Pflege: Wie Corona Angehörige von Demenzerkrankten belastet

Senior man in a wheelchair at the hospital
66 Prozent der pflegenden Angehörigen sind während Corona-Krise überfordert. Volkshilfe-Direktor Fenninger fordert Einbindung von Pflegeorganisationen in Krisenstäbe der Regierung.

Die Corona-Krise hat für pflegende Angehörige, insbesondere von Demenzerkrankten, starke Belastungen gebracht. Laut einer am Mittwoch vorgestellten Volkshilfe-Umfrage klagten 66 Prozent der befragten Angehörigen über Überforderung. Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger forderte eine bessere Vorbereitung auf den Herbst und eine Einbindung der Pflegeorganisation in die Corona-Krisenstäbe der Regierung.

Laut der von Volkshilfe-Mitarbeitern durchgeführten Umfrage unter 100 direkt Betroffenen gaben 72 Prozent der befragten pflegenden Angehörigen von Demenz-Erkrankten an, dass die Corona-Krise Auswirkungen auf ihre Pflege- und Betreuungssituation gehabt hatte. 77 Prozent mussten ihren Familienalltag umstellen, 78 Prozent wurden zeitlich noch mehr in Anspruch genommen. Während der ersten Welle der Ausgangsbeschränkungen wurde (wegen der Sorge vor Ansteckungen) von 44 Prozent auf Unterstützung durch andere Familienmitglieder verzichtet.

Zusätzliche Belastung

"Durch den Lockdown sind diese Menschen noch zusätzlich belastet worden", sagte Volkshilfe-Präsident Ewald Sacher bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Fenninger. So seien etwa ergänzende Angebote wie Tagesbetreuungseinrichtungen geschlossen, Nachbarschaftshilfe durch Vorsichtsmaßnahmen stark reduziert worden. "Auch therapeutische Betreuung ist ausgefallen, wie Ergo- oder Physiotherapie." Auch bei der Beschaffung von Schutzbekleidung seien pflegende Angehörige auf sich allein gestellt gewesen.

Die Umfrage habe klar gezeigt, dass sich das Betreuungsnetz für demenziell Erkrankte bzw. deren pflegende Angehörige durch die Corona-Krise ausgedünnt habe, sagte Fenninger. So gaben etwa 32 Prozent an, dass die Pflegebedürftigen keine Therapien mehr erhalten haben. Tageszentren konnten von 15 Prozent nicht mehr besucht werden, 16 Prozent verzichteten auf mobile Dienste, auch oft aus Sorge vor Ansteckungen, wie Fenninger erörterte. 19 Prozent erhielten keine Unterstützung durch Heimhilfen mehr.

Betreuungsmodelle weiterführen

"Wir dürfen Angehörige nicht mehr so alleine lassen, wie wir es jetzt getan haben", sagte er angesichts der Umfrage-Ergebnisse. Von der Politik erwartet sich Fenninger künftig eine bessere Einbindung der Betroffenen und auch der "Experten des Alltags", nämlich den professionellen Betreuungskräften bzw. der Pflegeorganisationen. Diese müssten in die Corona-Krisenstäbe integriert werden, so die Forderung.

Sollte es wieder zu einem Ansteigen der Corona-Fälle im Herbst kommen, müssten alle Betreuungsmodelle weiter angeboten werden "und nicht zurückgefahren werden" wie zu Beginn der Krise. Auch verlangt Fenninger einen erweiterten Rechtsanspruch auf Pflegekarenz für pflegende Angehörige.

Frauen leisten Großteil der Care-Arbeit

Sacher verwies auch darauf, dass von der Betreuung Angehöriger vor allem Frauen betroffen sind. Von den 100 Befragten seien 70 Prozent weiblich gewesen, davon sei rund die Hälfte berufstätig. 16 Prozent hätten angegeben, dass sich ihre Erwerbssituation "grundsätzlich noch einmal dramatisch verändert hat, weil sie durch die Pflege ihrem Beruf nicht mehr nachgehen können".

Von der von der Regierung für Herbst angekündigten Pflege-Reform erhofft sich Fenninger eine grundsätzliche Verbesserung in diesem Bereich. Auch bei diesem Prozess fordert er eine Einbindung der Betroffenen. Am kommenden Montag endet eine Online-Umfrage ("digitaler Beteiligungsprozess"), mit dem die geplante Reform eingeleitet werden soll. Unter http://go.apa.at/U1mEFJ5C sind Betroffene eingeladen, ihre Erfahrungen hinsichtlich der Stärken und Schwächen des aktuellen Pflege- und Betreuungssystems in Österreich zu schildern.

Kommentare