Wie sich das Dengue-Virus den Weg nach Europa bahnt

Eine Tigermücke auf der Haut.
Viele Menschen verorten das Dengue-Virus in den Tropen. Doch der exotische Erreger kursiert inzwischen auch in Europa.

82 Ansteckungen mit dem Dengue-Virus wurden vergangenes Jahr in Italien gemeldet. In Frankreich infizierten sich 43 Menschen durch einen Mückenstich mit dem Erreger, in Spanien drei. Besorgniserregend sind diese Zahlen deshalb, weil die Aedes-Stechmücken, die das Dengue-Virus übertragen, eigentlich in tropischen und subtropischen Klimazonen zuhause sind. Dass sie nun in europäischen Ländern zur Ausbreitung des Dengue-Fiebers beitragen, beobachtet die WHO mit Sorge. Auch weltweit wird seit einigen Jahren ein rasant wachsendes Ansteckungsgeschehen beobachtet.

Es gibt auch gute Nachrichten: Vergangene Woche berichteten brasilianische Forschende über erfolgversprechende Daten zu einem neuen Dengue-Impfstoff. Tropenmediziner Alexander Zoufaly sieht in der Entwicklung neuer und Verfeinerung bereits zugelassener Impfstoffe Potenzial: "Es ist wichtig, dass laufend an noch besseren Impfstoffen gefeilt wird. Noch wichtiger ist aber, dass diese breit verabreicht werden, um möglichst viele Menschen zu schützen."

Im KURIER-Interview spricht der Leiter des Tropeninstituts Wien 1060 darüber, was den Dengue-Erreger befeuert, ob man sich irgendwann auch direkt in Österreich mit dem Dengue-Virus anstecken wird können und warum eine Zweitinfektion als gefährlich gilt.

KURIER: Warum breitet sich Dengue so stark aus?

Alexander Zoufaly: Das Dengue-Fieber wird durch die Tigermücke, aber auch die Gelbfiebermücke übertragen – und die können sich überall dort schnell vermehren, wo Wasser vorkommt. Inzwischen gibt es in Dengue-Risikogebieten auch außerhalb der Regensaisonen teils massive Regenfälle und Überschwemmungen. Auch in unseren Breiten haben solche Wetterextreme zugenommen. Das sichert den Mücken ihre Brutstätten. Wegen der Corona-Pandemie sind auch Mückenbekämpfungsprogramme ins Stocken geraten. Es wurden weniger Brutstätten trockengelegt oder großflächig Insektizide versprüht. Drittens ist die Tigermücke eine invasive Art, die gut neue Gebiete erschließen kann.

Wird man sich künftig in Österreich anstecken können?

Das ist nicht auszuschließen. Aktuell sind sämtliche Fälle auf Reiserückkehrer zurückzuführen. Eine Übertragung von Mücke zu Mensch gab es bei uns noch nicht. Aber die Mücken sind da – und werden bleiben. Es gibt schon jetzt in Europa immer wieder kleinere Ausbrüche, in Italien etwa rund um den Gardasee. Das ist eine Folge davon, dass die Mücken wegen der Klimaerwärmung bei uns das ganze Jahr über heimisch sind und größere Populationen gebildet haben. Wenn die Mücken auf Menschen treffen, die das Virus in sich tragen, diese stechen und dann nicht-infizierte Personen stechen, breitet sich die Krankheit aus. Wie stark der Erreger auf diese Art weitertransportiert wird, hängt davon ab, wie viele Mücken es gibt, wie schnell sie sich vermehren können und wie deren Stechgewohnheiten sind. Endemisch ist Dengue in Europa noch nicht, die Krankheiten tritt also noch nicht dauerhaft gehäuft in einer begrenzten Region auf.

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Wie gefährlich ist das Virus?

Die Erkrankung ist zweifelsfrei unangenehm, aber Dengue ist keine sehr tödliche Krankheit. Rund ein Viertel der Infizierten entwickelt Beschwerden, Fieber, Hautausschlag, Kopfschmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl. Selten kann es zu Organbeteiligungen oder Blutungen kommen, sehr selten zum Tod. Der Großteil der infizierten Menschen entwickelt keine Symptome, kann aber nichtsdestotrotz als Quelle für Neuinfektionen dienen. 

Immer wieder hört man, eine Zweitinfektion sei enorm gefährlich.

