Wenn das Herz schon in jungen Jahren krank wird
Vor zehn Monaten mussten dem Nordischen Kombinierer Bernhard Gruber erstmals Stents wegen verengter Herzkranzgefäße eingesetzt werden. Samstag traten dann nach seinem Comeback-Versuch neuerlich Schmerzen im Brustbereich auf, erneut wurde ein Teilverschluss eines Herzkranzgefäßes festgestellt.
Gruber ist von „Familiärer Hypercholesterinämie“ (FH) betroffen: Einer erblich bedingten Fettstoffwechselstörung. „Sie tritt bei rund einer von 250 Personen auf“, sagt Kardiologe Peter Siostrzonek, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kardiologie. Bereits im Kindesalter sind die Cholesterinwerte chronisch erhöht. Das Risiko, bei engen Verwandten wie Eltern, Geschwistern oder Kindern eines FH-Patienten, die Krankheit ebenfalls zu haben, liegt bei 50 Prozent.
„Das sind schlanke, sehr sportliche Menschen, mit gesundem Lebenswandel, die oft nicht rauchen, viel Sport betreiben, denen man das nicht ansieht“, sagt der Herzchirurg Oberarzt Peter Poslussny von der Klinik Floridsdorf in Wien. „Viele wissen nichts von ihrer Erkrankung, oft wird die Diagnose erst nach dem ersten Infarkt oder Schlaganfall gestellt.“
„Die skandinavischen Länder, die Niederlande oder auch England haben Screeningprogramme, durch die vermutlich mehr als die Hälfte aller Fälle frühzeitig erkannt wird“, erklärt Siostrzonek. „In Österreich sind es deutlich weniger, die von ihrer Erkrankung wissen – ich schätze maximal an die 20 Prozent.“
Frühe Erstuntersuchung
Generell sollte im Jugendalter eine erste Blutuntersuchung durchgeführt werden. In Familien, in denen jemand im jungen Alter bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatte, ohne ersichtliche Risikofaktoren wie Rauchen oder starkes Übergewicht, sollten alle engeren Familienmitglieder eine Untersuchung durchführen, Kinder bereits im Volksschulalter“, betont der Kardiologe.
Dass bei Gruber unmittelbar nach einem Wettkampf eine neuerliche Verengung diagnostiziert wurde, spricht jetzt nicht gegen Bewegung von Herzpatienten: „Derartigen Leistungssport kann man nicht mit Ausdauertraining im individuellen, optimalen Trainingspulsbereich vergleichen“, betont Poslussny. „Gerade bei Spitzensportlern sind das immer Einzelfallentscheidungen, bei denen viele Faktoren eine Rolle spielen und auch eine engmaschige Überwachung gewährleistet ist.“
Er selbst habe einen erblich vorbelasteten Patienten gehabt, der unmittelbar nach dem Joggen Brustschmerzen bekommen hatte: „Erst durch die Belastung ist die Verengung aufgefallen – nur bei normaler Alltagsbelastung wäre das erst viel später der Fall gewesen.“ Siostrzonek warnt vor Extrembelastungen bei Patienten mit Stents oder Bypässen: „Ich weiß, dass die Patienten oft sehr ehrgeizig sind und kann zu dem konkreten Fall nichts sagen. Generell rate ich meinen Patienten mit einer Herzgefäßerkrankung aber davon ab, an ihre Leistungsgrenzen zu gehen.“
„Nach einem zweiten derartigen Ereignis wird man auf keinen Fall mehr zu Spitzensport auf Wettkampfniveau raten können, aber gegen Langlaufen, Laufen oder Radfahren in moderater Intensität spricht nichts – im Gegenteil“, unterstreicht auch Herzchirurg Poslussny: Wichtig ist jedenfalls eine kontinuierliche Therapie mit hochwirksamen Cholesterinsenkern und blutverdünnenden Medikamenten – Nachsatz: „Ganz entscheidend ist und bleibt aber die Früherkennung.“Nähere Infos bei der Patientenorganisation www.fhchol.at
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