Andrea Kurz: Man kann Österreich und die USA schwer vergleichen und sollte dies vielleicht auch nicht tun, da ein riesiges Land wie die USA ganz andere Rahmenbedingungen bieten kann. Wir haben in Österreich viele exzellente Forscherinnen und Forscher und auch eine gute Infrastruktur. Im Gegensatz zu den USA und der Schweiz fehlen allerdings große, öffentliche Töpfe zur Forschungsfinanzierung. Nicht nur ist Funding durch öffentliche Institutionen vermehrt in den USA und auch der Schweiz vorhanden, auch die Industrie spielt eine enorme Rolle. Zum Beispiel kommen die 20 meistverdienenden CEOs in der Medizin in den USA aus der Industrie.
Es erstaunt mich immer wieder, wie viel Geld in den Staaten zum Beispiel in klinische Studien fließt und wie wenig dies in Österreich für vergleichbare Leistungen wäre. Man darf nicht vergessen, dass der Medizinmarkt in den USA ein Vielfaches von dem in Österreich ausmacht.
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Nichtsdestotrotz hat Österreich gute Chancen mitzumischen. Wir haben den Vorteil, dass in einem kleinen Land – entsprechender Willen vorausgesetzt – Verbundforschung zwischen den medizinischen Universitäten und anderen Institutionen leichter realisierbar ist. Damit lassen sich klinisch relevante Forschungsfragen im akademischen Bereich leichter beantworten, wie beispielsweise der Grazer Forschungsverbund BioTechMed-Graz zeigt.
Wo sehen Sie Österreich in der Medizinforschung?
Medizinische Forschung macht heute etwa ein Drittel der gesamten Forschungsleistung Österreichs aus. Das ist bemerkenswert, da etwa die US-amerikanische Universität Stanford über ein höheres Jahresbudget verfügt als alle 22 österreichischen Universitäten zusammen. Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften wie Physik hat Österreich abgesehen von Eric Kandel im Jahr 2000 seit dem 2. Weltkrieg in einem medizinischen Fachgebiet allerdings keinen Nobelpreisträger mehr gestellt. Dennoch sind österreichische Medizinerinnen und -mediziner sowie Medizinforscher u. a. in den Bereichen Onkologie, medizinische Neurowissenschaften und kardiovaskuläre Medizin international sehr präsent und zum Teil führend.
Wo gibt es in der heimischen Forschungslandschaft noch Hürden zu überwinden, welche wären das und wie kann das gelingen?
In Österreich gibt es die Herausforderung, dass nur wenige Fördergeber wie etwa der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) oder die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) medizinische Forschung unterstützen. Das stellt ein Nadelöhr vor allem für Grundlagenforschung, aber auch für die angewandte klinische Forschung, dar, da solche Drittmittel zur Finanzierung notwendig sind. Es wird auch wichtig sein, in vermehrtem Ausmaß mit der Industrie zusammenzuarbeiten. Forschung mit praktischer Umsetzung etwa in Start-ups zu vernetzen – wie das in der Medical Science City rund um die MedUni Graz der Fall ist – eignet sich gut dafür.
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Es gilt, die Wissenschaftsskepsis in der Bevölkerung ab- und Vertrauen in die Forschung bei politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern aufzubauen. Letzten Endes geht es mir darum, zu vermitteln, dass Forschung schlichtweg der Motor von Fortschritten in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung ist. Das war auch mein Antrieb, in meinem Fach in die Forschung zu gehen.
Anhand des Beispiels der MedUni Graz: Wie wollen Sie in Ihrer neuen Funktion dazu beitragen, dass Forschungsprojekte bestmögliche Rahmenbedingungen bekommen, um erfolgreich verlaufen zu können?
Ein wichtiger Punkt ist generell eine Konzentration auf Schwerpunkte, spezielle Forschungsfelder. Die MedUni Graz etwa hat auf Basis bisheriger exzellenter Leistungen und erkennbarer Potenziale die Forschungsfelder „Stoffwechsel & Kreislauf“, „Neurowissenschaften“, „Krebsforschung“ sowie übergeordnet „Nachhaltige Gesundheitsforschung“ und jüngst „Mikrobiom & Infektion“ definiert. Diese fungieren als universitätsinterne Plattformen, die dem themenspezifischen Austausch zwischen Wissenschaftern aus Grundlagenforschung und Klinik dienen.
Für erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit ist es heute auch entscheidend, dass sich Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen und Universitäten vernetzen und gemeinsame Projekte einreichen.
Mein größtes Anliegen ist eine akademische Kultur, in welcher Forscherinnen und -forscher sich auf allen Ebenen frei entwickeln können und in der Karriere-Förderung und Wertschätzung großgeschrieben werden. Nur so können wir Toptalente behalten oder rekrutieren.
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