Riesenarten und größere Population: Was Zecken heute so gefährlich macht
Sie tummeln sich im hohen Gras, Gebüsch oder Unterholz, um im passenden Moment den Absprung zu schaffen: Zecken brauchen Blut zum Überleben und krallen sich in Sekundenbruchteilen an Kleidung und Haut. An letzterer machen sie sich anfangs als kleiner schwarzer Punkt und später als bräunliches Tier mit geschwollenem Hinterleib bemerkbar.
Vor Beginn der Zecken-Hochsaison – wegen des Klimawandels beginnt sie inzwischen tendenziell früher – hat die KURIER die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf Zecken aus?
Zecken sind ab 8 Grad Celsius aktiv. "Milde Winter sind für sie also günstig", schildert Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien. Die Blutsauger seien inzwischen früher und länger aktiv. "Man findet sie in immer höheren Lagen, sogar auf 1.500 Metern", sagt Hutter, der ein genaues Zeckenmonitoring für essenziell hält. Auch die Zeckendichte steigt: "Unklar ist, ob sich damit auch die Erregerdichte steigert, ob es also auch mehr mit FSME-infizierte Zecken gibt." Allerdings: Große Hitze und Trockenheit – ebenfalls Folgen der globalen Erderwärmung – setzen den flüssigkeitsaffinen Zecken zu.
Die klimatischen Veränderungen laden auch fremde Zeckenarten zum Verweilen ein. So wurden etwa vor einigen Jahren bereits Exemplare der Art Hyalomma marginatum gefunden. Inwieweit sich die sogenannte "Riesenzecke" seither verbreitet hat, ist noch unklar. Hutter: "Sie kann aber ebenfalls Krankheiten übertragen und unsere Umwelt wird für sie immer angenehmer."
Welche Krankheiten können Zecken am häufigsten übertragen?
Zecken sind Hauptüberträger von FSME, der Frühsommer-Meningoenzephalitis. Das Virus, das die Infektionskrankheit auslöst, sitzt in der Speicheldrüse der Zecke. Sticht sie zu, sondert sie den Erreger in die Wunde ab – man wird unmittelbar angesteckt. Der einzige wirksame Schutz gegen die Viruserkrankung ist die FSME-Impfung. Ein Medikament gibt es nicht.
Was ist mit Borreliose?
Der Biss einer Zecke kann auch zu Borreliose führen. Rund 30 Prozent aller Zecken sind mit Borrelien infiziert. Gegen diese Krankheit gibt es keine Impfung, aber gute Behandlungsmöglichkeiten mit Antibiotika. Das verantwortliche Bakterium befindet sich im Zeckenmagen. Ist die Zecke mit Blut vollgesogen und satt, stößt sie auf und das Bakterium gelangt in die Blutbahn des Menschen. "Das dauert aber ein wenig", sagt Bettina Pfausler, Spezialistin für Neuroinfektiologie an der MedUni Innsbruck. "Deswegen ist es wichtig, die Zecke schnell zu entfernen."
Wo liegen hierzulande Risikogebiete für Zecken bzw. FSME?
Einen Zeckenstich kann man sich überall in Österreich einfangen. Nicht jede Zecke ist FSME-Träger. Etwa ein bis drei Prozent der heimischen Zecken tragen das Virus in sich. "Wenn man von einer infizierten Zecke gestochen wird, ist die Wahrscheinlichkeit aber hoch, dass man FSME entwickelt", sagt Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium. Ein gänzlich FSME-freies Bundesland gebe es nicht. "Allerdings gibt es immer wieder kleine Herde mit hoher Durchseuchungsrate und – teils nahe liegende – Regionen, die eher FSME-frei sind."
Wie erkenne ich, ob ich mich mit FSME infiziert habe?
Erste Beschwerden treten in der Regel sieben bis zehn Tage nach der Ansteckung auf: Man fühlt sich meist "grippig" mit Schnupfen, Halskratzen, leichtem Fieber und Gliederschmerzen. Die Symptome können nach einem Tag wieder abklingen oder deutlich länger (bis zu einer Woche) anhalten. In dieser ersten Phase der Erkrankung arbeitet das Immunsystem auf Hochtouren, um das Virus unschädlich zu machen. In den meisten Fällen gelingt das; die Krankheit bleibt folgenlos.
