Öko-Test entlarvt Shein-Mode: Wie giftig ist Fast-Fashion?

Ein Kleid der Marke Shein.
Testergebnisse des deutschen Verbrauchermagazins sorgen für Stirnrunzeln bei Konsumentinnen und Konsumenten. Fachleute sehen sich in Warnungen vor Fast-Fashion-Riesen bestätigt. Shein nimmt unterdessen beanstandete Artikel aus dem Sortiment.

Billigmode ist in vielerlei Hinsicht bedenklich: ausbeuterische Arbeitsbedingungen, Qualitätsmängel, intransparente Unternehmensführung. Dass man sich damit sogar höchst giftige Chemikalien auf die Haut holen kann, legte am Donnerstag ein neuer Prüfbericht des Magazins Öko-Test offen (der KURIER berichtete).

Was hat man genau herausgefunden? Wie zahnlos sind Verbote und Grenzwerte innerhalb der EU im Kontext des globalen Handels? Und wie lässt sich Fast-Fashion-Kleidung umgehen, ohne die Geldbörse zu belasten?

Das deutsche Verbrauchermagazin hat sich 21 Kleidungsstücke des chinesischen Fast-Fashion-Anbieters Shein genauer angesehen. Die Ergebnisse sorgen bei so manchem Konsumenten für Naserümpfen: So fand man etwa in Sandalen nervengiftiges und reproduktionstoxisches Blei und verbotene Phthalate. Letztere werden als fortpflanzungsgefährdend eingestuft – stehen also im Verdacht, Fortpflanzungsorgane zu schädigen und hormonähnlich zu wirken.

In anderen Schuhen fand man im Labor einen ganzen Cocktail an Schadstoffen: mehrere polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Sie können Krebs erzeugen und sind deshalb in der EU verboten. Auch das Material besagter Treter ließ zu wünschen übrig: Bei einer regulären Belastungsprobe brach die Sohle. Kein begutachtetes Kleidungsstück – darunter auch Babykleidung, Mode für Teenager und Kunstlederprodukte – schnitt im Test besser als "ausreichend" ab.

Sabine Seidl von der Umweltberatung überrascht das Ergebnis nicht: Fast-Fashion sei in den meisten Fällen "unökologisch, unfair und ungesund", sagt sie. "In der Textilindustrie sind typischerweise viele Arbeitsschritte nötig, bis ein Produkt fertig ist. Das bedeutet auch, dass in der konventionellen Produktion viele Chemikalien eingesetzt werden, bis die Ware so aussieht, wie sie soll", erörtert Seidl. Das beginne beim Anbau der Fasern und deren Herstellung, gehe über den Einsatz von Färbungsmitteln bis hin zur Entfernung von Chemikalienrückständen mittels Lösungsmittel.

Zahnlose Verbote und Grenzwerte

Immer wieder wird diskutiert, was Verbote oder Grenzwerte für Toxine oder Chemikalien in der EU bringen, wenn über das Internet und den globalen Handel Produkte, die diesen Richtlinien nicht entsprechen, aus fernen Ländern problemlos eingeführt werden können. "Schätzungsweise 400.000 Pakete von Online-Versendern wie Shein kommen täglich in Deutschland an. Der Zoll am Frachtdrehkreuz im belgischen Lüttich kann nur in Stichproben überprüfen, ob die Produkte europäische Sicherheitsstandards einhalten oder gegen Chemikaliengrenzwerte verstoßen", heißt es dazu auf KURIER-Anfrage vonseiten Öko-Test. "Unser Test zeigt, dass die EU und auch nationale Kontrollbehörden hier aufgefordert sind, Waren und Artikel von auffällig gewordenen Anbietern engmaschiger zu kontrollieren."

Was die Erwachsenen-Schuhe aus dem Test betrifft, die gegen gesetzliche Grenzwerte verstoßen haben, hätten Verbraucherinnen und Verbraucher, die diese Artikel gekauft haben, die Option, "sie bei Shein mit einem Hinweis auf unseren Test zu reklamieren".

Fast-Fashion-Anbieter gibt es zudem wie Sand am Meer: Auch wenn man in deren Geschäften in Europa einkauft, könne man "nicht ausschließen", dass die Waren Bedenkliches enthalten. "Jedoch war die Qualität der Shein-Mode im Hinblick auf die gemessenen Schadstoffe auffällig schlecht", so das Team von Öko-Test

Shein nimmt beanstandete Waren aus Sortiment

Vonseiten des Unternehmens Shein heißt es unterdessen, man lege "großen Wert auf Sicherheit und Gesundheit aller Kunden". Zudem arbeite man mit "externen Prüfagenturen zusammen, um regelmäßige Produkttests durchzuführen und somit sicherzustellen, dass Lieferanten diese Standards einhalten". Dennoch nehme man die Ergebnisse von Öko-Test ernst. Man werde deshalb die beanstandeten Artikel aus dem Sortiment nehmen und weitere Untersuchungen anordnen.

Keine toxische Kleidung im Kleiderschrank

Was können Konsumentinnen und Konsumenten tun, um toxische T-Shirts und Co. zu umgehen – und sich trotzdem den Spaß an Mode nicht zu verwehren? "Die oberste Maxime ist, Kleidung so lange wie möglich zu tragen", sagt Seidl. Ramponierte Kleidungsstücke sollten repariert statt weggeworfen werden. "In Änderungsschneidereien können Produkte nicht nur größentechnisch angepasst werden. Lädierte Kleidung kann auch mit bunten Stickereien repariert werden." Tatsächlich erobert der Trend "Visible Mending", also das sichtbare Besticken und Stopfen, derzeit die Modewelt. "Es ist keine Schande mehr, etwas Geflicktes zu tragen, sondern ein stolzes Zeichen von Nachhaltigkeit."

Die Umweltberatung liefert mit ihrem Nachschlagewerk "Schickes Outfit! Neu? Ja, aber ökologisch!" einen Überblick über die gesamte textile Kette und gibt Tipps für umweltfreundliche Textilien. Auch Gütesiegel, die ökologische und faire Mode kennzeichnen, werden vorgestellt: umweltberatung.at/schickes-outfit-neu-ja-aber-oekologisch

Ökologische Mode kann viele Formen annehmen: biologisch, fair, aus recycelten Materialien, vegan oder aus zweiter Hand. Infos, wo man diese Mode bekommt und welchen Kriterien sie entspricht, hat die Umweltberatung hier zusammengefasst: umweltberatung.at/oekomode

Mode aus zweiter Hand sei "immer nachhaltiger als Neuanschaffungen". Wer unbedingt etwas Neues anschaffen will, sollte bei nachhaltigen Labels shoppen. "Es gibt inzwischen eine ganze Reihe nachhaltiger Modemarken, wo die Produkte mit Gütesiegeln zertifiziert und die Produktion der Ware von Anfang bis Ende kontrolliert wird." Zwar seien nachhaltige Kleidungsstücke oft teurer, "wenn ich es lange habe, ist es am Ende aber nicht viel kostenintensiver als mehrfach Produkte zu kaufen, die nach kurzem Tragen abgenützt sind". Seidl gibt jedenfalls zu bedenken, dass der Ressourceneinsatz auch bei Öko-Mode hoch sei. 

Für die Zukunft wünscht sich Seidl noch mehr Bewusstsein bei Konsumentinnen und Konsumenten, "dass sie mit dem Kauf von konventioneller Mode und einem übervollen Kleiderkasten ein fragwürdiges System stützen".

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