Über Digital Detox in der Pandemie und den schwierigen Weg ins „OFF“

Über Digital Detox in der Pandemie und den schwierigen Weg  ins „OFF“
Der Wunsch nach einer digitalen Auszeit hat in der Pandemie zugenommen. Wieso das schwierig ist und wie man es anpacken kann

Einfach einmal abschalten – wortwörtlich. Für viele ein unerfüllter Wunsch in Zeiten der Digitalisierung – erschwert durch die Pandemie. „Digital Detox“ – die digitale Entgiftung – ist kein gänzlich neuer Trend. Der Wunsch nach „Abschalten“ scheint aber in der Pandemie zugenommen zu haben. Die momentane Fastenzeit kann für viele auch ein Anlass zum digitalen Verzicht sein. Einfach ist das aber nicht. Schon Zahlen zeigen, wie sehr die digitale Welt in die „echte“ Welt integriert ist.

98 Prozent der Internetnutzerinnen und Nutzer zwischen 15 und 69 in Österreich verwenden 2020 ein Smartphone, sogar in der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen nutzten 96 Prozent ein Smartphone – das erhob die Mobile Marketing Associaton Austria (MMA). Die Daten zeigen auch, während der Pandemie ist die Nutzung sozialer Netzwerke angestiegen (von 58 auf knapp 65 Prozent). Viele würden ihre Zeit im Internet eigentlich gerne reduzieren, schaffen es aber nicht.

Eine aktuelle umfassende Studie zur Digitalkompetenz aus Deutschland macht das deutlich: Während rund acht von zehn Männern und sieben von zehn Frauen angaben, fast immer online zu sein, will laut Studie tatsächlich nur einer oder eine von zehn immer online sein. Wieso also sind so viele fast immer online, obwohl sie das eigentlich nicht wollen?

„Informationen sind existenziell“

Einerseits ist man momentan auf digitale Kommunikation angewiesen, sowohl in der Arbeitswelt als auch im Privaten. Noch dazu kommt aber: „Die Pandemie ist ja nicht irgendein Trend, sondern eine existenzielle Krise. Das Informationsbedürfnis der Menschen ist dabei extrem gestiegen, weil es auch um existenzielle Informationen geht, deren Kenntnis auch schon einen gesellschaftlichen Wert erreicht hat“, so die Analyse von Tilo Grenz, Soziologe an der Uni Wien.

Auch er erlebt momentan ein noch größeres Bedürfnis der Menschen, sich aus dem digitalen Raum zurückzuziehen. „Schon vor der Krise konnten manche es sich eher leisten – zum Beispiel beruflich – Digital Detox zu betreiben als andere.“ Das habe sich verschärft. Und auch die Erklärungsnot, wieso man verzichten möchte, scheint größer geworden zu sein. „Man braucht noch überzeugendere Argumente dafür, auf Informationen und digitalen Austausch zu verzichten. Weil der beiläufige Austausch im Alltag eben fehlt und weil diese Informationen als wertvoll erachtet werden und Existenzen betreffen“, erklärt Grenz.

Zu viel Digitales kann aber ungesund sein. Die deutsche Studie zeigt wie viele zuvor: Zwischen erhöhtem Internetkonsum privater Natur und körperlicher wie psychischer Belastung besteht ein deutlicher Zusammenhang. Stimmungsschwankungen, Nervosität oder depressive Stimmungen können die Folge sein. Auch eine chinesische Studie speziell zur Nutzung von Social Media und der mentalen Gesundheit während der Pandemie zeigte: Eine intensive Social-Media Nutzung geht mit einer Verschlechterung des mentalen Gesundheitszustands einher. Eine Rolle dabei spielten auch Medienberichte zur Pandemie.

Der Weg ins „Off“

Wie schafft man es nun aber, dieser digitalen Welt und der Informationsflut den Rücken zu kehren, ohne schwerwiegende Konsequenzen?

Zwei Schlüsselworte: Bewusstsein und Grenzen. Zumindest bei Ersterem könnte einem die Pandemie sogar in die Karten spielen. Wird es einem zu viel in der digitalen Welt, sollte man in einem ersten Schritt einmal darüber nachdenken: Wann, wie oft und wie lange und auf welche Art nutze ich Massen- und soziale Medien? Die Corona-Krise könnte Grenz zufolge eine gute Möglichkeit dafür bieten, „ich habe schon jetzt den Eindruck, dass sehr viele Menschen bewusster, jedenfalls deutlich sensibler, in der Mediennutzung sind.“

Kennt man die eigenen Verhaltens- und Nutzungsmuster, „führt letztlich kein Weg daran vorbei, eine Entscheidung zu treffen“, so der Soziologe. Wo die Grenze gezogen wird, sollte jedoch immer individuell sein. „Es ist wichtig, dabei den eigenen Alltag sowie die Lebensumstände zu berücksichtigen und sich nicht schlecht zu fühlen, wenn man allgemeinen Anforderungen wie ,Am Abend kein Smartphone‘ nicht gerecht werden kann“, rät der Experte.

Dann gehe es noch darum, die Auszeit auch als solche sichtbar zu machen und nicht einfach wortwörtlich tonlos von der Bildfläche zu verschwinden. So könnten auch Konflikte rund um die Nicht-Erreichbarkeit leichter vermieden werden.

Und zu guter Letzt: ausschalten.

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