Die gute Nachricht: Jeder kann seine körperliche und vor allem die psychische Widerstandskraft (Resilienz) stärken. „Die allerwichtigste Maßnahme ist das Gefühl, etwas gestalten zu können und eben nicht ausgeliefert zu sein“, erklärt Lalouschek. Der Berliner Psychologe und Journalist René Träder vergleicht Resilienz im KURIER-Gespräch mit dem Immunsystem. „Das körperliche Immunsystem wird von Viren und Bakterien angegriffen, das psychische Immunsystem von Krisen und Schicksalsschlägen – trainieren kann man beides.“
Werkzeuge gegen Dauerstress
Um dem Dauerstress entgegenzuwirken, braucht man Werkzeuge. Lalouschek hat während des Lockdowns mit seinem Team ein Programm konzipiert, das Körper, Psyche und auch Immunsystem trainiert. „Wir haben gezielt geschaut, welche Maßnahmen wissenschaftlich erwiesen sind und innerhalb von wenigen Wochen wirken. Damit ist es möglich, das Immunsystem und die sonstige Widerstandskraft um 50 Prozent zu steigern.“
Es ist auf 21 Tage ausgelegt. Eine Zeit, die zur Implementierung neuer Lern-Inhalte ideal – und für den Einzelnen überschaubar – ist. Bisher wurde es von Unternehmen für ihre Mitarbeiter genutzt, eine Ausweitung auf Einzelpersonen ist geplant (Info: www.gesundheitszentrum.thetree.at/my21)
Wissen um den Nutzen
Das Wichtigste: „Der Einzelne muss wissen, warum er etwas tut, es muss für ihn greifbar sein. Menschen brauchen immer auch eine Begründung.“ Ein Beispiel: Jeder weiß, dass man ausreichend schlafen sollte. „Wenn man weiß, dass wichtige Abwehrzellen des Immunsystems nur in den Tiefschlafphasen gebildet werden, wird aus einer banalen Aussage eine aktive, gesundheitserhaltende Maßnahme. Etwas, das ich selbst beeinflussen kann.“
Was körperliche Aktivität bewirkt, illustrieren Studien zur fernöstlichen Bewegungslehre Taj Chi: 90 Minuten wöchentlich erhöhen den Spiegel an Immunzellen deutlich. Ein weiterer Grund, körperlich aktiv zu werden: „In einer gut ausgebildeten Muskulatur werden vermehrt Stoffe gebildet, die entzündungshemmend wirken.“
Und, was die Ernährung betrifft: Offenbar hat intermittierendes Fasten (z. B. 16 Stunden fasten, acht Stunden essen) mehr Effekte auf das Immunsystem als andere Diäten. „Damit habe ich mehr in der Hand, als nur zu wissen: Ich soll mich gesund ernähren“, erklärt Lalouschek.
Ähnlich argumentiert Psychologe Träder. „Es ist eine wichtige Erkenntnis für mehr Resilienz: Manches kann und weiß man bereits, das ist schon Krisenkompetenz.“ Er plädiert dafür, „ins Handeln zu kommen, denn neue Erfahrungen sowie die damit einhergehenden Erfolgserlebnisse sind ein Motor für die Widerstandskraft.
Die übrigens tief in uns verankert ist. Ob Steinzeitmenschen oder die Kriegsgeneration: „Wir stammen von Menschen ab, die stark waren und Lösungen suchten“, sagt Träder. Warum manche resilienter zu sein scheinen, liegt in einer Mischung aus Genetik und frühkindlichen Erfahrungen – und der erwähnten Lösungsorientiertheit.
Wo habe ich Spielraum?
„Als Erwachsener kommt man drauf, dass man die beiden ersten Faktoren nicht verändern kann. Auch an Corona kann der einzelne nichts ändern. Im Hier und jetzt kann man Denk- und Verhaltensgewohnheiten verändern. Man kann immer nur im Kleinen anfangen.“ Davon handelt sein neues Buch (siehe unten), das eher zufällig ein „Corona-Buch“ wurde. „Die erste Frage in jeder Krise ist immer: Wo habe ich noch Gestaltungsspielraum? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man von der Mischung aus positiven Gedanken und Handeln am meisten profitiert.“
Dieser Benefit wirkt nicht nur auf körperlicher oder psychischer Ebene, darüber sind sich Lalouschek und Träder einig. „Die Trennung von Psyche und Körper ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Träder. Wer jetzt etwa mehr spazieren geht, sorgt nicht nur für körperliche Bewegung. Die Eindrücke, Geräusche und Gerüche wirken auch positiv auf die Psyche.
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