Varianten BA.4 und BA.5 in Österreich angekommen: Was man bisher weiß
Erstmals in Südafrika beschrieben, breiten sich die Varianten BA.4 und BA.5 mittlerweile weltweit aus. In mehr als 20 Ländern wurden sie bereits nachgewiesen, 50 Prozent der Nachweise erfolgten außerhalb Afrikas. Vor allem in Portugal werden Anstiege verzeichnet: Bereits 37 Prozent der Covid-Infektionen gehen laut dem portugiesischen National Institute of Health auf BA.5 zurück. Berechnungen des Instituts zeigen, dass die Variante noch diese Woche dominant wird, wenn sie sich weiterhin so ausbreitet wie bisher.
Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC stufte BA.4 und BA.5 kürzlich als "besorgniserregend" ein und folgte damit der Einstufung der Weltgesundheitsbehörde WHO. Auch hierzulande wurden beide Varianten bereits nachgewiesen. Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Seit wann zirkulieren BA.4 und BA.5?
Erstmals entdeckt wurden die beiden Omikron-Subvarianten im Februar in Südafrika. Der renommierte Virologe Tulio de Oliveira – er leitet das Centre for Epidemic Response and Innovation (CERI) der Universität Stellenbosch in Südafrika – beschrieb BA.4 und BA.5 wie auch schon Omikron als erster. In Südafrika sind die beiden Varianten derzeit für eine fünfte Infektionswelle verantwortlich, die laut de Oliveira ihren bisherigen Höhepunkt mit geringen Krankenhauseinweisungen und Todesfällen erreicht hat.
Warum breiten sich die Varianten vor allem in Südafrika und Portugal aus?
"Sowohl Südafrika als auch Portugal hatten eine große Omikron BA.1-Welle, die vor etwa drei Monaten endete. Auf die BA.1-Welle folgte BA.2, verursachte jedoch keinen großen Anstieg der Infektionen", schreibt de Oliveira auf Twitter. Bekannt ist, dass nach einer durchgemachten Infektion oder nach frischer Impfung für acht bis zwölf Wochen ein sehr guter Schutz vor symptomatischer Infektion besteht – auch vor anderen Varianten. In Portugal und Südafrika könnte dieser Schutz durch die BA.1-Welle vor einer BA.2-Welle bewahrt haben. Nun – drei Monate später – treffen BA.4 und BA.5 allerdings auf niedrigere Antikörperspiegel in der Bevölkerung. Je größer der Abstand zu einer vorherigen Welle ist, desto mehr infizieren sich bei einer neuen Variante, da ihr Schutz durch Impfung oder Infektion nachlässt.
Wie sind die beiden Varianten charakterisiert?
Laut ECDC können sich BA.4 und BA.5 dem Immunschutz durch vorhergehende Infektion und Impfung besser entziehen als bisherige Varianten – insbesondere, wenn dieser im Lauf der Zeit nachgelassen hat. Beide Linien weisen signifikante Veränderungen der antigenen Eigenschaften auf, das heißt, sie werden vom Immunsystem schlechter erkannt, insbesondere im Vergleich zu BA.1.
Wo könnte BA.4 und BA.5 als nächstes dominant werden?
Portugals Behörden rechnen damit, dass BA.5 bereits am 22. Mai dominant wird. Die Zahl der Covid-19-Fälle wächst um 13 Prozent pro Tag rascher als bei BA.2. Virologe Tulio de Oliveira schreibt auf Twitter, dass Spanien und Israel ebenfalls eine große BA.1-Welle, aber keine BA.2-Welle hatten und daher als nächstes im Auge behalten werden sollten. "Interessant ist, dass bisher in Ländern mit einer großen BA.2-Welle BA.4 und BA.5 langsam ansteigen", so de Oliveira. Das trifft auch auf Österreich zu, wo derzeit die BA.2-Welle abebbt. Die ECDC geht davon aus, dass die Zahl der Infektionen in Europa in den kommenden Wochen und Monaten mit den Varianten BA.4 und BA.5 erheblich ansteigen könnte.
Die britische Corona-Expertin Christina Pagel warnt indes davor, dass das Infektionsgeschehen in vielen Ländern derzeit nicht gut erfasst wird, da kaum getestet wird. „Das ist das erste Mal, dass eine neue Variante übernimmt, und wir uns so im Blindflug befinden“, schreibt sie auf Twitter.
Ist man vor BA.4 und BA.5 besser geschützt, wenn man mit BA.2 infiziert war?
Es gibt Hinweise darauf, dass dies so ist. Die beiden Varianten sind BA.2 ähnlicher als BA.1. Da in Österreich viele Menschen mit BA.2 infiziert waren, gehen Experten wie die Virologen Monika Redlberger-Fritz und Andreas Bergthaler davon aus, dass wir noch etwas Verschnaufpause haben. Eine Rolle spielt auch, dass die BA.2-Welle hierzulande erst abebbt und der Sommer beginnt, während in Südafrika die vierte Welle drei Monate her ist und der Winter bevorsteht.
Wie viele Fälle wurden bisher in Österreich nachgewiesen?
Laut AGES wurden bisher in Österreich 75 Fälle von BA.4 nachgewiesen (Stand: bis 8. Mai 2022). BA.5 wurde nur vereinzelt gemeldet – 14 Fälle gab es etwa in Wien. Auch im Abwasser der Kläranlagen wurden die Varianten nachgewiesen. Derzeit sind sie allerdings noch gering verbreitet.
Wie ist der Krankheitsverlauf bei BA.4 und BA.5?
Bisher zeigt sich kein Unterschied hinsichtlich des Schwergrades für BA.4 und BA.5 im Vergleich zu früheren Omikron-Linien. „Wenn die Covid-19-Fallzahlen jedoch wie in früheren Wellen erheblich zunehmen, wird es wahrscheinlich zu einem gewissen Maß an erhöhten Krankenhaus- und Intensiveinweisungen kommen“, heißt es im aktuellen ECDC-Bericht.
Braucht es die vierte Impfung wegen der Varianten schon früher?
Derzeit wird die zweite Auffrischungsimpfung von der ECDC für Menschen ab 80 Jahren empfohlen. Diese Gruppe sollte bereits jetzt ihren Impfschutz auffrischen, insbesondere da die Varianten BA.4 und BA.5 sich weiter ausbreiten. Diese vierte Impfung soll vier bis sechs Monate nach der dritten Impfung erfolgen. Die Behörde empfiehlt den einzelnen Ländern das Infektionsgeschehen genau zu überwachen. Kommt es zu einer erhöhten Sars-CoV-2-Zirkulation oder einem Anstieg an schweren Erkrankungen bei geimpften Personen, könne es laut ECDC sinnvoll sein, auch ab 60-Jährigen eine vierte Dosis anzubieten. Das Nationale Impfgremium (NIG) empfiehlt Personen mit einem erhöhten Risiko für schwere Verläufe nach Rücksprache mit ihrem Arzt den vierten Stich auch unabhängig von ihrem Alter.
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