„Informationen sind existenziell“
Einerseits ist man momentan auf digitale Kommunikation angewiesen, sowohl in der Arbeitswelt als auch im Privaten. Noch dazu kommt aber: „Die Pandemie ist ja nicht irgendein Trend, sondern eine existenzielle Krise. Das Informationsbedürfnis der Menschen ist dabei extrem gestiegen, weil es auch um existenzielle Informationen geht, deren Kenntnis auch schon einen gesellschaftlichen Wert erreicht hat“, so die Analyse von Tilo Grenz, Soziologe an der Uni Wien.
Auch er erlebt momentan ein noch größeres Bedürfnis der Menschen, sich aus dem digitalen Raum zurückzuziehen. „Schon vor der Krise konnten manche es sich eher leisten – zum Beispiel beruflich – Digital Detox zu betreiben als andere.“ Das habe sich verschärft. Und auch die Erklärungsnot, wieso man verzichten möchte, scheint größer geworden zu sein. „Man braucht noch überzeugendere Argumente dafür, auf Informationen und digitalen Austausch zu verzichten. Weil der beiläufige Austausch im Alltag eben fehlt und weil diese Informationen als wertvoll erachtet werden und Existenzen betreffen“, erklärt Grenz.
Zu viel Digitales kann aber ungesund sein. Die deutsche Studie zeigt wie viele zuvor: Zwischen erhöhtem Internetkonsum privater Natur und körperlicher wie psychischer Belastung besteht ein deutlicher Zusammenhang. Stimmungsschwankungen, Nervosität oder depressive Stimmungen können die Folge sein. Auch eine chinesische Studie speziell zur Nutzung von Social Media und der mentalen Gesundheit während der Pandemie zeigte: Eine intensive Social-Media Nutzung geht mit einer Verschlechterung des mentalen Gesundheitszustands einher. Eine Rolle dabei spielten auch Medienberichte zur Pandemie.
Der Weg ins „Off“
Wie schafft man es nun aber, dieser digitalen Welt und der Informationsflut den Rücken zu kehren, ohne schwerwiegende Konsequenzen?
Zwei Schlüsselworte: Bewusstsein und Grenzen. Zumindest bei Ersterem könnte einem die Pandemie sogar in die Karten spielen. Wird es einem zu viel in der digitalen Welt, sollte man in einem ersten Schritt einmal darüber nachdenken: Wann, wie oft und wie lange und auf welche Art nutze ich Massen- und soziale Medien? Die Corona-Krise könnte Grenz zufolge eine gute Möglichkeit dafür bieten, „ich habe schon jetzt den Eindruck, dass sehr viele Menschen bewusster, jedenfalls deutlich sensibler, in der Mediennutzung sind.“
Kennt man die eigenen Verhaltens- und Nutzungsmuster, „führt letztlich kein Weg daran vorbei, eine Entscheidung zu treffen“, so der Soziologe. Wo die Grenze gezogen wird, sollte jedoch immer individuell sein. „Es ist wichtig, dabei den eigenen Alltag sowie die Lebensumstände zu berücksichtigen und sich nicht schlecht zu fühlen, wenn man allgemeinen Anforderungen wie ,Am Abend kein Smartphone‘ nicht gerecht werden kann“, rät der Experte.
Dann gehe es noch darum, die Auszeit auch als solche sichtbar zu machen und nicht einfach wortwörtlich tonlos von der Bildfläche zu verschwinden. So könnten auch Konflikte rund um die Nicht-Erreichbarkeit leichter vermieden werden.
Und zu guter Letzt: ausschalten.
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