Verengte Gefäße: Der unterschätzte Risikofaktor
31 Jahre jung war der Triathlet. Idealgewichtig. Nichtraucher. Kein Bluthochdruck, kein erhöhtes Cholesterin. „Trotzdem hatte er aus heiterem Himmel einen Herzinfarkt“, sagt Univ.-Prof. Helmut Sinzinger, ärztlicher Leiter des Institutes Athos zur Diagnose und Therapie von Atherosklerose und Stoffwechselstörungen in Wien. 32 Jahre jung war ein Mann, der im Fitness-Studio nach dem Verschluss eines Herzkranzgefäßes zusammenbrach.
Bei beiden Fällen ergab der Blutbefund: Das „böse“ LDL-Cholesterin war niedrig. Aber das weithin unbekannte „ Lipoprotein(a)“ (ein Transport-Eiweiß für Fett, re.) war extrem erhöht. „Bei ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung in Mitteleuropa ist dieser Blutfettwert zu hoch – aber viele wissen es nicht“, erklärt Sinzinger. Ein hoher Lp(a)-Wert erhöht das Risiko für Atherosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall massiv. Und das häufig schon im dritten Lebensjahrzehnt.
Einmal bestimmen
„Bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall vor dem 55. Lebensjahr sollte bei allen Blutsverwandten neben dem LDL-Cholesterin vor allem das Lp(a) bestimmt werden.“ Die Höhe dieses Wertes wird vererbt und ändert sich im Laufe des Lebens nicht. „Deshalb genügt es, ihn einmal zu bestimmen, was bei jedem Erwachsenen grundsätzlich gemacht werden sollte – und nicht erst nach einer Gefäßerkrankung. Das wird von den Kassen bezahlt.“ In der Gesundenuntersuchung wird das Lp(a) im Gegensatz zum Cholesterin nicht bestimmt, kritisiert Sinzinger: „Eigentlich sollte man die Untersuchung schon im Mutter-Kind-Pass verankern – ebenso wie das LDL-Cholesterin.“
LDL-Cholesterin und Lipoprotein(a) sind die zwei großen Risikofaktoren aus dem Bereich der Blutfette. Während man das LDL durch Lebensstil und Medikamente beeinflussen kann, ist das Lp(a) praktisch nicht beeinflussbar.“ Statine, die das LDL-Cholesterin senken, sind bei Lp(a) wirkungslos, auch neue Medikamente zur Cholesterinsenkung (PCSK9-Hemmer) wirken bei extrem erhöhten Lp(a)-Werten nicht ausreichend, sagt Sinzinger.
Was man tun sollte
Ist das Lp(a) erhöht, wird untersucht, ob es im Körper bereits Anzeichen für Atherosklerose gibt – etwa mit einem Ultraschall der Halsschlagader (Carotis). „Auch ohne Nachweis von Ablagerungen sollte der Betroffene alle anderen Risikofaktoren für Atherosklerose so gut es geht ausschließen – also nicht rauchen, sich mehr bewegen, Blutdruck senken, wenig tierische Fette essen und vor allem das LDL-Cholesterin senken, auch durch ein Statin.“
Gibt es bereits Verengungen oder kam es bereits zu einem Infarkt oder Schlaganfall, reichen diese Maßnahmen nicht: Dann bleibt als zusätzliche Maßnahme die Apherese („Blutfettwäsche“): Dabei wird das Lp(a) außerhalb des Körpers aus dem Blut herausgefiltert, ähnlich wie bei einer Dialyse. Andere Blutbestandteile gehen nicht verloren. Die krankmachenden Substanzen werden gebunden, abgeschieden und das gereinigte Blut wird dem Körper wieder zugeführt.
Massive Risiko-Reduktion
„Das Risiko eines Herzinfarktes oder Schlaganfall kann damit um mehr als 90 Prozent reduziert werden.“ Die zirka zweistündige Apherese muss wöchentlich wiederholt werden, da die Leber das Lp(a) neu bildet. Früher hat man die Apherese auch bei Patienten mit einer vererbten Form stark erhöher LDL-Cholesterin-Werte (familiäre Hypercholesterinämie) angewandt, wenn Statine alleine nicht ausreichten. „Mittlerweile werden die meisten dieser Patienten mit neuen Medikamenten (den PCSK9-Hemmern) erfolgreich behandelt.“
Sinzinger bedauert, dass vielfach in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Gefahren eines erhöhten Lp(a)-Wertes fehle: „Wer aber die Folgen gesehen hat – die leider oft auch tödlich sind – der denkt anders.“
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