Omikron: Wie berechtigt ist die Hoffnung auf mildere Krankheitsverläufe?
Von "zwei Dingen zur Zuversicht" schrieb der künftige deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach noch vor seiner Ernennung auf Twitter: "Mit Schnelltests ist Omicron erkennbar. Mit Boosterimpfung ist schwerer Verlauf fast sicher vermeidbar. Daher sind wir auf dem richtigen Weg. Selbst falls Omicron kommt."
Doch gibt es wirklich Anlass zur Zuversicht? Und welche neuen Erkenntnisse gibt es zu Omikron?
Ein erster Bericht der südafrikanischen medizinischen Forschungsorganisation "South African Medical Research Council" über Spitalsaufnahmen im Großraum um die Hauptstadt Pretoria (Tshwane) zeigt einen "exponentiellen Anstieg" der Fälle in den vergangenen Wochen. Waren es in der am stärksten betroffenen Provinz Gauteng vom 21.11. bis 27.11. 8.569 Fälle, stieg diese Zahl in der darauffolgenden Woche 48 (28.11. bis 4.12.) auf 41.921.
"Die wichtigste Beobachtung der vergangenen zwei Wochen ist, dass die Mehrheit der Covid-Patienten keinen Sauerstoff benötigt", heißt es in dem Bericht. Doch die Autoren betonen auch, dass es sich um eine Momentaufnahme aus den ersten beiden Wochen der neuen Welle handelt.
Von 42 Patienten am 2. Dezember waren 70 Prozent (29) nicht sauerstoffpflichtig. Dies sind hauptsächlich "Zufallsdiagnosen", die Spitalsaufnahme erfolgte ursprünglich aus anderen Gründen als Covid.
In vorangegangenen Covid-Wellen sei das anders gewesen: Da sei die Mehrheit der Covid-Patienten immer mit Sauerstoff versorgt worden.
Eine weitere Erkenntnis: Von 38 Patienten waren sechs geimpft, 24 ungeimpft und bei acht war der Impfstatus unklar. Von neun Patienten mit Lungenentzündung waren acht ungeimpft, ein Patient war ein Kind. "Nur ein vollständig geimpfter Patient benötigte Sauerstoff, aber der Grund dafür war die chronische Lungenerkrankung COPD", steht in dem Bericht.
Die Auswertung der Daten von 166 Patienten zeigte, dass 80 Prozent jünger als 50 Jahre alt waren. Knapp 20 Prozent waren Kinder bis neun Jahre. Trotz des starken Anstiegs der Covid-Infizierten konnte bisher kein Anstieg der Sterbezahlen festgestellt werden. Die Autoren unterstreichen aber, dass es noch zu früh für abschließende Befunde sein könnte.
Auffällig war außerdem eine deutlich kürzere Aufenthaltsdauer der Spitalspatienten in den vergangenen zwei Wochen (2,8 Tage im Schnitt) im Vergleich zu dem Mittelwert der vergangenen 18 Monate von 8,5 Tagen.
"Die Zahl der Infektionsfälle mit Omikron scheint sich bisher nicht in eine Zahl von Spitalsaufnahmen umzusetzen, wie wir sie bei ähnlichen Fallzahlen mit der Alpha oder anderen Varianten erwarten würden", wird Francois Balloux vom University College in London im Guardian zitiert. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden bis jetzt auch noch keine Todesfälle im Zusammenhang Omikron berichtet.
Für Entwarnung ist es zu früh
Doch für eine Entwarnung ist es definitiv zu früh: In Großbritannien verdoppelt sich derzeit, trotz hoher Impfquote, der Anteil der Omikron-Fälle alle drei Tage. Als sich Delta in Großbritannien auszubreiten begann, betrug die Verdoppelungszeit fünf Tage.
Tom Wenseleers, Evolutionsbiologe an der Katholischen Universität von Leuven, Belgien, schätzt, dass Omikron in derselben Zeit drei bis sechs Mal so viele Menschen infizieren kann wie Delta. "Das ist ein großer Vorteil für das Virus, aber nicht für uns", erzählte er dem Magazin Nature.
Und, was sich auch immer klarer zeigt: "Von dem, was wir bisher wissen, können wir ziemlich sicher davon ausgehen, dass Omikron im Vergleich mit anderen Varianten Genesene besser neuerlich infizieren kann", sagt Balloux.
Trotzdem sind die meisten Forscher zuversichtlich, "dass es extrem unwahrscheinlich ist, dass Omikron dem Impfschutz komplett ausweichen kann", betont Peter Openshaw vom Imperial College London. Um das genaue Ausmaß des Schutzes der Impfungen gegen Omikron bestimmen zu können, seien noch mehr Daten notwendig. Ähnlich äußerte sich auch der österreichische Impfstoff-Forscher Florian Krammer. Und auch US-Experte Anthony Fauci spricht von "ermutigenden Signalen".
Die bisher beobachteten vorherrschenden milderen Krankheitsverläufe mit Omikron könnten die Zahl der Spitalsaufenthalte in einer neuerlichen Welle reduzieren. Andererseits könnte die raschere Ausbreitungsgeschwindigkeit erst recht wieder die Spitäler unter Druck bringen – einfach, weil es in kürzerer Zeit mehr Infizierte gibt und dadurch dann doch insgesamt mehr schwere Krankheitsverläufe gleichzeitig auftreten würden.
Und: Noch sind die Infizierten hauptsächlich jüngere Menschen gewesen. "In den vergangenen Monaten ist das Virus vor allem unter den jüngeren Altersgruppen zirkuliert", sagt Rowland Kao von der Universität Edinburgh. Doch das könnte sich ändern – und sollte der Immunschutz der Impfungen deutlich geringer sein, könnte das trotz der höheren Durchimpfungsrate bei den Älteren zu einem Problem werden.
Trotzdem besteht auch Grund für einem optimistischen Ausblick: "Höhere Infektiosität und schwerere klinische Verläufe treten nicht notwendigerweise gemeinsam auf", schreibt die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl in der Virusepidemiologischen Information. "Denn Viren optimieren sich primär über ihre Fähigkeit zur möglichst effizienten Infektion. Daher besteht bei jeder neuen Variante auch theoretisch die Möglichkeit und die Hoffnung, dass sie vielleicht zwar ansteckender ist als die aktuell dominante Variante, aber zu weniger schweren Infektionsverläufen führen könnte."
Kommentare