Chirurg Gerhard Prager, Adipositas-Experte an der MedUni Wien gibt zu bedenken, dass es sich um „keine anerkannte Methode“ handelt. „Man muss es als experimentelle Methode einschätzen.“ Und er schränkt ein: „Man darf sich, wenn überhaupt, nur einen moderaten Erfolg erwarten.“
Für den Wiener Chirurgen Friedrich Weiser stellt die Behandlung hingegen ein fehlendes Glied zwischen strengen Diäten und Operationen wie Magenverkleinerungen oder Magenbypass dar. Es wird an rund 20 genau definierten Stellen des Magens im Rahmen einer Gastroskopie per Endoskop eine spezielle Form von Botulinumtoxin A (Botox) injiziert. Es unterscheidet sich von jenem, das für punktuelle Anwendungen, etwa im Gesicht, verwendet wird.
Und im Magen soll es auch andere Effekte bewirken: „An den richtigen Stellen eingespritzt, vermittelt es nicht nur ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl“, erklärt Weiser. Zu den Injektionsstellen gehört nämlich auch jene Region, in der das Hungerhormon Ghrelin gebildet wird. „Seine Produktion wird gehemmt. Das verkleinert den Appetit und beugt Heißhungerattacken vor.“ (Details siehe Grafik am Ende des Artikels)
Initialzündung fürs Abnehmen
Das klingt zwar wunderbar, ist aber nur ein erster Schritt zu weniger Gewicht. „Die Spritze ist nicht die Therapie. Sondern erst der Beginn der Therapie“, betont Weiser nachdrücklich. „Magenbotox ist keine einfache Lösung.“ Um 1.500 Euro zudem kostenintensiv. Und mit Aufwand für die Betroffenen verbunden. Sie müssen sich auf eine mindestens ein halbes Jahr dauernde Lebensstilveränderung einstellen, allem voran die Ernährung optimieren. Denn die Botox-Injektion, die der Körper innerhalb von sechs Monaten wieder abbaut, soll so etwas wie eine Initialzündung sein.
„Es ist sozusagen eine Übergangslösung, damit der Körper für eine Ernährungsumstellung Zeit gewinnt. Aber eine intensive Nachbetreuung inklusive Sportprogramm ist eine wichtige Voraussetzung.“ Weisers Erfahrungen: Dann würden seine Patienten im Schnitt bis zu 20 Kilogramm in sechs Monaten verlieren. Für den Adipositas-Experten Gerhard Prager zeigen allerdings bisherige Studien keine positiven Ergebnisse in puncto Nachhaltigkeit der Methode.
Genaue Auswahl
Darüber hinaus passt das Konzept nur für eine besondere Gruppe. Weiser betont die genaue Auswahl. „Von 300 Interessierten in einem Jahr haben wir nur 40 mit Botox behandelt.“ In Frage kommen nur Personen mit einem Bodymaßindex (BMI) zwischen 27 und 35. „Es geht um Patienten, bei denen die Gefahr besteht, dass sie wirklich schwer adipös werden“, sagt Weiser. Prager: Erst ab einem BMI von 35 kommt eine Operation in Frage (siehe Grafik).
Für diese Gruppe sieht Gerhard Prager bessere Möglichkeiten. „Mittlerweile wurden moderne Medikamente (z. B. Saxenda) zugelassen, die dasselbe bewirken wie eine Botoxspritze: Weniger Hunger und sie erzielen eine frühere Sättigung.“ Es handelt sich ebenfalls um eine Spritze (täglich injiziert, ca. 200 €/Monat). Genutzt wird ein GLP-1-Analogon. Dieses ist dem körpereigenen Hormon nachempfunden und bewirkt eine langsamere Magenentleerung und dadurch ein früheres Sättigungsgefühl.
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