wahrnehme - aber das sollte jeder für sich selbst entscheiden können."
Auch Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien kann sich ein generelles Zurückgehen auf die einfachen OP-Masken vorstellen: "Das ist in der derzeitigen Situation wirklich vertretbar." Ein weitgehendes Aufheben der Maskenpflicht - so wie im vergangenen Sommer - lehnt er aber ab: "Ich halte das Risiko eines kompletten Verzichts für zu groß." Mittlerweile hätten die allermeisten - "außer die unbelehrbaren" - den Automatismus gut verinnerlicht, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Supermarkt und anderen öffentlichen Innenräumen Masken aufzusetzen: "Dieser Automatismus würde dann verloren gehen."
Hutter verweist auch auf die Erfahrungen des Vorjahres: "Wenige Wochen nach der Aufhebung der Maskenpflicht musste sie teilweise bereits wieder eingeführt werden." Tatsächlich entfiel am 15. Juni 2020 die Maskenpflicht im Handel, in Schulen und für Gäste in Restaurants. Bereits am 21. Juli 2020 wurde die Maskenpflcht in Supermärkten, Bank und Post wieder eingeführt, am 14.9. dann auch im Handel und der Gastronomie.
Der Umweltmediziner verteidigt auch die Regelung, dass man in der Gastronomie abseits vom eigenen Platz die Maske tragen muss: "Hier geht es darum, Tröpfcheninfektionen und das Risiko durch Aerosole beim Herumgehen zu reduzieren."
"Zumutbar"
Insgesamt sei der Mund-Nasen-Schutz "zumutbar, das ist doch nicht so ein Riesenproblem: Das Ziel muss doch sein, diese günstige Situation, die wir uns jetzt über Monate erarbeitet haben, nicht gleich wieder zu verlieren. Und dabei hilft uns der Mund-Nasen-Schutz. Er ist ein einfaches Mittel - und wir wollen ja mit möglichst einfachen Mitteln möglichst viel erreichen, um nicht wieder zusperren zu müssen."
Wichtig sei es auch darauf hinzuweisen, dass Risikopersonen, die auf eine Impfung nicht gut ansprechen oder möglicherweise gar nicht geimpft werden können, zum Selbstschutz weiterhin eine FFP2-Maske tragen sollten: "Der Eigenschutz ist beim herkömmlichen Mund-Nasen-Schutz viel geringer."
MNS reicht bei geringer Virenbelastung
Dass in alltäglichen Situationen bei einer geringen Virenbelastung der Mund-Nasen-Schutz ausreicht, zeigt jetzt auch eine Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPIC), die im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht wurde. "Normalerweise enthält nur ein geringer Anteil der von Menschen ausgeatmeten Tröpfchen und Aerosolpartikel Viren. Meist ist die Virenkonzentration in der Luft so gering, dass selbst einfache chirurgische Masken die Verbreitung von Covid-19 sehr wirksam eindämmen", sagt Yafang Cheng vom MPIC. In virenreichen Innenräumen mit hoher Infektionswahrscheinlichkeit seien jedoch Masken mit höherer Wirksamkeit wie FFP" erforderlich, um eine Übertragung durch die Luft zu verhindern.
Die Wissenschafter konnten auch zeigen, dass Masken die Reproduktionszahl (wie viele Personen ein Infizierter ansteckt) nur dann effektiv senken können, wenn möglichst viele Menschen sie korrekt anwenden. Um die Reproduktionszahl von etwa drei (der ursprüngliche Wert, ohne jegliche Schutzmaßnahmen steckt ein Infizierter drei weitere Personen an) auf unter eins zu reduzieren, müssten mindestens 60 bis 70 Prozent der Menschen chirurgische Masken korrekt anwenden. Bei FFP2-Masken sind es 40 Prozent.
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