Spitäler "wegen Impfschäden" überfüllt: Belakowitsch empört mit Fake-News-Sager
"Noch nie wussten so viele Menschen über Viren, das Immunsystem und Impfstoffe Bescheid, wie jetzt in der Covid-19 Pandemie, es war aber auch noch nie so viel Falschinformation im Umlauf." Das sagte die Tiroler Immunologin Birgit Weinberger Anfang November.
Als Beispiel führte sie die (mehrfach widerlegte) Behauptung an, die Impfung mache impotent. Oder, dass durch die Impfung das Immunsystem die Plazenta angreife und so Schwangerschaften unterbinde. Weitere Beispiele dieser Art finden sich zuhauf.
Derartige Falschmeldungen werden von Impfgegnern gerne und mannigfach geteilt und verbreiten sich via sozialer Medien rasant. Am Wochenende erst hat die Polizei einen 53-Jährigen ausgeforscht, der in einer Sprachnachricht behauptete, dass ein steirischer Polizist nach der dritten Impfung verstorben sei. In Wahrheit hatte der Polizist die Auffrischungsimpfung noch gar nicht erhalten. Zudem ergab eine Obduktion der Gerichtsmedizin im Auftrag der Staatsanwaltschaft, dass die Todesursache eine natürliche war.
In einer zweiten frei erfundenen Meldung gab der ausgeforschte 53-Jährige an, sein "Hausarzt und privater Freund" habe insgesamt 146 Corona-Impfungen verabreicht und dabei seien 16 Impfschäden aufgetreten. Acht Personen seien gestorben, zwei weitere hätten ein Spenderherz benötigt. Einige Frauen hätten ihre Kinder verloren, beziehungsweise seien zur Welt gekommene Kinder schwer behindert gewesen. Der Arzt hätte daraufhin seine Praxis geschlossen.
Nachdem sich der betroffene Arzt aus dem Murtal gegen die Falschbehauptungen wehrte, nahm die Polizei die Ermittlungen auf.
Infragestellen der Wirksamkeit der Impfung
Eine der häufigsten Taktiken, mit denen Impfkritiker die Ablehnung der Impfung zu rechtfertigen versuchen, ist das Absprechen der Wirksamkeit. Hier werden gerne sämtliche wissenschaftlich bestätigte Erfolge der Corona-Vakzine ignoriert und einzelne Zahlen hervorgeholt, die dazu geeignet sind, ihre Ablehnung zu rechtfertigen.
So ist es etwa schlüssig, wenn sich mit einer hohen Impfrate in der Bevölkerung auch der Anteil der Geimpften unter den Hospitalisierungen erhöht. Impfgegner verweisen aber häufig rein auf die absoluten Zahlen Geimpfter in Spitälern. So soll der Eindruck entstehen, dass Impfungen nicht effektiv und Impfdurchbrüche die Normalität sind. Dass vonseiten der Wissenschaft immer wieder darauf hingewiesen wird, dass Impfungen einen sehr hohen, aber keinen hundertprozentigen Schutz bieten, wird zugunsten der Schlagkraft ihrer Falschbehauptungen verschwiegen.
Rechentricks und falsche Samples
Beunruhigende Zahlen können etwa auch erzeugt werden, indem die Anzahl schwerer Corona-Verläufe oder Gestorbener nicht in Relation zu der betroffenen Altersgruppe gesetzt wird. Dann werden bei Todesfällen gerne junge Ungeimpfte mit alten Geimpften verglichen, um die angebliche Ineffektivität der Impfung zu belegen.
Ein weiterer Trick besteht darin, unter dem Begriff Geimpfte nicht nur Vollimmunisierte zu erfassen, sondern auch Menschen mit einer Teilimpfung oder mit gerade erst erfolgter zweiter Teilimpfung. Da sich bei dieser Gruppe noch nicht die volle Schutzwirkung entfalten konnte, ist es irreführend, sie als Geimpfte zu bezeichnen.
Erhöhung des Risikos von Nebenwirkungen
Impfreaktionen sind ein gutes Zeichen, weil man sieht, dass das Immunsystem arbeitet. Auch Nebenwirkungen sind bei Impfungen möglich, das ist ein Fakt. In alternativen Medien wird allerdings oft fälschlicherweise der Begriff der Impfschäden verwendet, da er beängstigender klingt.
Natürlich ist es möglich, dass in seltenen Fällen auch schwere Nebenwirkungen auftreten, die schlimmstenfalls sogar im Tod enden können. Dies ist allerdings extrem unwahrscheinlich. Impfgegner setzen hier bei Menschen an, die diese extrem geringe Chance nicht einordnen können, und versuchen, dem Risiko eine beängstigend hohe Chance zuzusprechen.
