Was Frauenherzen von jenen der Männer unterscheidet
Frauenherzen schlagen anders: Das ist wissenschaftlich erwiesen. Dabei geht es nicht nur darum, dass sie ein ein bisschen schneller als Männerherzen schlagen, weil letztere etwas größer sind. Bekannt ist, dass bei einem Herzinfarkt besonders bei Frauen oft kein klassischer Schmerz an der linken Brustseite über dem Herzen auftritt, sondern eine Mischung ganz unterschiedlicher Anzeichen. Aber das ist nur einer von vielen Unterschieden. Jetzt hat eine deutsche Wissenschafterin einen weiteren entdeckt. Und zwar bei den durch Atherosklerose ("Gefäßverkalkung") bedingten Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen. Diese Erkenntnis könnte zu einer besseren individuellen Behandlung führen. Aber welche Unterschiede zwischen Männer- und Frauenherzen kennt man eigentlich heute?
Infarktsymptome: Frauen zeigen in vielen Fällen eine Mischung ganz unterschiedlicher Anzeichen wie etwa Unwohlsein, Schweißausbruch, Übelkeit, Schwächegefühl mit Einschränkung der Leistungsfähigkeit, aber auch Schmerzen im Unterkiefer oder an der rechten Brustseite. Diese Beschwerden sind oft schwer zu erkennen und zu interpretieren. "Die Frau verkennt häufig, dass sich ein Herzinfarkt ankündigt", heißt es dazu auf der Website des Herzzentrums Göttingen.
Der Österreichische Herzfonds beschreibt es so: "Während Männer oft über Schmerzen in den Armen klagen, in Schweiß ausbrechen und Todesangst empfinden, zeigt sich ein Herzinfarkt bei Frauen häufig mit unspezifischen Symptomen wie Bauch- oder Rückenschmerzen, Unwohlsein, Schwächegefühl, Atemnot oder Schwindelanfällen."
Frauen kommen bei einem Herzinfarkt im Mittel etwa eine Stunde später in die Klinik als Männer. Aus diesem Grund sollten alle akut auftretenden starken Schmerzen nach der NAN-Regel – d. h. zwischen Nasenspitze, Arm und Nabel –, die nicht innerhalb von 15 Minuten wieder abklingen, unbedingt abgeklärt werden. Auch immer wiederkehrende Luftnot, die bei körperlicher Belastung im Alltag oder emotionaler Aufregung auftritt, Leistungsschwäche und vermehrte Schweißneigung sollten von Ärztin oder Arzt untersucht werden.
Aufbau der Plaques: Das ist eine ganz neue Erkenntnis, die erste diese Woche von der Deutschen Herzstiftung veröffentlicht wurde. Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen, die sogenannten Plaques aus Blutfetten, Blutgerinnseln und Kalk, sind sowohl bei Frauen als auch Männern die Ursache von Durchblutungsstörungen und Herzinfarkten. Unterschiede bestehen jedoch im Detail bei den Merkmalen dieser Ablagerungen. Wie kritisch eine koronare Herzkrankheit (KHK) verläuft, hängt nicht nur von der Größe der Ablagerungen ab, sondern auch davon, wie die einzelnen Plaques aufgebaut sind.
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Diese Strukturen lassen sich gut mit einem bildgebenden Verfahren, der Optischen Kohärenztomographie (OCT), darstellen. Dabei kann zum Beispiel festgestellt werden, ob eine Ablagerung aus mehreren Schichten unterschiedlicher Dichte besteht. Mediziner sprechen dann von "layered plaques" (geschichteten Plaques). Diese gelten als ein Zeichen stummer vorausgegangener Destabilisierungen der Ablagerungen, also etwa einem Aufreißen der Ablagerungen. Das ist ein Risikofaktor für die Bildung eines Blutgerinnsels. Doch der Körper kann das in vielen Fällen regulieren, der Riss verheilt und die Ablagerung ist wieder stabilisiert. Auf diese Weise entstehen einzelne Plaqueschichten.
Die deutsche Kardiologin Lena Marie Seegers vom Universitätsklinikum Frankfurt hat am Massachusetts General Hospital der Harvard Medical School in Boston (USA) genderspezifische Unterschiede bei atherosklerotischen Plaques untersucht. Insgesamt wiesen zwar Männer und Frauen gleich häufig solche geschichteten Plaques auf (55 % der Männer versus 54 % der Frauen). „Wir konnten jedoch deutliche Unterschiede im Aufbau dieser Plaques feststellen“, so Seegers. In den geschichteten Plaques von Männern fanden sich mehr Hinweise auf frühere Verletzungen (Rupturen) als bei Frauen. Aufgrund dieser Ergebnisse folgert Seegers, dass bei Frauen vermutlich eher nicht-entzündliche Prozesse eine größere Rolle beim Fortschreiten der Ablagerungen spielen, während bei Männern wohl mehrfache Plaquerupturen mit ausgeprägten Entzündungsvorgängen in den Gefäßen zum Fortschreiten der Erkrankung führen. Diese Erkenntnis könnte helfen, individualisierte Therapien zu entwickeln.
