Drei Wochen vor dem Aufsuchen der Ambulanz litt der Bub an Halsschmerzen ohne Fieber, die am nächsten Tag spontan abklangen. Einen Tag später reiste er für einen einwöchigen Urlaub in die Türkei. Nach seiner Rückkehr bemerkte er zwei kleine runde Hautläsionen an seinem linken Unterkiefer und seiner Wange. (Sie können den Fall hier auf Englisch nachlesen.)
Der Bub ist gegen Feuchtblattern (Windpocken, Varizellen) - laut dem niederländischen Impfprogramm empfohlen - geimpft, zudem hatte er im Alter von 5 Jahren Windpocken. Der Hausarzt begann mit einer antimykotischen Creme, da er eine Pilzinfektion vermutete. In den folgenden Tagen traten weitere Läsionen im Gesicht des Kindes auf.
Der Hausarzt wurde erneut konsultiert und es wurde eine antibiotische Creme bei Verdacht auf Impetigo vulgaris, Borkenflechte, aufgetragen. Als rund 20 einzelne Läsionen an anderen Körperteilen auftraten, wurde das Kind mit dem klinischen Verdacht auf Affenpocken in das Krankenhaus überwiesen.
Bei der körperlichen Untersuchung beobachteten die Ärzte ein aufgewecktes Kind in insgesamt gutem Gesundheitszustand mit stabilen Vitalparametern und ohne Fieber, wie es in der Fallstudie heißt. Es gab keine vergrößerten Lymphknoten am Hals, in den Achselhöhlen oder in der Leistengegend. Leber und Milz schienen beim Abtasten des Abdomens (Bauch) nicht vergrößert zu sein.
Die scharf abgegrenzten, rot-braunen Bläschen befanden sich auf einem Ohr, dem Unterkiefer, beiden Unterarmen, beiden Oberschenkeln und auf dem Rücken. Es wurden keine Läsionen in der Mundhöhle oder im Genitalbereich festgestellt.
Sexuelle Übertragung konnte ausgeschlossen werden
Da der Hauptübertragungsweg bei dem Großteil der Fälle mit sexuellen Aktivitäten zusammenhängt, schlossen die behandelnden Ärzte die Möglichkeit eines sexuellen Missbrauchs durch eine sorgfältige Anamnese aus, außerdem wurde das Kind auf Syphilis, Gonorrhoe, Chlamydien, HIV-Infektion und Hepatitis B und C geteste - alles negativ. Ein PCR-Test auf Varizella-Zoster-Viren in der Bläschenflüssigkeit war ebenfalls negativ.
Die Proben für den Affenpocken-Nachweis wurden aus Blut, Rachen, Analbereich, Hautbläschen und Urin entnommen. Alle gewonnenen Proben mit Ausnahme des Urins wurden positiv getestet.
Laut Sequenzierung des gesamten Genoms der Blasenflüssigkeit handelt es sich um jene B.1-Linie (Klade 3) der Affenpocken, die für den aktuellen Ausbruch in Europa verantwortlich ist. Das Fehlen von gemeinsamen genomischen Übertragungsmarkern erschwerte die Rekonstruktion einer spezifischen Übertragungskette. Die Familienmitglieder - die Eltern und zwei Geschwister - wurden negativ getestet.
Eigene Handtücher auf Liegen im Familienurlaub
Unmittelbar nach der Bestätigung der Diagnose wurde eine Quellen- und Kontaktverfolgung eingeleitet. Beim Public Health Service (PHS) Amsterdam wurde ein Ausbruchsteam mit Klinikern und einem medizinischen Mikrobiologen zusammengestellt. Das Team führte die Risikobewertung, die Risikoklassifizierung und die Kontrollmaßnahmen (einschließlich der Isolierung) für den Patienten und seine Kontaktpersonen durch und koordinierte die Risikokommunikation zusammen mit Experten des niederländischen Zentrums für übertragbare Krankheiten.
Es konnte keine potenzielle Quelle ermittelt werden. Das Kind hatte keinen Kontakt zu Personen mit einer nachgewiesenen oder möglichen Affenpocken-Infektion. Während des Familien-Urlaubs in der Türkei hatte die Familie die Liegen am Pool stets mit ihren eigenen Handtüchern abgedeckt, zudem gab es keinen engen Kontakt mit anderen Gästen.
Hochrisikokontakte wie die Eltern, ein Freund und ein Geschwisterkind erhielten umgehend den Pockenimpfstoff Imvanex. Die Schule und der Sportverein, die der Patient während der Ansteckungszeit besuchte, wurden informiert. Die Kontaktpersonen in der Schule und im Sportverein wurden als risikofrei oder risikoarm eingestuft und aufgefordert, sich bei den örtlichen Behörden zu melden, um sich testen zu lassen, falls Symptome auftreten sollten. Es erkrankte niemand.
Wie hat sich das Kind angesteckt?
Wie sich das Kind angesteckt haben könnte, blieb trotz intensiver Nachforschungen offen. Laut Fallbeschreibung ist es durchaus möglich, dass das Kind in engem Kontakt mit einer infektiösen Person oder einem kontaminierten Gegenstand stand, der nicht als solcher erkannt wurde. Während die beschriebene Inkubationszeit zwischen fünf und 21 Tagen variieren kann, wurde die mittlere Inkubationszeit bei bestätigten Patienten in den Niederlanden auf 8,5 Tage geschätzt. Dies würde auf eine Infektion Anfang Juni 2022 hindeuten.
Dies könnte jedoch ungenau sein, da der Übertragungsweg in diesem Fall ein anderer war, was wiederum die Inkubationszeit verlängert haben könnte. Zufälligerweise wurde bei dem Patienten auch ein Mangel an IgA-Antikörpern diagnostiziert. In Anbetracht der Tatsache, dass IgA das Virus auf der Schleimhautebene neutralisiert, deutet dies darauf hin, dass die Übertragung über die Atemwege eine Rolle gespielt haben könnte.
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