Stress als Herzinfarktrisiko: Welche Rolle die Gene dabei spielen
Es sind Studiendaten aus den USA: In den ersten zehn Tagen nach Weihnachten, den ersten fünf Tagen nach den US-Präsidentenwahlen und den ersten fünf Tagen nach großen Sportereignissen wie dem Super Bowl steigt die Rate an Herzinfarkten. Diese Zeitabschnitte sind für viele Menschen stark stressbelastete Zeiten, verglichen mit anderen Perioden im Jahr. Doch woran liegt es, dass viele Menschen derartige Phasen gut überstehen, andere aber nicht? Und welche Rolle spielt Stress generell als Risikoafaktor für Erkrankungen der Herzgefäße? Neue Studienergebnisse liefern Antworten auf diese Fragen.
Beim jährlichen wissenschaftlichen Kongress des "American College of Cardiology" wird kommende Woche eine Studie über den Zusammenhang bestimmter genetischer Merkmale und Herzinfarktrisiko präsentiert. Demnach ist eine genetisch bedingte Stressempfindlichkeit - diese Menschen empfinden Stresssituationen als besonders belastend - ein potentieller Risikofaktor für einen Herzinfarkt.
Menschen, die aufgrund ihrer genetischen Ausstattung Stress schlechter verarbeiten können "haben eine auffallend höhere Wahrscheinlichkeit, nach diesen stressigen Ereignissen einen Herzinfarkt zu erleiden", wird Shady Abohashem, von der kardiologischen Abteilung und dem Forschungszentrum für kardiovaskuläre Bildgebung am Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School sowie Hauptautorin der Studie, in einer Vorab-Aussendung zur Studienpräsentation zitiert.
Bei stresssensitiven Menschen war in stressbelasteten Phasen das Herzinfarktrisiko um 34 Prozent erhöht im Vergleich zu ruhigeren Kontrollperioden. Daran änderte sich auch nichts, nachdem traditionelle Risikofaktoren wie das Alter, das Geschlecht, Tabak- und Alkoholkonsum oder Erkrankungen wie Diabetes in der Risikoberechnung berücksichtigt wurden.
Litten die betroffenen stressempfindlichen Personen gleichzeitig auch noch an Angststörungen oder Depressionen, verdreifachte sich das Herzinfarktrisiko sogar.
Die Untersuchung basiert auf den Daten von 18.428 Personen, die der "Mass General Brigham Biobank" Gesundheitsinformationen und Blutproben zur Verfügung gestellt haben. 1.890 von ihnen erlitten in der 20 Jahre dauernden Studienphase zwischen 2000 und 2020 einen Herzinfarkt.
Stress ist schwieriger zu messen
"Für die Entstehung des Herzinfarkts gibt es eine Reihe bekannter klassischer Risikofaktoren", sagt der Kardiologe Bernhard Metzler von der Uni-Klinik für Innere Medizin / Kardiologie der MedUni Innsbruck. "Erhöhten Blutdruck, erhöhtes LDL-Cholesterin, Diabetes, das Alter, die Familiengeschichte - das lässt sich alles gut messen und quantifizieren."
Beim Stress hingegen sei das etwas anders: "Er bringt natürlich auch ein erhöhtes Risiko mit sich, etwa durch seine indirekten negativen Effekte wie auf den Blutdruck, aber auch als ganz eigenständiger Risikofaktor. So ist nachgewiesen, dass chronischer Stress Entzündungsprozesse in den Arterien aktivieren kann." Insgesamt seien seine Auswirkungen auf die Herzgefäße aber viel schwieriger zu messen und zu quantifizieren: "Und sie sind auch individuell sehr unterschiedlich", betont Kardiologe Metzler. Dies mache es schwieriger, seinen exakten Stellenwert bei der Krankheitsentstehung zu bestimmen.
Augenmerk auf nicht-traditionelle Risikofaktoren
Doch generell werden nicht-traditionelle Risikofaktoren seit einiger Zeit stärker in das Gesamtbild bei der Krankheitsentstehung integriert. Bernhard Metzler verweist auf eine große Studie, die dazu Anfang des Jahres im European Heart Journal erschienen ist: Sie fasst unter dem Begriff "Exposome" äußere Einflüsse zusammen, die auf einen Menschen Zeit seines Lebens einwirken:
- Einerseits direkte Umwelteinflüsse (etwa Lärmbelastung, Luftverschmutzung, Lichtverschmutzung - zu viel Helligkeit in der Nacht),
- ein zweiter Bereich sind Infektionskrankheiten, die auch die Herzgefäße schädigen können (etwa SARS-CoV-2, Influenza oder auch bakterielle Infektionen),
- und als dritter großer Bereich "sozialer Stress", womit neben chronischer beruflicher oder familiärer Stressbelastung auch mentaler Stress durch Einsamkeit oder soziale Isolation umfasst ist, sowie auch psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen.
"Natürlich gibt es auch die Fälle von Herzinfarkten nach großen Sportereignissen", sagt Metzler. "Was aber in der Menge viel bedeutender ist, ist der ständige chronische Stress, eine ständige Belastung durch berufliche und familiäre Ereignisse, aber auch die vielen globalen Krisenherde, die speziell bei stressempfindlichen Menschen das Infarktrisiko erhöhen. Führt das dann auch zu chronischen Angstzuständen und sozialer Isolation, ohne Ruhe- und Erholungsphasen, ist das Infarktrisiko massiv erhöht."
Metzler betont, dass diese externen Faktoren im klassischen Schema der Risikofaktoren bisher nicht in vollem Umfang berücksichtigt wurden: "Dies geschieht jetzt aber verstärkt, es kommt zu einer Gesamtsicht der inneren und äußeren Faktoren." Dies habe auch Auswirkungen auf die Therapie: "Es geht darum, in der Therapie auch die Resilienz - die Widerstandsfähigkeit bei Belastungen - zu stärken und Strategien zu finden, wie man individuell besser mit Stresssituationen umgehen kann."
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