Der neue Wirkstoff setzt an einem Protein namens PCSK9 an, das am Fettstoffwechsel beteiligt ist und LDL-Cholesterin im Blut erhöht. „Der Ansatz des Medikaments ist, die Produktion dieses Proteins zu verhindern“, sagt Walter Speidl von der Klinischen Abteilung für Kardiologie, MedUni Wien. Die sogenannte siRNA enthält die gegenteiligen Nukleinsäuren. „Dadurch wird die körpereigene RNA gelöscht, das Protein wird nicht mehr in der Leber produziert.“ Das sei der umgekehrte Effekt der Covid-Impfstoffe, wo der Körper durch die RNA in der Impfung im Oberarmmuskel selbst das Spike-Protein des Corona-Virus produziert. So wird das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern angeregt.
Für die Patienten heißt das konkret: „Die Leberzellen können deutlich mehr LDL-Cholesterin aufnehmen und verarbeiten, wodurch weniger ins Blut gelangt und weitere gefährliche Ablagerungen in den Gefäßwänden verhindert werden“, ergänzen die Kardiologen Klaus Distelmaier und Konstantin Krychtiuk, MedUni Wien.
Eingesetzt wird das Präparat routinemäßig vorerst bei Risikopatienten mit gestörtem Fettstoffwechsel. Dazu zählen etwa Patienten, die bereits gefäßkrank sind – also Herzinfarkte oder Schlaganfälle erlitten haben. Sie sind auf Medikamente angewiesen. „Wenn bereits ein Infarkt oder Schlaganfall aufgetreten ist, kann das LDL-Cholesterin nicht mehr allein durch Ernährung gesenkt werden“, erklärt Speidl. Ebenso zählen Personen mit vererbtem hohen Cholesterinspiegel zum Patientenkreis.
„Die Therapie kommt zusätzlich zur Standardtherapie, wie zum Beispiel Statinen, zur Anwendung“, betont Speidl. Auch für jene, die Statine nicht vertragen, sei der neue Wirkstoff eine Alternative, den Cholesterinspiegel zu senken.
Risikopatienten
Die ersten Patienten, die die Spritze als erste Menschen weltweit im Wiener AKH erhielten, zählen genau zu diesen Hochrisikogruppen: EEin 61-Jähriger, der bereits eine Bypass-OP hatte, verträgt keine Statine.Der zweite Patient ist erst 35 Jahre alt, leidet aber an angeboren hohem Cholesterin. „Beide sind sehr erfreut und vertragen das Präparat sehr gut.“
Es werden mehr Patienten damit behandelt. „Ab jetzt wenden wir es routinemäßig an.“ Derzeit verhandelt der Hersteller, die Pharmafirma Novartis, noch mit der Sozialversicherung über eine Kostenübernahme. Speidl ist da zuversichtlich. Übers Jahr gerechnet sei die Therapie von den Kosten her gleich oder sogar günstiger als eine seit einigen Jahren zugelassene, ähnliche Antikörpertherapie für schwer Gefäßkranke.
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