Nach Outing: Warum Conchita mit HIV normal lebt
Seit vielen Jahren sei ihr Virenstatus „unterbrechungsfrei unter der Nachweisgrenze“, schrieb Conchita Wurst in ihrem HIV-Outing Sonntagabend im Social Media-Portal Instagram. Was das genau heißt, erklärt Wolfgang Wilhelm, Obmann der Aidshilfe Wien: „Es zirkulieren so wenige Viren in den Körperflüssigkeiten des Betroffenen, dass sie nicht mehr nachweisbar sind. Und es heißt, dass diese Person nicht mehr infektiös ist.“
Dass die Gewinnerin des Song Contest 2014 jetzt ihre Erkrankung öffentlich macht, rückt den Blick auf eine noch immer gefährliche Erkrankung, ganz abseits von bunter Party ( Life Ball) oder Bewusstseinskampagnen (Welt-Aids-Tag am 1. Dezember). „Wir haben noch immer viele Klienten, die an der Diagnose zerbrechen. Da ist ein gutes Vorbild hilfreich.“
Vom Todesurteil zur chronischen Erkrankung
Eine HIV-Infektion ist längst kein Todesurteil mehr wie in den 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre. „Heute ist es eine Erkrankung wie jede andere auch, mit guter Lebensqualität und Lebenserwartung“, sagt Aids-Experte Norbert Vetter. Wenn sich Prominente outen, könne das helfen, Angst und Fehlinformationen in der Bevölkerung zu minimieren. Ähnlich sieht es Univ.-Prof. Armin Rieger, Leiter der HIV-Ambulanz im Wiener AKH (MedUni Wien). „Promi-Outings tragen eine Botschaft in sich. Sie zeigen, dass eine Therapie gut zu managen ist, dass man dennoch attraktiv und erfolgreich sein kann sowie seinen Teil für die Gesellschaft leistet.“
Die gefürchtete Immunschwäche Aids, ausgelöst durch das HI-Virus (Humanes Immundefizienz-Virus), hat sich dank der sogenannten Kombinations-Therapie, bei der mehrere Wirkstoffe zusammengeführt werden, von einer tödlichen zu einer chronischen Erkrankung gewandelt. Es gibt sie seit 1996, damals mussten die Patienten noch bis zu 25 Tabletten pro Tag einnehmen – mit teilweise schweren Nebenwirkungen. „Heute ist das Einnahmeschema viel einfacher, meist reicht eine Tablette pro Tag und es treten wesentlich weniger Nebenwirkungen auf“, sagt Wilhelm.
Wirkprinzip
Das Wirkprinzip ist heute noch das Gleiche wie vor 20 Jahren, betont Vetter. „Es wird an drei unterschiedlichen Punkten in der Zelle eingegriffen, um die Vermehrung des HI-Virus zu verhindern.“ Das Virus verschwindet so aus dem Blut – und in weiterer Konsequenz auch aus Körperflüssigkeiten wie Sperma und Scheidensekret. „Daher ist eine Übertragung nicht mehr möglich.“ Damit sei auch ein Nutzen für die Gesellschaft gegeben. Dazu gehört aber die Konsequenz, täglich die Tablette zu nehmen, ergänzt Wilhelm. Denn sonst erhöht sich die Virenmenge – das Infektionsrisiko für andere erhöht sich, die Immunschwäche schreitet wieder voran.
Sorglosigkeit
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Die gute Therapierbarkeit führt auch zu einer gewissen Sorglosigkeit. „Wir wissen aus epidemiologischen Daten, aber auch durch Stimmungsbilder aus den Communities, dass geschützter Sex nicht mehr so attraktiv ist“, sagt Rieger. „Vor allem Jüngere haben nicht mehr erlebt, dass viele Freunde und Bekannte wegsterben.“ In den allermeisten Fällen ist ein möglichst früher Therapiebeginn nach der Infektion ein Vorteil, betont Rieger. „Es ist wichtig, die Barrieren zur Testung zu senken und Diskriminierung zu bekämpfen.“
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