Östrogenschutz: Viele Jahre haben Frauen durch die weiblichen Hormone, insbesondere das Östrogen, einen besseren Schutz vor einem Herzinfarkt als Männer. Dadurch erleben Frauen durchschnittlich erst zehn Jahre später einen Herzinfarkt als Männer. Östrogen sorgt für einen Schutz des Endothels, der Innenschicht der Gefäße. Mit dem Beginn der Wechseljahre, also etwa durchschnittlich mit 45 bis 50 Jahren, lässt dieser Schutz nach. In den Wechseljahren steigen LDL-Cholesterin, Blutzucker und Blutdruck. Die steigenden Blutfette bewirken Ablagerungen in den Gefäßen und können dadurch das Herz der Frau schädigen.
"Wir wissen bereits, dass sich erhöhter Blutzucker bei der Frau sogar gravierender auf die Gesundheit der Herzadern auswirkt als beim Mann", heißt es beim Herzzentrum Göttingen. Der weibliche Altersgipfel bei Herzinfarkten liegt laut Österreichischem Herzfonds bei 55 Jahren. "Jedoch sind die weiblichen Hormone nicht unbesiegbar: Viele Raucherinnen sind bereits in jungen Jahren betroffen, Zufallsdiagnose Herzinfarkt."
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Risikofaktor Blutdruck: Mit den Wechseljahren – und somit sehr viel später als die Männer – entwickeln viele Frauen einen dann für sie überraschend hohen Blutdruck. "Ab 60 Jahren haben etwa sechs von zehn Frauen hohen Blutdruck", schreiben die Kardiologinnen und Kardiologen aus Göttingen. Der Blutdruck ist gelegentlich auch nur unter Belastung erhöht, während die Blutdruckwerte in Ruhe normal sein können. Hoher Blutdruck ist auch deswegen ein Risikofaktor für das Herz, weil er zur Verdickung der Herzwände führt.
Die verdickten Herzwände können dann zu einer sogenannten „diastolischen“ Herzschwäche führen, bei der die Elastizität der Herzkammer verloren geht und sich das Blut in die Lunge zurückstaut. Dies betrifft Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer. Beschwerden wie Luftnot und Leistungseinbuße treten sowohl anfallsartig als auch schleichend auf und bleiben oft viel zu lange unerkannt. Insgesamt steigt in der zweiten Lebenshälfte von Frauen das Risiko, aufgrund der einsetzenden Gefäßveränderungen einen Herzinfarkt zu erleiden. Erkrankt eine Frau an einer Durchblutungsstörung des Herzens, dann auch häufig schwerer und mit einem ausgedehnteren Befund an ihren Herzadern als der Mann.
Risikofaktor Psyche: Emotionaler Stress scheint das Frauenherz deutlich stärker als das Männerherz zu beeinflussen. In der Wissenschaft ist dies bekannt als "Broken Heart" - gebrochenes Herz. Starker emotionaler Stress kann besonders bei Frauen Herzschmerzen und Herzschwäche auslösen. Dem Beginn der Erkrankung geht in der Regel starker seelischer oder körperlicher Stress voraus. "Zu den häufigsten seelischen Stressfaktoren zählen ein plötzlicher Todesfall in der Familie, heftiger Streit oder die Diagnose einer Tumorerkrankung", heißt es beim Herzzentrum Göttingen. Häufige körperliche Stressfaktoren sind Lungenerkrankungen mit extremer Luftnot, Unfälle, Operationen oder eine ungewohnte außerordentliche körperliche Anstrengung.
Laut einer schwedischen Studie hatten Frauen, die über Stress in der Ehe klagten, ein dreifach höheres Risiko für Herzprobleme als Frauen in einer entspannten Beziehung, schreibt der Österreichische Herzfonds.
In 90 Prozent der Fälle sind Frauen nach den Wechseljahren betroffen. Nach den Wechseljahren reagieren Herz und Blutgefäße der Frau verstärkt auf die Stresshormone. Männer zeigen dieses Krankheitsbild des Broken Heart deutlich seltener.
Vorsorge: Dazu sollte die regelmäßige Messung von Blutdruck, Blutfettwerten und Blutzucker zählen - bei Frauen und Männern, etwa im Rahmen der jährlichen Vorsorgeuntersuchung. Generell ist ein gesunder und aktiver Lebensstil eine gute Prophylaxe, um einem Herzinfarkt vorzubeugen. Dazu zählen unter anderem eine gesund Ernährung, ausreichend Bewegung, ein Verzicht auf das Rauchen und - so weit das im Alltag überhaupt möglich ist - ein Verzicht bzw. zumindest ein Reduktion von Stress. Einen Test über ihr persönliches Herzinfarktrisiko finden Sie hier beim Österreichischen Herzfonds.
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