Warum Corona-Infektionen auch bei Kindern eine Rolle spielen
„Ob Kinder Corona bekommen oder nicht, ist nicht egal“, plädiert Karl Zwiauer, der bis vor Kurzem die Kinder- und Jugendabteilung im Uni-Klinikum St. Pölten geleitet hat. „Auch bei Kindern gibt es – zwar seltener – schwere Verläufe oder Langzeitfolgen.“
Von Februar 2020 bis Jänner 2021 mussten laut Daten der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) 360 Kinder in Spitälern mit akuter Coronavirusinfektion behandelt werden, fünf davon auf einer Intensivstation. Zusätzlich waren 50 Kinder wegen überschießender Immunreaktion nach einer Coronavirusinfektion in stationärer Behandlung, davon mussten 20 auf einer Intensivstation behandelt werden. Insgesamt galten bis zu diesem Zeitpunkt 25.000 Kinder als infiziert. Todesfälle bei Kindern unter 14 Jahren gab es bisher keine. „Welche Gefahr von Kindern bei der Verbreitung ausgeht, ist umstritten“, betont Kinderinfektiologe Volker Strenger von der (ÖGKJ). Er leitet eine Studie (siehe unten) für mehr Erkenntnisse.
Was weiß man sicher?
Kinder erkranken seltener symptomatisch und in der Regel milder. Neben typischen Symptomen wie Fieber, Husten, Kurzatmigkeit haben sie häufig unspezifische Symptome wie Bauchschmerzen und Durchfall. Störungen von Geruchs- und Geschmackssinn wurden bisher kaum beschrieben. Im Gegensatz zu Erwachsenen entwickeln Kinder und Jugendliche in äußerst seltenen Fällen eine überschießende Immunreaktion nach einer (in manchen Fällen unerkannten) SARS-CoV-2 Infektion („Hyperinflammationssyndrom“, PIMS-TS). „Sie tritt - wenn man unerkannte Infektionen berücksichtigt - ca. bei jedem 1.000. Kind nach einer Infektion auf, erklärt Strenger.“
Sind Kinder so infektiös wie Erwachsene?
Strenger: „Mittlerweile zeigen mehr Studien, dass bei Kindern weniger Virenmaterial im Rachenraum enthalten ist.“ Eine große Untersuchung aus den Niederlanden habe gezeigt, dass Erwachsene im Schnitt eine mehr als zehnfach höhere Virenlast im Rachen aufweisen. „Menschen ohne Symptome und mit weniger Viruslast sind auch weniger ansteckend.“ Der Anteil der asymptomatisch infizierten Kinder (Dunkelziffer) ist je nach Studie niedriger oder gleich. „Jedenfalls nicht höher als bei Erwachsenen.“
Wieso gibt es noch keine Impfstoffe für Kinder?
„Das Immunsystem von Kindern ist doch bedeutend anders“, sagt Zwiauer. „Sie reagieren besser – im positiven Sinn. Ihr Immunsystem ist aktiver und hat noch weniger Vorerfahrung als das älterer Personen. Es kann sein, dass Kinder heftiger reagieren, wenn man sie mit der gleichen Dosis wie Ältere impft.“ Auch ist die Risiko-Nutzen-Abwägung anders. „Da das Sterberisiko und das für schwere Verläufe viel niedriger ist, müssen wir eine noch schärfere Risiko-Nutzen-Abwägung bei der Impfung von Kindern treffen“, betont Zwiauer, Mitglied im Impfgremium.
Wieso ist es wichtig, Kinder zu impfen?
In Österreich gibt es etwa 1,7 Millionen unter 18-Jährige. „Wenn wir eine Herdenimmunität und damit einen Gesamtschutz für die Bevölkerung erreichen wollen, können wir diese große Gruppe nicht einfach außer Acht lassen“, betont Zwiauer. Und: Es gibt auch Kinder mit erhöhtem Risiko.
Außerdem kann sich das Krankheitsgeschehen verlagern, sobald mehr ältere Personen geimpft sind. Strenger und auch Zwiauer gehen davon aus, dass mehr Junge erkranken könnten. „Darauf deuten zumindest Daten aus Israel hin. Obwohl dort schon ein so großer Teil der Bevölkerung geimpft ist, sind die Intensivstationen immer noch relativ voll. Weil jüngere Gruppen verstärkt betroffen sind“, sagt Zwiauer.
Der Anlass
Bisherige Studien untersuchten Kinder, die in Spitälern behandelt wurden. Die Einbindung von Kindern mit milden Symptomen, die zu Hause waren, soll mehr Wissen über Covid bei Kindern bringen.
Die Teilnehmer
5.000 Kinder, die eine Infektion hinter sich haben, und ihre Familien wurden repräsentativ von der AGES ausgewählt. In einem Fragebogen wird ermittelt, welche Symptome wie lange auftraten; dazu psychische Folgen von Lockdowns und Schulschließungen.
Welche Rolle spielen Schulen?
„Natürlich kommt es auch in Schulen zur Virenübertragung – wie überall, wo Menschen zusammenkommen“, sagt Strenger. Eine Auswertung der nun eingesetzten Selbsttests ergab: Häufungen (Cluster) wurden nur in 0,5 Prozent der Schulen berichtet. Diese beinhalten zehn Prozent der positiv getesteten Schüler. „Bei den restlichen 90 Prozent der positiven Schüler waren es offensichtlich Einzelfälle.“
Sind die Zahlen durch mangelhafte Testgenauigkeit so niedrig?
Mit den Selbsttests („Nasenbohrtests“) finde man zwar nicht jeden Infizierten, „aber jeder ist wichtig, um weitere Ansteckungen zu vermeiden“. Bei positivem Ergebnis können durch Contact Tracing auch noch unbekannte Infektionen in Familie und Umfeld entdeckt werden.
Warum gibt es in der Schule keine PCR-Gurgeltests?
Jede Methode habe Vor- und Nachteile, gibt Strenger zu bedenken. „Gurgeltests sind zwar genauer, aber aufwendiger. Es ist eine Logistikfrage, das Ergebnis kommt erst frühestens nach einem Tag. Mit Antigen-Tests können alle Schüler ein bis zwei Mal pro Woche getestet werden, das Ergebnis liegt innerhalb von 15 Minuten vor.“
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