Mit jährlich 1,4 Millionen Neuerkrankungen ist Prostatakrebs die häufigste Krebsart weltweit. Auch in Österreich führt das Prostatakarzinom die Krebsstatistik an – im Jahr 2023 wurden 7.485 Fälle diagnostiziert.
"Wir erwarten bis 2040 eine Verdopplung der globalen Erkrankungszahlen", sagt Shahrokh Shariat, Leiter der Abteilung für Urologie an der MedUni Wien sowie des Comprehensive Cancer Center Wien (CCC).
Gute Heilungschancen
Früh erkannt, sind die Heilungschancen außerordentlich hoch. "Heute steht uns eine breite Palette an Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, sodass wir individuell auf die Bedürfnisse unserer Patienten eingehen können", erklärt Shariat.
Noch entscheidender sei jedoch, dass es gar nicht erst zur Erkrankung kommt. Wie wirkungsvoll organisierte Krebsvorsorge sein kann, belegen aktuelle Daten aus den USA: In den vergangenen 45 Jahren konnten durch Prävention, Screening und moderne Therapien schätzungsweise 5,94 Millionen Krebstodesfälle verhindert werden. Laut einer in JAMA Oncology veröffentlichten US-Studie sind vier von fünf geretteten Leben auf Screening-Programme zurückzuführen, die sich als effektivste Methode zur Senkung der Krebssterblichkeit erwiesen haben.
Die Bedeutung der Früherkennung von Prostatakrebs verstärkt sich, weil keine eindeutigen Lebensstilfaktoren bekannt sind, die das Risiko beeinflussen. Während ein Rauchstopp das Lungen- oder auch Blasenkrebsrisiko senkt, gibt es keine gesicherten Erkenntnisse über präventive Maßnahmen gegen Prostatakrebs. Sicher ist: Das Alter ist der größte Risikofaktor. Die meisten Diagnosen betreffen Männer um die 72 Jahre, doch auch Jüngere, teils unter 50, können erkranken.
Vorsorge nach Zufall
Shariat fordert deshalb ein organisiertes Prostatakrebs-Screening, bei dem Männer zwischen 45 und 70 gezielt zum PSA-Test eingeladen werden, wie es bei der Mammographie der Fall ist. "Derzeit gibt es in Österreich nur ein opportunistisches Screening – ob jemand zur Vorsorge geht, bleibt dem Zufall überlassen." Dieses System begünstige vor allem wohlhabendere und besser gebildete Männer, während sozial benachteiligte Gruppen unversorgt bleiben.
Ein strukturiertes Programm hat noch mehr Vorteile: Eine frühzeitige Erkennung spart hohe Kosten für aufwendige Spätbehandlungen und der Einsatz von PSA-Tests, MRT und Biopsien wird effizienter gesteuert, womit Übertherapie vermieden werden kann. Damit sind Behandlungen gemeint, die medizinisch zum Zeitpunkt der Diagnose nicht zwingend erforderlich sind und den Patienten unnötig belasten.
Hier ist zunächst ein abwartendes Vorgehen angezeigt – die sogenannte aktive Überwachung. Dieses Konzept zielt darauf ab, eine potenziell heilende Behandlung erst dann einzuleiten, wenn der Tumor wächst oder der Patient es wünscht. Shariat: "Gerade bei älteren Menschen, die sich noch viele Lebensjahre ohne anstrengende Therapie wünschen, kann diese engmaschige Beobachtung die bessere Option sein."
Diagnoseweg einhalten
Grundvoraussetzung ist die konsequente Einhaltung des diagnostischen Ablaufs, wobei wir wieder beim organisierten Screening sind. Zunächst wird der PSA-Wert bestimmt, der das weitere Vorgehen vorgibt. Bei einem auffälligen Wert folgt eine MRT-Untersuchung. Zeigt diese verdächtige Veränderungen, klärt eine Biopsie, ob tatsächlich ein Tumor vorliegt. "Die Studienlage empfiehlt eine Kombination aus PSA-Test und MRT bei auffälligen Werten. Nur so lassen sich Überdiagnosen und Übertherapien reduzieren", bestätigt Shariat und betont: "Die notwendige Infrastruktur ist in Österreich vorhanden – es fehlt nur noch das ,Go’ der Regierung."
Das lässt auf sich warten. Der Nutzen eines organisierten Prostatakrebs-Screenings würde von der Politik nicht erkannt – und das, obwohl die EU eine schrittweise Einführung solcher Programme empfiehlt und eine Datenlage zur Durchführbarkeit fordert.
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