„Mama, Papa, Auto, ...“ Im zweiten Lebensjahr sollten Kinder beginnen, erste Worte zu sprechen. Im Idealfall nutzen sie an ihrem zweiten Geburtstag schon 50 Wörter im Alltag. Kann sich ein Kind bis zum dritten Geburtstag noch nicht in kurzen Sätzen ausdrücken oder spricht nur undeutlich einzelne Worte, besteht Handlungsbedarf.
Laut Erhebungen einer Krankenkasse in Deutschland ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Sprachstörungen in den vergangenen 10 Jahren um bis zu 58 Prozent gestiegen. Für Österreich gibt es keine Erhebungen zu der Problematik.
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Carolin Schmid ist Linguistin am Wiener AKH, auf Sprachentwicklungsstörungen spezialisiert und beobachtet auch hierzulande eine Zunahme an Sprachauffälligkeiten: „Vor allem durch vermehrten Medienkonsum und weil die Kinder weniger sprachliche Interaktion mit anderen Menschen haben – ein wesentlicher Faktor für den Spracherwerb.“ Die Pandemie habe die Situation befeuert: „Viele soziale Kontakte haben gefehlt, es gab weniger Gelegenheiten zu sprechen und Kinder wurden noch mehr vor Medien geparkt“.
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Im Gespräch mit dem KURIER erklärt Schmid, wie man Sprachstörungen entgegenwirken kann und gibt Tipps für Kinder, die mit mehreren Sprachen aufwachsen.
Je früher die Probleme abgeklärt werden, desto besser
Hat ein Kind Sprachschwierigkeiten, fällt das meistens im Kindergarten, beim Kinderarzt oder spätestens in der Schule auf. Von dort werden Familien an kompetente Stellen wie Schmid weitergeleitet, um abzuklären, ob es sich um eine klinische Störung handelt, die etwa eine Therapie mit Logopädie erfordert. „In den meisten Fällen hilft es schon, Gewohnheiten im Alltag zu ändern“, erklärt Schmid: „Weniger Medienkonsum, mehr Lesen und interaktive Kommunikation, um den sprachlichen Input zu erhöhen.“ (siehe Tipps im Kasten unten)
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Die Linguistin appelliert dabei, die Situation so früh wie möglich abklären zu lassen: „Je früher man eingreift, desto bessere Ergebnisse kann man erzielen.“ Wartet man zu lange ab, könne sich eine Störung manifestieren und langfristige Auswirkungen haben bis hin zu schulischen Nachteilen. „Sprache ist ja in jedem Lebensalter und für jeden Lebensbereich relevant – nicht nur für den Deutschunterricht.“ Dazu kommen lange (oft monatelange!) Wartezeiten für Diagnostik und Logopädie.
Zweisprachigkeit ist ein Vorteil
Rund 60 Prozent der Kinder in Wien wachsen zweisprachig auf – ein Nachteil? „Nein“, sagt die Linguistin. Mitunter könne es dazu führen, dass Kinder etwas später beginnen zu sprechen, weil sie nicht hundert Prozent von einer Sprache bekommen – sie hören die einzelnen Wörter der Sprache weniger oft. „Das gleicht sich aber schnell aus und Mehrsprachigkeit ist kognitiv sogar ein Vorteil“, betont Schmid.
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„Viele glauben, sie müssen daheim Deutsch sprechen. Wenn Kinder im Kindergarten sind und Deutsch hören, fangen sie aber oft an, sogar zu Hause auf Deutsch zu antworten. Das passiert dann sowieso.“
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