Neue Marathon-Bestzeit: Welche Rekorde sind noch möglich?
Zwei Stunden, eine Minute, neun Sekunden. Mit dieser Zeit erreichte der Kenianer Eliud Kipchoge am Sonntag einen neuen Weltrekord. Beim Berlin-Marathon verschob der Ausnahmeläufer die bisherige Grenze dessen, was für den menschlichen Körper als möglich galt. Kipchoge läuft mit 21 km/h – eine Geschwindigkeit, die die meisten Menschen nicht einmal beim Radfahren erreichen. Ist eine noch bessere Zeit beim Marathon überhaupt möglich?
Ja, meint Sportmediziner und Marathon-Arzt Robert Fritz optimistisch. "Vor fünf Jahren hätten die meisten Experten wahrscheinlich Nein gesagt. Jetzt fehlt nur noch eine Minute auf die magische Grenze von zwei Stunden. Es ist schwer zu sagen, ob es eine körperliche Grenze gibt – ich glaube nicht, dass man das messen kann", sagt Fritz.
Alter kein Nachteil
Schon einmal lief Kipchoge die 42,195 Kilometer in einer Stunde und 59 Minuten, allerdings unter künstlichen Bedingungen. Im Rahmen eines Großexperiments 2019 in Wien mit eigens vorbereiteter Strecke, 20 wechselnden Tempomachern und im Windschatten eines Elektroautos. Im regulären Bewerb mit weiteren Teilnehmern schaffte er es bisher nicht - noch nicht. Trotz seines Alters von 37 Jahren ist dies nach wie vor sein Ziel. Sein Credo: No human is limited (deutsch: Kein Mensch hat Grenzen).
"Das Alter ist bei Ausdauersport kein Nachteil. Er kennt seinen Körper in- und auswendig, die vielen Trainingsjahre und die Erfahrung unterstützen ihn. Das gilt auch für Hobbysportler – man kann auch in höherem Alter noch einen Marathon, Halbmarathon oder eine Zehn-Kilometer-Distanz laufen“, betont Fritz. Anders sei dies bei Sportarten mit kurzer Spitzenbelastung, etwa einem 200-Meter-Sprint. Hier seien jüngere Sportler klar im Vorteil.
Noch Rekordpotenzial
Während im Sprint und anderen Leichtathletik-Sportarten seit Jahren kaum mehr Rekorde gebrochen werden, gilt der Langstreckenlauf noch als Sportart mit Rekordpotenzial. Das liegt nicht nur an der menschlichen Leistungsfähigkeit, sondern auch an Einflussmöglichkeiten wie Tempomachern, die Profiläufern Windschatten bieten - Kipchoges Pacemaker in Berlin konnten sein Tempo nicht durchgängig halten, hätten sie dies geschafft, hätte er möglicherweise eine noch bessere Zeit erreicht -, Wetterbedingungen sowie Streckenverläufe, die besser oder schlechter sein können. So gilt Berlin als gute Marathonstrecke, da sie wenig Höhenmeter aufweist, zudem war es am Sonntag kühl, aber nicht nass oder windig - ebenfalls ein Vorteil.
Weltweit schaffen nur die besten fünf Prozent aller Läufer einen Marathon in weniger als drei Stunden. Elite-Männer kommen im Schnitt auf zwei Stunden und fünf Minuten, bei den Frauen sind es im Schnitt zwei Stunden und 22 Minuten. Die weltweite Durchschnittszeit für Laien liegt bei vier Stunden und 21 Minuten. Die Kunst sei, sich die Kraft richtig einzuteilen und nicht zu schnell anzufangen.
Profis wie Kipchoge trainieren zudem nicht nur zu laufen, sondern auch Alternativsport, um den Körper nicht zu überfordern. "Für Kipchoge ist ein Marathon eine Belastung von 'nur' zwei Stunden. Wenn er gut auf seinen Körper aufpasst, kann er das noch lange machen", meint Fritz.
Herzmuskelentzündungen
Um die Gesundheit des Profis macht sich der Mediziner jedenfalls keine Sorgen. "Auch im Hobbysport sind Zwischenfälle bei Laufveranstaltungen meist auf Erkrankungen zurückzuführen, die schon bestanden haben. Das einzige, das man nicht machen darf, ist krank zu trainieren, etwa bei Fieber." Wer dies doch tut, riskiere Herzmuskelentzündungen. "Herzmuskelentzündungen passieren im Alltag aber häufiger als im Sport, etwa, wenn ich nicht fit bin und krank der Straßenbahn nachlaufe. Wer gut trainiert ist, für den ist der Alltag keine körperliche Herausforderung, zudem senkt regelmäßiger Sport das Stresslevel und das Risiko für jegliche Erkrankung", so Fritz.
Wer durch die Spitzenzeit des Profis jetzt motiviert ist, selbst einen Marathon oder eine Variante davon zu laufen, kann noch mit dem Training für den nächsten Wien-Marathon starten. Sportarzt Fritz rät zu sechs Monaten Vorbereitung. Wenn man schon regelmäßig Sport betreibt, genüge auch etwas weniger.
Wichtig sei, sich einen Trainingsplan zu machen. "Für den ersten Marathon empfehle ich, sich keinen Druck mit einer Zeit zu machen. Man sollte aber einen Plan haben – die intensive Belastung eines Marathons ist völlig ungefährlich, wenn man gut vorbereitet ist.“ Läufer wie Kipchoge, die nach der Ziellinie nicht entkräftet zu Boden gehen, sondern mit einem Lächeln, seien die ideale Motivation.
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