In wenigen Fällen nimmt die Infektion nach einigen beschwerdefreien Tagen wieder Fahrt auf: "Das Virus dringt ins Hirn ein und kann dort Zellen und Hirnhäute schädigen", erklärt Neurologin Pfausler. Infolge erkranken Betroffene meist an einer Meningitis (Hirnhautentzündung) mit hohem Fieber, heftigsten Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Ein kleiner Teil entwickelt eine Enzephalitis: Hier befällt und zerstört das Virus die Nervenzellen, es folgen Lähmungserscheinung, Bewegungs- und Sehstörungen. Derart schwere Verläufe mögen selten sein: "Jene Patienten, die auf der Intensivstation landen, verbleiben aber über Wochen am Beatmungsgerät, überleben manchmal nur mit schweren Folgeschäden – oder sterben."
Was ist bei einem Zeckenbiss zu tun?
Zecken brauchen ein Weilchen, bis sie es sich auf der Haut gemütlich gemacht haben und zustechen. "Diese Zeitfenster muss man nutzen", sagt Pfausler. Sie empfiehlt, Haut und Kleidung nach Aufenthalten in Wald und Wiese gründlich abzustreifen (im Idealfall trägt man vorbeugend lange Kleidung, eine Kopfbedeckung und Insektenabwehrmittel und steckt die Hose in die Socken). Hat die Zecke schon zugebissen, sollte sie so rasch wie möglich knapp über der Haut, gerade und ohne sie zu quetschen, entfernt werden. Etwa mit speziellen Werkzeugen, einer Pinzette oder den Fingernägeln. Wer über einen aufrechten Impfschutz verfügt, ist auf der sicheren Seite. Ungeimpfte können sich vier Wochen nach einem Biss gegen FSME impfen lassen. Hat man sich infiziert und fühlt sich kränklich, heißt es zunächst abwarten und auskurieren. Bei einer Verschlechterung des Zustands und/oder neurologischen Symptomen sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen.
Österreich-Bezug
FSME wurde vor rund 100 Jahren erstmals bei Waldarbeitern in der Gegend um Wiener Neustadt beobachtet. 1957 gelang es, das Virus aus fünf Zecken in der Region zu isolieren. 1973 stellte Christian Kunz vom Institut für Virologie der Uni Wien, den ersten FSME-Impfstoff her. Drei Jahre später ging er in Massenproduktion.
Erfolgsgeschichte
In den Achtzigern wurde die erste Impfkampagne lanciert. Danach ging die Zahl der Fälle deutlich zurück. 2020 wurden 216 Fälle registriert, 2021 128. 2022 wurden 192 Fälle – 179 Hospitalisierungen und 2 Todesfälle – gemeldet. Die meisten treten zwischen Mai und August auf, inzwischen gibt es aber das ganze Jahr über Fälle. FSME betrifft alle Altersgruppen. Rund 80 Prozent haben einen aufrechten Impfschutz. Der Österreichische Impfplan empfiehlt die FSME-Impfung für Kinder ab dem 1. Geburtstag. Die Impfung muss aber selbst bezahlt werden. Die Krankenkassen zahlen einen kleinen Zuschuss. Laut Gesundheitsministerium wird laufend über die Aufnahme der Impfung ins kostenlose Kinderimpfprogramm diskutiert.
Woher weiß ich, ob ich gegen FSME geschützt bin?
Nur wer richtig geimpft ist, ist gut geschützt. Für eine Grundimmunisierung wird man im Normalfall drei Mal geimpft: Nach dem ersten Stich folgt der zweite nach 1 bis 3 Monaten, der dritte nach weiteren 6 bis 12 Monaten. "Wir haben sichere und effektive Impfstoffe zur Verfügung, die FSME in Österreich massiv eingedämmt haben", sagt Paulke-Korinek. Ein Impfstich allein biete keinen vollständigen Schutz. Bei unklarer Impfgeschichte – wenn man sich beispielsweise nicht sicher ist, ob man die Grundimmunisierung abgeschlossen hat oder nicht weiß, wann man zuletzt geimpft wurde, "ist eine Auffrischung empfohlen".
Regulär wird nach der Grundimmunisierung erstmals nach drei Jahren und dann alle fünf Jahre geboostert. Ab 60 Jahren dann wieder alle drei Jahre. Davon, die Auffrischung durch Titerbestimmungen aufzuschieben, rät Paulke-Korinek ab: "Das sind Momentaufnahmen, man weiß nicht, was sie mittel- und langfristig für den Schutz bedeuten." Bei aufrechtem Impfschutz verhindert die Impfung die Erkrankung in rund 95 Prozent der Fälle. Paulke-Korinek: "Impfdurchbrüche sind eine Rarität."
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