Wegen Pandemie: Drastischer Geburtenrückgang in den USA erwartet
Zu Beginn der Pandemie wurde noch über einen möglichen Baby-Boom dank der Corona-bedingten Quarantäne spekuliert. Nun stellt sich heraus: Statt bedeutend mehr wird es kommendes Jahr wohl eher viel weniger Geburten geben. Zumindest in den USA.
Dort haben Experten der Denkfabrik Brookings Institution sowie der Wohltätigkeitsorganisation March of Dimes (setzt sich für die Gesundheitssituation von Neugeborenen ein) berechnet, dass allein in den USA nächstes Jahr rund eine halbe Million weniger Babys das Licht der Welt erblicken könnten.
Pro Jahr werden in den USA knapp fünf Millionen Kinder geboren.
Baby-Schwund statt Baby-Boom
Für ihre Prognose werteten die Forschenden der Brookings Institution Daten aus früheren Studien zur Fruchtbarkeit in den Vereinigten Staaten während der Weltfinanzkrise zwischen 2007 und 2009 sowie der Influenzapandemie von 1918, besser bekannt als Spanische Grippe, aus. In die daraus abgeleitete Hochrechnung gingen auch aktuelle Daten zur Arbeitslosigkeit in den USA mit ein. Daraus errechnete man einen möglichen Geburtenrückgang von etwa 300.000 bis 500.000.
Bei March of Dimes sei man zu ähnlichen Ergebnissen gekommen, sagt Rahul Gupta, Präventivmediziner bei der Non-Profit-Organisation, gegenüber CNN. "Als wir anfingen zu rechnen, haben wir uns die Pandemie von 1918 angesehen, genau wie die Brookings Institution, und festgestellt, dass die Fruchtbarkeit etwa neun bis zehn Monate nach der höchsten Sterblichkeitsrate um etwa zehn Prozent gesunken ist", so Gupta.
Auswirkungen auf die nächste Generation
Dass den USA dieses Schicksal wegen SARS-CoV-2 erneut drohen könnte, sieht er als Problem: "Ein Rückgang von zehn, 15 oder 20 Prozent in den nächsten Jahren könnte wirklich zu Schwierigkeiten führen", fügt er hinzu. "Die wirtschaftlichen und demografischen Auswirkungen, die sich aus einem starken Rückgang der Schwangerschaften ergeben, könnten enorme Auswirkungen auf die nächste Generation haben, weshalb dies ein sehr ernstes Problem ist."
Laut der Brookings Institution deuten Daten aus der Weltfinanzkrise darauf hin, dass die Geburtenrate in den USA von etwa 69 Geburten pro 1.000 Frauen im Alter von 15 bis 44 Jahren im Jahr 2007 auf 63 Geburten pro 1.000 Frauen im Jahr 2012 sank – ein Rückgang von etwa 9 Prozent, beziehungsweise rund 400.000 weniger Geburten.
Das Brookings-Team stellte außerdem fest, dass im Jahr 1918 jeder Anstieg der Todesfälle aufgrund der Grippepandemie dazu führte, dass die ansonsten konstante Geburtenrate um etwa 21 Geburten pro 1.000 Frauen sank – was wiederum einem Rückgang von 12,5 Prozent entspricht.
Unsicherheit und Angst
Die Experten stellten auch fest, dass die mit der Corona-Pandemie verbundene Unsicherheit und Angst, der Verlust von Arbeitsplätzen und nicht zuletzt auch das verordnete Social Distancing eine Rolle spielen könnten.
Ähnlich argumentiert Präventivmediziner Gupta: So sei etwa nicht nur die Nachfrage nach Verhütungsmitteln gestiegen. "Für die meisten meiner Patientinnen waren die vergangenen Wochen sehr, sehr kräfteraubend und viele hatten Angst, schwanger zu werden."
Die neuen Erkenntnisse sind in ihrer Aussagekraft dennoch begrenzt. Die Ergebnisse basieren auf Vergleichen mit zwei früheren Ereignissen, spiegeln also womöglich nicht die Folgen der aktuellen Virus-Pandemie wider.
Und: "Einige dieser Schätzungen hängen auch davon ab, wie es jetzt weitergeht", sagt Gupta.
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