So wird die Schule nicht zum Corona-Brennpunkt
Die ersten vier Wochen der Sommerferien sind fast um – wie der Schulstart im September ablaufen soll, darüber ist noch wenig bekannt. Derzeit werde beraten, im August sollen Ergebnisse präsentiert werden, heißt es aus dem Bildungsministerium. Geplant ist eine zweiwöchige Sicherheitsphase, während der sich alle Kinder, Lehrer und Verwaltungspersonal dreimal wöchentlich mit Antigen- und PCR-Tests testen. Danach könnte es sein, dass nicht mehr getestet wird, auch über das Tragen von Masken werde in Abhängigkeit von der Infektionslage entschieden.
Fix ist, dass es ohne Maßnahmen nicht gehen wird. Ein Grund dafür sind Aerosole, die wir ausatmen und an denen Viruspartikel anheften können. "In einem geschlossenen Raum kann man sich die Anreicherung der Luft mit ausgeatmeten Aerosolen vorstellen wie Wassertropfen, die in eine Tasse fallen. Je mehr ich hineinfallen lasse, desto voller wird die Tasse. Wenn jemand infiziert ist, atmet diese Person auch Viren aus, die sich so im Raum verteilen", sagt Aerosolforscherin Bernadett Weinzierl von der Uni Wien. Anders als infektiöse Tröpfchen, die wir etwa beim Niesen ausstoßen, fallen Aerosole nicht zu Boden, sondern schweben im Raum.
Blick zu den Briten
Ein Blick nach Großbritannien, das uns hinsichtlich des Infektionsgeschehens oft etwa ein Monat voraus war, zeigt, dass Covid in den Schulen ein Thema ist: Innerhalb einer Woche stiegen die bestätigten Infektionen bei Schülern um rund 20 Prozent an. Jeder siebente Schüler fehlte vorige Woche im Unterricht – das sind rund eine Million Kinder und Jugendliche. Entweder, weil sie eine Kontaktperson (934.000) waren, selbst infiziert (47.000) oder, weil die Schule wegen Infektionsfällen geschlossen werden musste (35.000). In der Woche davor war es noch jeder Zehnte, der aufgrund von Covid-19 nicht kommen konnte. Bei den Lehrerinnen und Lehrern fehlte einer von 15.
Die Briten wollen nach ihren Sommerferien Lockerungen einführen. Ab Mitte August soll nicht mehr die ganze Klasse in Quarantäne müssen, wenn ein Fall auftritt. Stattdessen reicht für Klassenkollegen ein täglicher Test – ist er negativ, geht es in den Unterricht. Maskenpflicht und Abstandsgebote sollen abgeschafft werden, ebenso wie gestaffelte Anfangs- und Endzeiten.
Lockern trotz steigender Zahlen? Masken und Testen nur in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen? Geht das nicht ein wenig schnell, vor allem, da Kinder unter zwölf Jahren noch nicht durch Impfungen geschützt werden können?
Maßnahmen kombinieren
Aerosolexpertin Weinzierl spricht sich dafür aus, weiterhin möglichst viele Maßnahmen zu kombinieren. "Es geht nicht darum, welche Maßnahme am besten schützt, sondern mit jeder zusätzlichen Maßnahme geht das Risiko nach unten."
Weinzierl hält das Beibehalten der Masken im Unterricht für sinnvoll. "Sie wirken wie ein Filter und reduzieren die ausgeatmeten Partikel, dichtsitzende FFP2-Masken wirken sogar zweifach, sowohl für denjenigen, der ausatmet – er stößt weniger Partikel aus –, als auch für denjenigen, der einatmet – er atmet durch die Maske auch weniger Partikel ein", so Weinzierl. Bei Kindern sei ein häufiges Problem, dass die Masken nicht gut sitzen. "Es gibt keine Einheitsgröße für Kinder – vielmehr sollten verschiedene Masken hinsichtlich Dichtsitz probiert werden. Gutes Material bzw. FFP2 nützen nichts, wenn die Maske nicht gut sitzt."