Beim Dengue-Virus zirkulieren weltweit vier verschiedene Serotypen, quasi Unterarten. Eine Ansteckung mit einem Serotyp bietet eine lang andauernde Immunität. Kommt man aber mit einem anderen Serotyp in Kontakt, kommt ein antikörperabhängiger Verstärkungsmechanismus zum Tragen. Dann binden die im Körper bereits bestehenden Antikörper zwar an die Oberfläche des neuen Virustyps, machen diesen aber nicht unschädlich, sondern führen zu einer verbesserten Aufnahme des Virus in die Zellen. Das kann die Krankheit schwerer verlaufen und in einen Krankenhausaufenthalt münden lassen. Auch das Risiko eines tödlichen Verlaufs ist erhöht.

Wie sich das Dengue-Virus den Weg nach Europa bahnt

Alexander Zoufaly ist Experte für Infektionsmedizin.

Hilft Menschen, die bereits infiziert waren, der seit 2022 neu verfügbare Impfstoff?

Ja, für sie ist der Impfstoff ideal, weil er hier am wirksamsten schützt und es keine Sicherheitsbedenken gibt.

Gibt es generell Bedenken bezüglich der Sicherheit?

Es ist so, dass es auch einen älteren Impfstoff gibt, der nur für Personen zugelassen ist, die eine Dengue-Infektion durchgemacht haben. Das Vakzin ist nicht ganz unumstritten, denn man hat beobachtet, dass es bei Kindern, die zuvor noch nicht an Dengue erkrankt waren, bei nachfolgenden Ansteckungen zu schweren Krankheitsverläufen führen kann. Beim neuen Impfstoff – er wurde inzwischen bereits tausendfach verabreicht – wurden derartige Komplikationen bislang nicht beobachtet und es ist auch unwahrscheinlich, weil die beiden Vakzine verschieden aufgebaut sind. Für Bevölkerungen in Ländern, in denen das Virus sehr verbreitet ist, ist die Impfung jedenfalls eine enorme Verbesserung und ein wichtiger und logischer Schritt, um das Dengue-Fieber zu bekämpfen. 

Und wenn man noch nie Kontakt mit dem Virus hatte? Dann kann die Impfung als Ergänzung zur Mückenprävention in Anspruch genommen werden, etwa von Menschen, die oft in Risikoregionen reisen, chronisch Kranken oder Älteren, aber auch Kindern oder Personen mit Blutgerinnungsstörungen. 

Was umfasst eine gute Mückenprävention?

Wer in die Tropen reist, muss wissen, dass es dort eine Reihe von Krankheiten gibt, die durch Mücken übertragen werden. Deswegen ist es wichtig, lange, helle Kleidung zu tragen und unbedeckte Haut regelmäßig mit Insektenrepellents zu besprühen.

Wie sich das Dengue-Virus den Weg nach Europa bahnt

Seit Dezember 2022 in der EU zugelassen: der Impfstoff Qdenga.

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Gibt es ein wirksames Dengue-Medikament, oder kann nur symptomatisch mit fieber- und schmerzstillenden Medikamenten behandelt werden?

Es gibt kein Medikament, mit dem das Dengue-Virus gezielt abgetötet werden kann, und es zeichnet sich in der Forschung auch keines am Horizont ab. In klinischer Erprobung sind aber Medikamente, die vorbeugend gegen eine Ansteckung wirken sollen. 

Wohin geht die Dengue-Forschung?

Stärker in Richtung Bekämpfung der Überträger. Ein Ansatz ist, die Mücken zu sterilisieren. Bei einem anderen werden Parasiten verabreicht, die die Virusvermehrung in den Insekten hemmen.

Kürzlich ist die weltweit erste Impfkampagne gegen Malaria, eine weitere Tropenkrankheit, in Kamerun gestartet. Wie bewerten Sie das?

In der Reisemedizin spielt dieser Impfstoff keine Rolle, er wird in Europa auch gar nicht angeboten. Er ist aber zweifelsfrei ein Meilenstein für Menschen in Malariagebieten, und dort vor allem für Kinder, die durch Malariainfektionen besonders gefährdet sind und am häufigsten daran sterben. Der Impfstoff ist zwar nicht perfekt, aber mit seiner breiten Verimpfung wird man sich Abertausende Todesfälle bei Babys und Kinder ersparen können. 

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