"Ja", sagt Schlafforscherin Birgit Högl, "und zwar unabhängig von der Temperatur". Eine Siesta sei ein günstiges Instrument, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufmerksam und leistungsfähig zu halten. Vor allem jene, die unter der Woche zu wenig Schlaf bekommen, würden stark profitieren. Bei ihnen sei der "after-lunch-dip", das Leistungstief nach dem Mittagessen, besonders ausgeprägt. "Ihnen, aber auch anderen, könnte ein kurzes Schläfchen nützen", ist die Leiterin des Schlaflabors an der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie überzeugt.
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Physiologie arbeitender Menschen bedenken
Bei der Umsetzung müsse man differenziert vorgehen, sagt die Schlafexpertin. Dem schließt sich Karl Hochgatterer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin, an. "Es ist unumstritten, dass wir über die zunehmende Hitze und darüber, wie man Belastungen auf arbeitende Menschen reduzieren kann, reden müssen", sagt er.
Zum einen, da sind sich die Schlafforscherin und der Arbeitsmediziner einig, müsse bedacht werden, dass die heißesten Temperaturen des Tages oft erst lange nach dem Höchststand der Sonne – also am späten Nachmittag – auftreten. "Wenn man die Leute von 13:00 Uhr bis 13:30 Uhr schlafen lässt, ist nicht viel gewonnen", präzisiert Högl. Und fügt hinzu: "15 Minuten Büroschlaf mit dem Kopf am Schreibtisch sind keine echte Siesta, die den Namen verdient."
Um guten Schlaf zu ermöglichen, müsse es zum anderen kühl und dunkel genug sein, sagt Hochgatterer. Auch er verweist auf die Notwendigkeit passender Räumlichkeiten. "Am Bau gibt es Container-Lösungen, wo Arbeiter ihre Pausen verbringen und sich entwärmen können. Auch in der Industrie gibt es Zonen, wo man sich von der Wärmebelastung erholen kann."
Die Arbeit früher zu beginnen und zu beenden, sei laut dem Arbeitsmediziner aber durchaus sinnvoll. "Auf Baustellen ist das schon jetzt üblich", sagt er und plädiert für Flexibilität bei der Arbeitszeit an Hitzetagen.
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Hitze strapaziert das Herz-Kreislauf-System
Gerade, wenn man der Hitze direkt ausgesetzt ist, kommt es zu einer erheblichen Belastung des Herz-Kreislauf-Systems. "Der Körper muss die Hitze abführen, um ein stabiles Temperaturniveau zu halten, damit der Organismus lebensnotwendige Prozesse ausführen kann", sagt Hochgatterer. 37 Grad im Körperinneren, darauf sei der Körper ausgelegt. "Darüber und darunter gibt es nicht viel Spielraum, sonst drohen Schäden an Organsystemen bis hin zum akuten Infarkt oder – im extremsten Fall – Multiorganversagen."
"Physiologisch wäre es für Menschen sicher am besten, die Arbeitszeit bei sehr großer Hitze generell zu verlagern und verkürzen", betont auch Högl. Heißt: "Sehr früh anfangen und nur sechs Stunden arbeiten. Und dazwischen natürlich: Pausen im Schatten und viel trinken."
Schlaf und Körpertemperatur hängen zusammen
Hitze schadet auch dem erholsamen Nachtschlaf. "Schlaf und Körpertemperatur sind eng verknüpft", schildert Högl. Man schläft am besten ein, wenn die Körpertemperatur gerade am Abfallen ist, was meist in den frühen Nachtstunden der Fall ist. "Der Körper kann aber nur dann die Temperatur wirksam absenken, wenn er Wärme über die Blutgefäße in der Haut an die Umgebung abgeben kann."
Für den Schlaf bedeutet das: Wenn die Umgebung über 30 Grad hat, ist der Unterschied zu Körpertemperatur so gering, dass nicht mehr effizient Hitze abgeführt werden kann, und der Schlaf dadurch beeinträchtigt ist. Eine Siesta könne den Schlafbedarf laut Högl nur teilweise ausgleichen. "Aber es ist nicht die ideale Schlafenszeit wie zur Hauptschlafepisode nachts."
Kann eine Siesta auch schaden? "Grundsätzlich nicht", sagt Expertin Högl. Wer eine ausgiebige Siesta nicht gewöhnt ist, empfindet beim Aufwachen vielleicht eine besonders ausgeprägte Schlaftrunkenheit. "Manche sagen, sie seien dann noch kaputter als davor. Das könnte auch kulturell bedingt sein, denn in Spanien oder anderen Ländern mit Siesta-Kultur ist Schlaftrunkenheit nach dem Mittagsschlaf kein generelles oder andauerndes Problem, auch wenn er zwei Stunden dauert."
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