Substanz stoppt Spermien: Neuer Ansatz für Verhütung beim Mann?
Eine Verhütungsmethode für den Mann - abgesehen vom Kondom: Daran wird seit langem geforscht. Bisher allerdings ohne Erfolg. Jetzt aber gibt es zumindest neue Ansätze auf diesem Gebiet, die zu einer neuen Verhütungsmethode führen könnten. Wissenschafter aus den USA und Belgien stellten jetzt eine neue Substanz vor. Und australische Wissenschafter haben bereits eine Studie mit einem Verhütungsgel gestartet.
Für eine erfolgreiche Befruchtung müssen Spermien zur Eizelle gelangen und in diese eindringen. Bevor sie mit der Eizelle verschmelzen können, ändern die Spermien ihre Oberflächenspannung. Dafür müssen sie Kaliumionen aus der Spermienzelle herauspumpen. Bisher war aber nicht bekannt, welcher Kaliumkanal dafür verantwortlich ist. Über solche Kanäle können Zellen Kalium verschieben.
Die Wissenschafter konnten jetzt diesen Kanal bestimmen und eine Substanz identifizieren, die ganz gezielt diesen Kanal hemmt. Ihre Ergebnisse präsentierten sie kürzlich im Fachmagazin Pnas.
Tausende Substanzen gescreent
"Die Wissenschafter haben das Molekül in einem sogenannten Screening-Verfahren identifiziert. Dabei werden Tausende von Substanzen auf eine bestimmte Fähigkeit hin überprüft", schreibt die Neue Zürcher Zeitung. Dabei wurde nach Molekülen gesucht, die nur den einen Kaliumkanal hemmen und sonst keinerlei Wirkungen haben.
Bisher war die Rolle dieses Kalium-Ionenkanals SLO3 für die menschlichen Spermien nicht genau bekannt. Falls sich die Ergebnisse der Studie bestätigen lassen, könnte das auch neue Erkenntnisse für die Diagnostik von männlicher Unfruchtbarkeit liefern: "Mutationen des Kanals, die dessen Funktion beeinträchtigen, könnten ein Grund für bislang nicht erklärbare Fälle von männlicher Infertilität sein", schreibt der Zellbiologe Artur Mayerhofer von der Ludwig-Maximilians-Universität München in einer Stellungnahme an das deutsche Science Media Center.
Gleichzeitig aber könnte die von den Forschern aus Belgien und den USA entwickelte Substanz VU0546110 ein Verhütungsmittel der Zukunft sein: Dadurch, dass es den Kaliumkanal blockiert, könnten die Spermien ihre Oberflächenspannung nicht verändern und so auch nicht mit der Eizelle verschmelzen.
"Diese Möglichkeit sehe ich grundsätzlich auch", schreibt Mayerhofer: "Allerdings ist es vom eindeutigen Laborergebnis bis zur praktischen Umsetzung ein weiter und unvorhersehbarer Weg."
Noch offen ist auch, ob derartige Hemmstoffe für den Kaliumkanal SLO3 "beim Mann oder bei der Frau eingesetzt werden sollten", schreibt die Neue Zürcher Zeitung. Theoretisch ist beides denkbar. Die vom Science Media Center befragten Experten halten es aber für realistischer, dass ein solches Mittel bei der Frau eingesetzt werde, etwa als Vaginalgel. Denn die Spermien müssten erst im weiblichen Körper ihre Funktion erfüllen, so ein wichtiges Argument. Eine Wirkung sollte das Molekül aber nur auf die Spermien haben.
Mayerhofer: "Die praktische Umsetzung - zum Beispiel die Anwendung allein oder in Kombination mit existierenden Verhütungsgelen oder anderen Barrieremethoden - muss gründlich erprobt und potenzielle Nebenwirkungen, die sich daraus ergeben, müssen erfasst werden."
Auch der Reproduktionsmediziner und Androloge Timo Strünker vom Uni-Klinikum Münster sieht in dem neuen Wirkstoff einen möglichen Ansatz für ein neues Verhütungsmittel. Derartige Präparate, die diesen Kaliumkanal hemmen "sollten im Idealfall nämlich nur Spermien und die Zeugungsfähigkeit beinträchtigen, aber fast keine Nebenwirkungen haben." Denn der SLO3-Kanal sei ausschließlich in Spermien und sonst keiner anderen Körperzelle zu finden. Strünker konnte den Kanal bereits vor knapp zehn Jahren mit Benjamin Kaupp von der Universität Bonn erstmals in menschlichen Spermien nachweisen und charakterisieren.
Aber er betont, dass der Weg dorthin "noch sehr lang und ungewiss" ist. Trotzdem ist er überzeugt: "Eines scheint also sicher: man wird in Zukunft von weiteren spannenden Ergebnissen in dieser Frage hören."
Studie mit Verhütungsgel in Australien
Ein anderer Ansatz wird derzeit in Australien erprobt. In einem australischen Spital ist im November - weltweit erstmals - Männern im Rahmen einer klinischen Studie ein Verhütungsgel in die Samenleiter injiziert worden.
Laut den Experten sei das wie eine Art "temporäre Vasektomie". Bei der Vasektomie (Sterilisation des Mannes) werden die Samenleiter an zwei Stellen durchtrennt und das dazwischen liegende Teilstück wird entfernt - der Weg für die Spermien ist damit blockiert. Denselben Effekt hat das Hydrogel: Es blockiert den Spermientransport, aber nicht auf Dauer, sondern nur vorübergehend: Nach zirka zwei Jahren hat sich das Gel aufgelöst, die Prozedur kann dann auf Wunsch wiederholt werden.
Ob sich das Hydrogel tatsächlich bewährt, soll jetzt in einer drei Jahre andauernden Studie mit insgesamt 25 Männern untersucht werden.
Beides wären Verhütungsmethoden ohne Hormone. Hormonelle Verhütungsmethoden gibt es derzeit nur für Frauen. "Die Hormonspritze für den Mann ist dagegen schon vor mehr als zehn Jahren gescheitert", schreibt spiegel.de, "wegen Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen oder Verlust der Libido."
Dass es bisher keine Pille für den Mann gebe, hänge auch damit zusammen, dass es keine ausreichende Finanzierung durch die Pharmaindustrie gebe, sagte eine US-Reproduktionsmedizinerin im Herbst.
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