Körper im Stand-by-Modus
Warum genau das Sitzen nun so schädlich ist, wurde vielfach erforscht. Wenn wir uns nicht bewegen und die Muskeln nicht beanspruchen, schütten sie keine Myokine, also entzündungshemmende Botenstoffe, aus. Durch langes Sitzen fährt zudem der Stoffwechsel hinunter. Auch das Gehirn wird im Sitzen schlechter durchblutet und die Leistungsfähigkeit tangiert. Verkürzte Sehnen, Muskeln und Bänder oder Probleme mit den venösen Blutgefäßen sind auf Dauer mögliche Folgen.
Der Körper verfällt in eine Art Stand-by-Modus, fasst Sportmediziner Niebauer zusammen: „Er fährt hinunter wie ein Computer und wir vergessen zunehmend, dass wir ihn auch wieder hochfahren sollten.“ Wie macht man das nun am Besten?
Zunächst mit Aufstehen und Bewegen. Wie oft, ist in der Forschung umstritten. Eine kürzlich veröffentlichte US-Studie nennt fünf Minuten herumgehen alle halben Stunden als Ideal. Bei den Probandinnen und Probanden dieser Studiengruppe waren Blutdruck und Blutzucker im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich verringert. Doch auch kleinere „Aktivitätshäppchen“ wie eine Minute Gehen pro Stunde wirkten sich bereits leicht positiv auf die Blutzuckerwerte aus.
„Auf die Frage, wie oft man die Zeit im Sitzen unterbrechen soll, wird man nie die eine Antwort bekommen“, erklärt Niebauer. „Man kann nur überlegen, was insgesamt sinnvoll ist – und das ist natürlich mehr Bewegung, also öfter vom Schreibtisch aufstehen“ plädiert er. Berufsbedingten Vielsitzern empfiehlt Niebauer: telefonieren im Stehen, zum Arbeitskollegen gehen statt eine eMail verschicken oder ab und zu den Kopierer im anderen Stockwerk nutzen. Aber auch einen aktiven Arbeitsweg: zu Fuß gehen, mit dem Rad fahren oder weiter vom Arbeitsplatz parken.
Der Sportmediziner ist sogar während des KURIER-Interviews in Bewegung. Er läuft im Raum auf und ab, steht auf einem Bein, wechselt zwischendurch auf das Wackelbrett, schildert er am Telefon. „Das Gespräch ist meine Chance, mich ein bisschen zu bewegen“, sagt er. „Die muss ich nutzen.“
Gehtische
Ideen, um im Büroalltag besser in Bewegung zu kommen, gibt es zur Genüge. In der Pandemie wurden etwa Schreibtische mit integriertem Laufband, sogenannte Gehtische, gefragter. Gymnastikbälle und höhenverstellbare Bürotische sind in vielen Unternehmen längst Standard. Niebauer: „Natürlich soll man nicht acht Stunden auf einem Ball sitzen. Aber es geht um den Wechsel und darum, dass der Körper in Bewegung bleibt.“ Heißt: zwischendurch mit dem Fuß wippen, auf einem Bein stehen oder ein paar einfache Dehnübungen machen.
Und die gute Nachricht: Wer berufsbedingt überhaupt keine Bewegung unterbringen kann, kann das in der Freizeit ausgleichen. „Wer eine Stunde pro Tag körperlich aktiv ist, hat das Frühsterblichkeitsrisiko, das man durch das Sitzen angesammelt hat, wieder ausgeglichen.“
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