Auch aktuelle Todesfälle oder Erkrankungen von Promis werden dafür verwendet. Als der dänische Fußballspieler Christian Eriksen bei der Fußball-Europameisterschaft im Juni 2021 auf dem Spielfeld zusammengebrochen ist und reanimiert werden musste, verbreiteten sich sofort Behauptungen, dass dies an der Corona-Impfung läge. Tatsächlich war der Däne damals laut Angaben seines Vereins noch gar nicht geimpft.
"Nicht die bösen Ungeimpften"
Jüngst sorgte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch für Empörung: Auf der Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am Samstag in Wien behauptete die Medizinerin, die allerdings nie als Ärztin gearbeitet hat, die Spitäler wären nicht mit Ungeimpften gefüllt, sondern mit Geimpften, die wegen Impfschäden behandelt werden müssen. Es seien "nicht die bösen Ungeimpften", die die Spitäler füllen, so die Blaue. "Oh nein, das sind ganz ganz viele Geimpfte, die aufgrund eines Impfschadens behandelt werden müssen."
Belakowitsch im Faktencheck: Was die Ärztekammer wirklich sagt und wie es um Impfschäden wirklich steht
In der ORF-Sendung Im Zentrum zeigten sich alle anderen Parteien fassungslos über diese "Lüge". Salzburgs FPÖ-Chefin Marlene Svazek wollte dazu nichts sagen, derartiges würde man in der FPÖ nicht in einer ORF-Sendung, sondern parteiintern debattieren.
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ÖVP-Klubobmann August Wöginger, Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer, SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried und Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigten sich über diesen Auftritt fassungslos. Mit einer Partei, die bereit sei, offen zu lügen, sei es schwer zusammenzuarbeiten, "aber unsere Hand ist ausgestreckt", sagte Maurer.
Wöginger und Leichtfried erinnerten auch daran, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl ein Entwurmungsmittel gegen Corona empfohlen und damit die Gesundheit von Menschen gefährdet habe.
Ärztekammer
Die Ärztekammer hat die Aussagen von Belakowitsch aufs Schärfste zurückgewiesen. Diese Behauptung widerspreche allen wissenschaftlichen Evidenzen. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres empfahl, dass man sich Informationen über die Lage in den Spitälern bei den Ärzten und Pflegern vor Ort holen und nicht Fake News aus dem Netz aufsitzen sollte.
In einem Schreiben von Szekeres heißt es, "im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Pandemie darf klargestellt werden, dass es derzeit aufgrund der vorliegenden Datenlage aus wissenschaftlicher Sicht und unter Hinweis auf diesbezügliche Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums grundsätzlich keinen Grund gibt, Patientinnen/Patienten von einer Impfung gegen COVID-19 abzuraten":
Laut Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen gab es seit dem Start der Impfungen bis Mitte November bei 1.360 Patienten einen zeitlichen Zusammenhang zwischen einem Spitalsaufenthalt und einer Covid-Impfung. Das bedeutet aber nicht, dass die Impfung Auslöser des Spitalsaufenthaltes war. Dem gegenüber stehen laut Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) über 61.500 Hospitalisierungen von Covid-Kranken seit Pandemiebeginn bis Ende September. 9.207 Schwerstkranke wurden auf Intensivstationen gepflegt.
Wie der Intensivmediziner Arschang Valipour Sonntagabend in der ZIB2 betonte, haben die Impfungen in Österreich bisher 6.000 Todesfälle und 20.000 Krankenhausaufenthalte verhindert.
Die aktuellen Zahlen aus Wien zeigen, dass 67,7 Prozent der Covid-Spitalspatientinnen und –patienten auf Normalstationen nicht vollständig geimpft sind, auf Intensivstationen sind 78,2 Prozent nicht vollständig geimpft.
Die Altersverteilung:
80-89 Jahre: 1 %
70-79 Jahre: 15 %
60-69 Jahre: 26 %
50-59 Jahre: 27 %
40-49 Jahre: 19 %
30-39 Jahre: 11 %
0-9 Jahre: 1 %
Auf den Intensivstationen in Wien werden derzeit 11 Patientinnen und Patienten aus anderen Bundesländern betreut (4 aus Salzburg, 4 aus NÖ, 2 aus dem Burgenland, 1 aus OÖ). Bei den Normalstationspatienten sind 22 aus anderen Bundesländern (17 aus NÖ, 4 aus dem Burgenland, 1 aus Kärnten).
Heuer 270 Anträge nach Impfschadengesetz
In Österreich regelt das Impfschadengesetz die Haftung des Staates bei Impfschäden. Bis 27. November wurden insgesamt 270 Anträge nach dem Impfschadengesetz nach einer Covid-19-Impfung gestellt. Drei Fälle wurden bis dahin abgewiesen, ein Antrag wurde zurückgezogen, die restlichen Verfahren seien noch offen.
Dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen wurden bis Mitte November 184 Todesfälle "in zeitlicher Nähe" zu einer Impfung gegen Covid-19 gemeldet. Bei zwei Fällen wird aufgrund der Entstehung von Thrombosen derzeit ein Zusammenhang mit der Impfung gesehen. Diese betreffen die seltene Nebenwirkung der Vektorimpfstoffe von Astra Zeneca und Janssen - eine spezielle Kombination von Thrombosen und einem Mangel an Blutplättchen -, die aber mittlerweile gut behandelbar sind.
Das speziell am Anfang der Impfaktion hauptsächlich hochbetagte Menschen geimpft wurden, "war damit zu rechnen, dass auch natürlich bedingte, das heißt nicht impf-bedingte gesundheitliche Ereignisse erwartungsgemäß auftreten." Natürlicherweise sterben von 1.000 Menschen im Alter von 80 und mehr Jahren 3,5 Personen innerhalb einer Woche nach der Impfung. Dieser Wert ist aber bei Geimpften und Ungeimpften gleich hoch. "Bei Geimpften ist diese Zahl in den Wochen nach der Impfung nicht höher, da gibt es also keine Auffälligkeit", sagt etwa die Virologin Judith Aberle von der MedUni Wien.
Größte Impfaktion aller Zeiten
Nebenwirkungen treten bei jeder Impfung auf - so auch bei der Corona-Schutzimpfung (mehr dazu). Falschbehauptungen über die Impfung haben zumeist als Intention, die Covid-Impfung als besonders gefährlich bzw. kaum wirksam darzustellen.
Regelmäßig tritt auch die WHO derartigen Gerüchten entgegen. Eine Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation WHO betonte Anfang Dezember gegenüber der Deutschen Welle, dass die Zahl der Meldungen möglicher Nebenwirkungen nicht mit der Zahl der Nebenwirkungen gleichzusetzen sei. Meldungen in den sozialen Netzwerken, wonach die Zahl der gemeldeten Nebenwirkungen sehr hoch sei - viel höher als bei Impfstoffen gegen andere Krankheiten - hält die Sprecherin entgegen, dass klar sei, dass für ein medizinisches Produkt, das viel häufiger genutzt wurde als andere Produkte, auch viel mehr potenzielle Nebenwirkungen gemeldet würden. Und bei der weltweiten Impfaktion gegen Corona handle es sich schließlich um die größte Impfaktion aller Zeiten.
Mehr als acht Milliarden Impfdosen wurden laut WHO bereits verabreicht - mehr als bei jedem anderen Impfstoff. Berücksichtige man dies, "sind die Berichte über mutmaßliche Nebenwirkungen von COVID-19-Impfstoffen nicht umfangreicher als bei anderen Impfstoffen". Setzt man die verabreichten Impfdosen in Relation, gebe es laut der Sprecherin sogar weniger Ereignisse.
Mehr Geimpfte - mehr Durchbrüche
Der Anteil von Corona-Infektionen mit Symptomen trotz Impfungen ist Mitte November bereits leicht zurückgegangen. Er war laut einem AGES-Bericht in den vier Wochen vor Mitte November auf knapp über 40 Prozent gestiegen. Zurückgeführt wird das auf die Auffrischungsimpfungen.
Zuletzt betonten Intensivmediziner mehrfach, dass Spitalsaufnahmen bei Personen mit einer dritten Impfung die Ausnahme seien und sich mit Grunderkrankungen der Betroffenen erklären lassen, aufgrund derer die Impfung schlechter wirkt.
"Es ist zu erwarten, dass es mit steigendem geimpften Bevölkerungsanteil auch zu mehr Impfdurchbrüchen kommt", heißt es bei der AGES. Wenn der Anteil der Geimpften in der Bevölkerung steigt, dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass unter den Personen, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren bzw. dann erkranken, Geimpfte sind. Impfdurchbrüche verlaufen nach Auskunft von Intensivmedizinern allerdings deutlich milder und kürzer, die Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme auf einer Intensivstation ist deutlich gering.
Der Virologe Florian Krammer betont, dass der Schutz vor Infektionen bei längerem Abstand zur zweiten Impfung zurückgeht, aber nicht der Schutz vor schweren Erkrankungen: "Und die dritte Impfung erhöht den Infektionsschutz wieder deutlich. Das ist der Grund, warum es zumindest bei der Delta-Variante kaum mehr zu Infektionen bei dreifach Geimpften kommt.“
Neue Studien aus Israel zeigen auch, dass die Zahl von Infektionen bei dreifach Geimpften deutlich geringer ist als jene von zweifach Geimpften und mit der dritten Impfung die jüngste Corona-Welle in Israel gebrochen werden konnte.
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