Möglich, aber selten
Doch wie wahrscheinlich ist dieser Ansteckungsweg überhaupt? "Nach derzeitigem Wissensstand ist das prinzipiell möglich, kommt aber sehr selten vor", schickt Heinz Burgmann, Facharzt für Innere Medizin und Leiter der Abteilung für Infektiologie am Wiener AKH / MedUni Wien, voraus. Es seien durchaus einige Covid-19-Krankheitsfälle dokumentiert, bei denen sich Menschen über die Augen per Schmierinfektion (indirekte Übertragung von Krankheitserregern durch Berührung eines Gegenstandes) oder via Aerosole (kleinste Tröpfchen in der Luft) mit Covid-19 angesteckt haben.
Über den Tränenkanal ist das menschliche Auge mit dem Nasen-Rachenraum verbunden. Laut dem deutschen Robert Koch-Institut waren in einer Studie bei drei (von 63 untersuchten) Patienten mit Covid-19 die Bindehautproben PCR-positiv. Mit PCR-Tests wird nach Virus-Erbgut gesucht. Dies sei jedoch kein Beleg, dass diese Gewebeschicht als Eintrittspforte fungieren kann. Burgmann: "Gesichert ist, dass bei SARS und MERS Infektionen verhindert werden konnten, wenn das Auge abgeschirmt wurde. Diese Belege lassen sich aber nicht ohne Weiteres auf SARS-CoV-2 übertragen."
Erfolgt eine Infektion über die Augen, kann parallel zu Covid-19 jedenfalls eine Entzündung der Bindehaut (Konjunktivitis) auftreten. "Die Entzündung ist in diesen Fällen manchmal der erste wahrnehmbare Hinweis auf das Vorliegen einer Erkrankung." Davon, der breiten Bevölkerung das Tragen von Schutzbrillen zu empfehlen, rät Burgmann ab: "Man muss bei der Risikobewertung stets medizinisches Personal vom Otto Normalverbraucher unterscheiden. In Spitälern, wo Corona-Patienten auf den entsprechenden Stationen behandelt, intubiert und beatmet werden, ist das Aerosol-Aufkommen naturgemäß beträchtlich. Hier war und ist der Schutz der Augen mit Schutzbrille Pflicht."
Infektiöse Tränen?
Forschende treibt auch die Frage um, ob bei Corona-Patienten ansteckendes Virusmaterial in der Tränenflüssigkeit nachweisbar ist.
Wissenschafter des National University Hospital in Singapur haben bereits zu Beginn der Pandemie entsprechende Untersuchungen durchgeführt: Für eine kleine Studie sammelte das Team Tränenproben von 17 Patienten ab dem Eintreten erster Beschwerden. Während des zweiwöchigen Krankheitsverlaufes konnten weder die Viruskultur noch Rückstände des Virus nachgewiesen werden. Für die Analyse entnahm man im gleichen Zeitraum auch Proben aus dem Nasen- und Rachenraum. Dort konnten Viren in großer Anzahl gefunden werden. "Inzwischen gibt es nicht wirklich weitere Belege dazu", sagt Burgmann. Denkbar sei, dass infektiöse Viruslast in den Tränen nur in einer bestimmten Phase der Erkrankung nachweisbar ist. PCR-Tests seien nur eine Momentaufnahme.
Zurück zum Auge als potenzielle Eintrittspforte für das Virus: Handelsübliche, locker sitzende (Sonnen)Brillen bieten Burgmann zufolge einen gewissen Schutz – ähnlich wie das bei Masken der Fall ist. Auch Visiere seien lediglich eine Kompromisslösung: "Sie sind sicherlich weniger effektvoll als ein gut sitzender Mund-Nasen-Schutz, aber für Menschen, die den ganzen Tag ihr Gesicht schützen müssen, durchaus eine tolerierbare Maßnahme."
Seuchenforscher Fauci merkte in seiner Stellungnahme abmildernd an, dass Augenschutzmaßnahmen nicht "allgemein empfohlen sind". Weitaus wesentlicher seien alltägliche Hygienemaßnahmen – und das Abstandhalten.
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