Zecken-Saison: Wenn es schon im Winter kreucht und fleucht
Die Zecken sind wieder los. Dieses Jahr ausnehmend früh. Georg Duscher, Zecken-Experte der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), überrascht das nicht.
Zwar beobachte man immer wieder, dass Zecken etwa schon durch Warmwetterlagen rund um Weihnachten kurz aktiv werden. Dieses Jahr sei man über die Zahl der Sichtungen im Februar dennoch erstaunt: "Lange Wärmeperioden im Jänner und Februar haben dazu geführt, dass deutlich mehr Zeckenmeldungen eintrudeln."
Die Zeckenaktivität erreicht nach wie vor im Frühling ihren Höhepunkt, "die Spinnentiere richten sich aber nicht nach dem Kalender, sondern nach den Umgebungstemperaturen", weiß Umweltmediziner Hans-Peter-Hutter von der MedUni Wien. Ab etwa acht Grad beginnen sie zu krabbeln. "Und im Februar lagen die Temperaturen bisher schon sieben Grad über dem langjährigen Mittel."
Bunt- bis Riesenzecken werden vermehrt gesichtet
Vor allem die Buntzecke, neben dem Gemeinen Holzbock eine verbreitete heimische Zeckenart, taucht vermehrt auf. "Sie ist immer besonders früh und spät im Jahr unterwegs, weil sie sehr kälteresistent ist – und sie wird oft mit der Hyalomma, einer invasiven Riesenzecke, die immer öfter gesichtet wird, verwechselt", sagt Duscher.
Stichwort Hyalomma: Die klimatischen Veränderungen laden fremde Zeckenarten zum Verweilen ein. Vergangenes Jahr erreichten Zecken-Spezialist Duscher Hunderte Bildzusendungen von Zecken aus der Bevölkerung: Jede 30. Meldung war eine Riesenzecke. "Der Vorteil ist, dass sie im Vergleich zum Holzbock riesig ist, man sie also besser entdeckt", sagt Hutter. Der Nachteil: "Sie kann neben FSME und Borreliose auch andere Erreger, wie zum Beispiel das Krim-Kongo-Fieber Virus, übertagen."
Zecken sind Hauptüberträger von FSME, der Frühsommer-Meningoenzephalitis. Bei FSME kann es zur Entzündung des Gehirns, des Rückenmarks und der Hirnhäute kommen. Leichte Krankheitsverläufe sind möglich, aber auch schwere Folgen. Der einzige wirksame Schutz ist die FSME-Impfung. "Ein Medikament gibt es nicht", betont Hutter.
Wie wichtig ein aufrechter Impfschutz ist, untermauern neueste Prognosen aus Deutschland: Forschende der Uni Hohenheim gehen davon aus, dass die FSME-Zahlen langfristig deutlich steigen werden.
Im hohen Gras lauert die Gefahr
Wo hierzulande Risikogebiete für FSME liegen, lässt sich nur schwer eingrenzen, sagt Duscher. Zwar geben FSME-Landkarten Aufschluss darüber, wo Erkrankungen infolge von Stichen auftreten. "Das ist aber nicht deckungsgleich mit dem geografischen Vorkommen der Zecken." Es sei jedenfalls damit zu rechnen, dass Zecken künftig öfter in höheren Lagen anzutreffen sein werden: "An allen naturnahen Orten, wo die Temperaturen passen und neben feuchtem Laubstreu Wirte wie Igel, Mäuse, Marder oder Rehe vorhanden sind."
Bei Unsicherheit über den aktuellen Impfschutz, etwa, weil der Impfpass nicht auffindbar ist, kann man sich einfach eine Auffrischungsimpfung geben lassen. "Ein Bluttest zur Bestimmung des Impftiters (Antikörperkonzentration, Anm.) ist nicht nötig", sagt Hutter. Zecken sind ebenso Überträger von Bakterien, die Borreliose auslösen. "Hier ist es deutlich schwieriger, sich zu schützen", sagt Hutter. Eine vorbeugende Impfung gibt es nicht. Dafür kann die Lyme Borreliose antibiotisch behandelt werden.
Wer hohes Gras oder Buschwerk quert, sollte seine Kleidung anpassen: "Am besten eine lange Hose tragen und sie in Socken oder Schuhe stecken, das erschwert den Zecken den Zugang zur Haut", erklärt Duscher. Angemessene Bekleidung ersetzt das gründliche Absuchen der Haut nach Naturaufenthalten allerdings nicht.
Zecken immer langsam und kontrolliert entfernen
Hat eine Zecke zugestochen, sollte man rasch handeln. "Aber mit Feingefühl", mahnt Hutter. Ideal zum Entfernen ist eine Zeckenzange, "eine Pinzette tut es auch". Wichtig sei, das Tier langsam, kontrolliert und gerade herauszuziehen. "Und bitte nicht mit Öl oder Klebstoff hantieren." Schafft man es nicht, den Zeckenkopf vollständig aus der Haut zu bekommen, ist das laut Duscher nicht weiter schlimm. "Der Rest wird von der Haut abgestoßen."
Die Überwachung der heimischen Zeckenpopulationen ist knifflig, weiß Experte Duscher: "Man kann die Zecken fangen, indem man ein Leintuch über Gras oder Gestrüpp zieht. Aber das ist zeitaufwendig." Mit einem neuen Projekt will man die Bevölkerung verstärkt einbinden. Es soll Zecken-Daten aus der gesamten EU vernetzen, derzeit ist es noch im Aufbau.
Spätestens ab kommendem Frühjahr sollen Beobachter Zeckensichtungen mit Bild und Standort online einmelden können. "So können wir die Zeckenaktivität und Arten besser verfolgen." Bis das Projekt steht, kann die Bevölkerung auffällige Sichtungen an die AGES schicken (zecken@ages.at).
Siedelnde Parasiten breiten sich in Europa aus
Neue Zeckenarten sind nicht die einzigen Parasiten, die wegen veränderter klimatischer Bedingungen bei uns heimisch werden. Deutsche Forschende der Goethe-Uni Frankfurt warnten kürzlich, vor der Ausbreitung von Kriebelmücken – ebenfalls potenziell infektiöse Blutsauger – in Europa. Über die Tigermücke droht das Dengue-Fieber zum Problem zu werden. "Vor allem in Südeuropa, aber auch in Österreich, werden die Mücken größere Populationen bilden", sagt Hutter. Neben dem Klima seien der globale Reiseverkehr und Handel Treiber dieser Entwicklung.
"Auch andere Tropenkrankheiten wie Zika, das West-Nil-Virus oder das Chikungunyafieber werden künftig nicht mehr auf die Tropen beschränkt bleiben", glaubt Hutter. Grund zur Panik sei das allerdings nicht: "Im Vergleich zu anderen Klimafolgen, wie Überschwemmungen oder Hitzeperioden, sind das Probleme, mit denen wir medizinisch noch gut umgehen können."
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