Fensterlüftung reicht oft nicht aus
Eine weitere wichtige Maßnahme sei der Luftaustausch im Klassenraum, indem Fenster regelmäßig geöffnet werden. Durch das Lüften wird die Anzahl der Viren im Raum reduziert. Ideal ist dabei zwei diagonal gegenüberliegende Fenster bzw. Türen zu öffnen. Ist nur eine Öffnung möglich, kann ein Ventilator in der Tür, der nach außen bläst, den Luftaustausch verbessern.
"Unsere Erfahrung zeigt, dass in vielen Klassenräumen eine Fensterlüftung nicht ausreichend möglich ist, wodurch vor allem bedenkliche Aerosole nicht rasch genug nach außen befördert werden können", sagt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. In Klassenräumen, die schlecht gelüftet werden können, wären daher Luftreiniger nützlich. Unterschieden werden fix montierte Anlagen und mobile Geräte. Ein fixer Einbau von Luftfilteranlagen ist in Österreich derzeit nicht geplant. "In 6000 Schulen und 60.000 Klassenzimmern wird sich das nicht ausgehen", meinte Bildungsminister Heinz Faßmann gegenüber dem KURIER. Über die Anschaffung mobiler Geräte werde noch beraten.
Was Luftreinigungsgeräte können
Dass Luftfiltergeräte im Klassenzimmer Sinn machen, zeigt eine kanadische Studie: In Klassen mit Luftreinigungssystemen (sowohl mobil als auch fix verbaut) gab es drei bis vier Mal weniger Covid-19-Infektionen als in Klassen ohne. Die deutsche Stiftung Warentest kam in einem Test Anfang des Jahres zum Ergebnis, dass Luftfiltergeräte 90 Prozent aller Partikel aus der Luft filtern.
Aerosolexpertin Weinzierl gibt zu bedenken, dass Luftreiniger die Maske nicht ersetzen. Mobile Geräte können zudem laut sein. "Wenn ein zu lautes Gerät besorgt wird und dann wegen des Lärms nicht eingeschaltet werden kann, bringt es nichts." Je nach Raumgröße braucht es meist mehr als ein Gerät. Abhilfe können für die Raumgröße überdimensionierte Luftreiniger schaffen, sodass das Gerät nicht auf der höchsten Stufe betrieben werden muss und leiser ist.
Bisher wurden von Bund oder Ländern keine Luftreiniger für Bildungseinrichtungen angeschafft – außer auf Initiative von Eltern, Lehrern oder Gemeinden. Die Gemeinde Traiskirchen in Niederösterreich installierte etwa 100 geräuschlose Geräte für alle Klassen- und Gruppenzimmer in Schulen und Kindergärten – sie sind seit März im Einsatz.
CO2-Monitore für Schulen
Ein internationales Beispiel zeigt, dass auch eine großflächige Ausstattung möglich ist: In New York City werden bis September alle 56.000 öffentlichen Schulklassen mit je zwei Luftreinigern versorgt. Zum Vergleich: In Österreich gibt es rund 60.000 Klassenräume. Auch Turn- und Speisesäle, Gänge und andere Räumlichkeiten im Schulgebäude müssen bedacht werden. Experten schätzen die Kosten auf weniger als 180 Euro pro Schülerin oder Schüler.
Zusätzlich werden in New York allen Schulklassen CO2-Monitore zur Verfügung gestellt, um den Kohlendioxidgehalt im Raum zu messen – dies ist ein Indikator dafür, wie viel Frischluft zirkuliert. Weinzierl: "Nimmt der Anteil ausgeatmeter Luft in einem Raum zu, so steigt auch die Konzentration von CO2. CO2-Messgeräte melden, wenn der Wert zu hoch wird und erinnern so an das Lüften."
Eine Maßnahme, die derzeit in Österreich geplant ist, ist das Einrichten von Impfzentren an größeren Schulstandorten – sowohl für Kinder ab zwölf Jahren als auch deren Eltern. Eine Impfpflicht für Lehrer stehe laut Faßmann derzeit nicht zur Diskussion. All jene Schülerinnen und Schüler, die noch nicht geimpft werden können, sind jedenfalls auf die Kombination möglichst vieler Maßnahmen angewiesen.
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