Stand der Forschung: Stört die Covid-Impfung Zyklus und Fruchtbarkeit?

FILE PHOTO: An Israeli woman receives a third shot of coronavirus disease (COVID-19) vaccine in Tel Aviv
Während sich Hinweise auf eine Beeinflussung des Zyklus mehren, schließen Experten Unfruchtbarkeit als Folge der Impfung nach wie vor aus.

Knapp sechs Milliarden Dosen des Corona-Vakzins unterschiedlicher Hersteller wurden inzwischen weltweit verabreicht.

Bei manchen geimpften Frauen verändert nach dem immunisierenden Stich der Zyklus – die Periode bleibt unerwartet aus, die Blutung ist stärker oder schwächer, der gesamte Zyklus verschiebt sich und wird unregelmäßig. Bei betroffenen Frauen löst das unweigerlich Unruhe und Besorgnis aus.

Menstruationsstörungen nach einer Covid-Impfung können Expertinnen und Experten zufolge tatsächlich immer wieder auftreten. Das bestätigte etwa die Gender-Medizinerin Alexandra Kautzky-Willer kürzlich im Interview mit orf.at.

Zufall bis Stressreaktion

Auch Michael Feichtinger, Gynäkologe und Kinderwunschexperte, kennt das Phänomen. Er sieht jedoch keinen Anlass zur Sorge: "Ein Ausbleiben der Periode oder Veränderungen bei der Blutung sind eventuell auf ein Absinken der Thrombozyten (Blutplättchen, Anm.) zurückzuführen." Kommen zwei Ereignisse – die Menstruation und die Impfung – zusammen, könne es in seltenen Fällen auch vorkommen, dass eine Frau rein zufällig nach der Impfung eine Unregelmäßigkeit in ihrem Zyklus bemerkt und diese dann mit der Impfung in Verbindung bringt. "Obwohl beides eigentlich nicht miteinander zusammenhängt", sagt Feichtinger.

Allerdings sind Veränderungen bei der Periode nach Impfungen grundsätzlich nicht ungewöhnlich: "Die Fachliteratur zeigt, dass auch andere Impfstoffe, etwa gegen Grippe oder HPV, einen kurzfristigen Einfluss auf den Zyklus haben können, was aber in der Regel kein Grund für Bedenken ist", sagt der Mediziner. Bezüglich langfristiger Folgen müsse sich niemand Sorgen machen.

Für Kautzky-Willer kommt noch eine andere Erklärung infrage: Die Zyklusstörungen könnten auch durch vermehrten Stress begründet sein. Hormonelle Veränderungen im Zyklus der Frau nehmen im Gehirn ihren Ursprung. Psychische Belastungen in der Pandemie könnten den Zyklus beeinflussen. Auch Reisen, Infektionskrankheiten, Aufregung, starke körperliche Anstrengung oder ein sportlicher Wettkampf können den Zeitpunkt der Menstruation prinzipiell verschieben.

Magere Datenlage

 

Daten des britischen Nebenwirkungserfassungsregisters zeigen jedenfalls, dass es ein paar hundert Meldungen zu Zyklusveränderungen nach Corona-Impfungen gab – "was bei Millionen von Impfungen allerdings kaum aussagekräftig ist", betont Feichtinger. Eindeutige wissenschaftliche Belege für einen Zusammenhang zwischen Impfung und Zyklusstörungen gibt es nach wie vor nicht. Die Datenerfassung lässt zu wünschen übrig.

Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist für die Sicherheit von Impfstoffen zuständig und sammelt Berichte über unerwünschte Nebenwirkungen. Bis Ende Juni wurden dem Institut 310 Einzelfallmeldungen mit 368 "unerwünschten Ereignissen" von Zyklusstörungen berichtet. 34 davon – also knapp zehn Prozent – wurden als schwerwiegend bezeichnet. Die Frauen berichteten von einem "breiten Spektrum zum Teil auch wenig spezifischer Beschwerden", heißt es vonseiten des PEI. Dazu gehören Zwischenblutungen, eine verstärkte oder ausbleibende Menstruation und andere Zyklus-Unregelmäßigkeiten.

Die Bewertung des PEI: "Unter Berücksichtigung der Anzahl geimpfter Frauen in den relevanten Altersgruppen und der Häufigkeit von Zyklusstörungen erscheint die Zahl der Meldungen nicht ungewöhnlich hoch zu sein." Allerdings sei davon auszugehen, dass viele – insbesondere vorübergehende – Zyklusstörungen gar nicht berichtet würden.

Früher untersuchen

Auch der für die Bewertung von Risiken zuständige Ausschuss bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) sieht nach bisherigem Kenntnisstand "keinen kausalen Zusammenhang zwischen Covid-19-Impfstoffen und Zyklusstörungen", heißt es in einem Bericht des Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC).

Dass mögliche Zyklusveränderungen nicht schon in den klinischen Zulassungsstudien mehr Beachtung fanden, kritisiert Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, im Gespräch mit der dpa. "Es ist sinnvoll, ab einem bestimmten Entwicklungsstadium von Impfstoffen auch weibliche Probanden mit einzubeziehen und eine solche Abfrage künftig mit aufzunehmen." Einfach sei das nicht, weil etwa auch berücksichtigt werden müsse, in welcher Zyklus-Phase eine Frau zum Zeitpunkt der Impfung gerade sei.

Zyklusauffälligkeiten nach COVID-19-Erkrankungen wurden unterdessen bereits ausführlich untersucht. Es konnte nachgewiesen werden, dass eine Infektion mit dem Virus durchaus Einfluss auf die Periode haben kann. Feichtinger: "Wir wissen, dass Frauen nach einer Infektion teilweise deutlich schwächere Blutungen haben oder auch in den Monaten nach der Erkrankung längere Abstände zwischen den Regelblutungen verzeichnen. Üblicherweise sind das aber nur kurzfristige Effekte."

Fruchtbarkeit nicht beeinträchtigt

Insbesondere junge Frauen sorgen sich, dass die Corona-Impfungen zu Unfruchtbarkeit führen könnten. Sowohl das Nationale Impfgremium als auch die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sprechen sich mittlerweile für eine Impfung Schwangerer aus – mit einem mRNA-Impfstoff und nach Absprache mit dem Facharzt.

"Mit gutem Gewissen und vor allem im Sinne von Frauen mit Kinderwunsch plädiere ich deutlich für die COVID-19-Impfung. Eine Impfung ist nachweislich der beste Schutz vor einer Corona-Erkrankung, vor allem für Frauen, die eine Schwangerschaft planen", beruhigt Feichtinger.

Ähnlich deutlich formulierte es Gynäkologe und Fruchtbarkeitsexperte Andreas Obruca kürzlich im KURIER-Interview: Frauen mit Kinderwunsch, die bezüglich ihrer Fruchtbarkeit Impf-Bedenken haben, kann Obruca beruhigen: "Es gibt keinen medizinisch begründbaren Mechanismus, der eine Schädigung der Eierstöcke oder der allgemeinen Fruchtbarkeit herbeiführen könnte."

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