Irrer Weltrekord von Kipchoge: Der Läufer von einem anderen Stern
„Schmerzen“, so sagte Eliud Kipchoge vor dem Rennen in Berlin, „Schmerzen gehören zum Leben dazu. Und zum Marathon ganz besonders.“ Ohne Schmerzen sei ein Lauf über die 42,195 Kilometer nicht zu bewältigen, schon gar nicht in diesem Tempo.
Doch der 37-jährige Kenianer scheint mit den Qualen umgehen zu können wie kaum ein anderer. Elegant und ökonomisch ist sein Laufstil; stets wach wirken die konzentriert nach vorne gerichteten Augen; es scheint, als würde er noch bei Höchsttempo ein Lächeln auf den Lippen tragen.
In kaum für möglich gehaltenen 2:01:09 Stunden stürmte Kipchoge am Sonntag in Berlin zu seinem nächsten Weltrekord. Seine alte Bestmarke unterbot er dabei gleich um eine halbe Minute.
Als sein zweitplatzierter Landsmann Mark Korir mit der immer noch hervorragenden Zeit von 2:05:58 ins Ziel kam, hatte Kipchoge bereits seine Freunde umarmt, die Ehrenrunde gedreht und erste Interviews gegeben.
„Ich bin so froh über meine Vorbereitung, das Team um mich herum, und auch das neue Material hat funktioniert“, sagte Kipchoge nach seinem Rekordlauf. Auf die Frage, ob er nach Berlin zurückkehren wolle, um die Grenze von zwei Stunden anzugreifen, bat er, das an einem anderen Tag zu besprechen. „Ich muss erst einmal realisieren, was passiert ist, dann sehen wir weiter.“
Vor drei Jahren hatte der Ausnahmekönner dieses Kunststück schon geschafft. Der Lauf in Wien war allerdings kein offizieller Marathon und wurde mit wechselnden Pacemakern absolviert. Die Zeit von 1:59:40 Stunden gilt deshalb nicht als Weltrekord.
Bei starker Bewölkung, milden Temperaturen und Windstille in Berlin lief die Spitzengruppe in einem Höllentempo los. An der Halbmarathon-Marke kam das Führungsduo hinter den Tempomachern nach kaum zu fassenden 59:51 Minuten vorbei – es schien sogar die 2-Stunden-Marke in Gefahr zu sein. Doch der letzte Helfer stieg nach gut 25 Kilometer aus. Kipchoge war von da an auf sich alleine gestellt, lief unterstützt von Hunderttausenden euphorischen Zuschauern nur noch gegen die Uhr. Ganz konnte er das Tempo dann doch nicht halten, seinen bisherigen Weltrekord unterbot er dennoch mehr als deutlich.
Sieggarant
Für Kipchoge war es der insgesamt vierte Erfolg beim Berlin-Marathon, damit ist er nun gemeinsam mit dem Äthiopier Haile Gebrselassie Rekordsieger beim größten deutschen City-Lauf. In seiner gesamten Karriere hat Kipchoge nur zwei Marathonläufe NICHT gewonnen.
Eine starke Leistung zeigte auch der Österreicher Peter Herzog. In 2:12:16 Stunden landete der ÖLV-Marathon-Rekordhalter (2:10:06) auf dem 21. Rang.
Auch das Frauen-Rennen in Berlin war ein schnelles. Die Äthiopierin Tigist Assefa sorgte für die drittbeste je gelaufene Frauen-Zeit. Die 28-Jährige siegte in 2:15:37 Stunden. Schneller waren nur die Kenianerin Brigid Kosgei, die vor knapp drei Jahren in Chicago den Weltrekord auf 2:14:04 Stunden schraubte, sowie die Britin Paula Radcliffe (2003/London, 2:15:25).
Eliud Kipchoge: Der 37-Jährige (* 5. November 1984) ist der beste Langstreckenläufer der Gegenwart. 2016 und 2021 holte er Gold im olympischen Marathon. Der Kenianer ist verheiratet und hat drei Kinder.
1:59 Stunden und 40 Sekunden benötigte Kipchoge am 12. Oktober 2019 in Wien für die Marathondistanz. Allerdings lief er unter Laborbedingungen mit wechselnden Tempomachern. Die Zeit wird nicht als offizieller Rekord anerkannt.
Entwicklung der Weltrekorde im Marathon (Auswahl):
- 2:55:18 John Hayes (USA)/London 1908
- 2:38:16 Harry Green (GBR)/London 1913
- 2:25:39 Suh Yun Bok (KOR)/Boston 1947
- 2:18:40 James Peters (GBR)/Chiswick 1952
- 2:12:11 Abebe Bikila (ETH)/Tokio 1964
- 2:08:36 Derek Clayton (AUS)/Antwerpen 1969
- 2:04:55 Paul Tergat (KEN)/Berlin 2003
- 2:04:26 Haile Gebrselassie (ETH)/Berlin 2007
- 2:03:23 Wilson Kipsang (KEN)/ Berlin 2013
- 2:01:39 Eliud Kipchoge (KEN)/ Berlin 2018
- 2:01:09 Eliud Kipchoge (KEN)/ Berlin 2022
Kommentare