Wie Chirurgen die Intensivmedizin verstärken könnten
"Wir könnten heute deutlich mehr qualifiziertes ärztliches Personal auf Intensivstationen haben", sagt Günther Laufer, Chef der Herzchirurgie am Wiener AKH. "Viele Chirurgen haben früher eine freiwillige Zusatzausbildung, das Additivfach Intensivmedizin, gemacht – speziell für ihre chirurgischen Patienten. Doch seit einer Änderung der Ärzteausbildung 2016 ist Intensivmedizin den Anästhesiologen und Internisten vorbehalten. Chirurgen oder auch Neurologen z. B. dürfen sich nicht mehr in Intensivmedizin spezialisieren." Dadurch gehen aber Ärzte mit intensivmedizinischer Zusatzausbildung verloren: "In vielen anderen Ländern, etwa Deutschland, besteht diese Ausbildungsform – und sie ist dort auch Voraussetzung, um sich für die Leitung einer chirurgischen Klinik bewerben zu können."
"30 Betten für chirurgische Intensivmedizin gibt es an der Chirurgie der Charité in Berlin, 20 weitere sind während der Pandemie geplant worden", berichtet Klaus Emmanuel, Leiter der Uni-Klinik für Chirurgie in Salzburg und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie. "Dort werden chirurgische Patienten interdisziplinär versorgt: Von Intensivmedizinern aus dem Fach der Anästhesiologie und von Chirurgen mit einer Spezialisierung in Intensivmedizin. Das funktioniert wunderbar, die Patienten profitieren davon." Und gerade Pandemiezeiten wie derzeit erhöhen den Bedarf an Intensivmedizinerinnen und Intensivmedizinern.
Emmanuel selbst (er stammt aus Deutschland, Anm.) hat diese Zusatzausbildung: "Natürlich bin ich kein Intensivmediziner wie ein Anästhesist – aber im Rahmen einer gemeinsamen Betreuung kann ich meine chirurgische Sichtweise einbringen." In Österreich wurden 2015 die alten Additivfächer durch Spezialisierungen ersetzt – eine Spezialisierung in chirurgischer Intensivmedizin wurde aber nicht mehr eingeführt.
"Gerade jetzt, wo die Regierung die Intensivmedizin stärken und ausbauen will, wäre das aber ein wichtiger Schritt für den ärztlichen Bereich", sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger: "Auch nach der dritten Coronawelle wird das Personalproblem nicht vom Tisch sein." Offenbar werde diese Initiative aber aus standespolitischen Gründen von der Ärztekammer blockiert. Auch ÖVP-Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz forderte bereits die Wiedereinführung dieses Zusatzfaches für Chirurgen.
Bisher keine Mehrheit
Das Gesundheitsministerium verweist darauf, dass die Möglichkeit zur Weiterbildung in Intensivmedizin vom Bildungsausschuss der Österreichischen Ärztekammer abgelehnt wurde. Eiko Meister, Vorsitzender des Ausschusses, bestätigt, dass bisher keine Mehrheit im Ausschuss zustande gekommen ist: "Im Österreichischen Strukturplan Gesundheit ist vorgesehen, dass Intensivmedizin nur von Anästhesisten und Internisten ausgeübt wird. Das Ministerium hat immer darauf gepocht, dass dies auch in der Ärzteausbildung so umzusetzen ist." Aber er persönlich sei auch davon überzeugt, "dass die Intensivmedizin wieder auf breitere Beine gestellt werden sollte".
Dafür brauche es aber auch die Zustimmung der Bundesländer und der Krankenhausträger – "und diese sperren sich derzeit, weil sie neue Strukturen und neue Kosten fürchten". Chirurg Emmanuel weist das zurück: "Es geht nicht um Geld und Macht, wir wollen nichts neu aufbauen und auch niemandem etwas wegnehmen. Aber wie will man rechtfertigen, dass man Ärzten verbietet, sich weiterzubilden?"
Das letzte Wort ist jedenfalls nicht gesprochen: "Zum Status der Intensivmedizin laufen aktuell Verhandlungen mit dem Ministerium", heißt es bei der Ärztekammer.
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