Nach Omikron: Weitere neue Variante in Frankreich entdeckt

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Der Ursprung wird in Kamerun vermutet. Noch ist unklar, ob es Grund zur Sorge gibt.

Während Omikron Europa fest im Griff hat, wurde nun in Frankreich eine weitere neue Variante des Coronavirus entdeckt. B.1.640.2 – so der aktuelle Name – wurde in Südfrankreich aufgespürt, wobei vermutet wird, dass eine Person die Variante von einer Reise aus Kamerun nach Frankreich gebracht hat.

Bisher wurde die Mutation bei zwölf Personen nachgewiesen, fünf davon sind Kinder. Noch ist unklar, ob die Variante ein ähnliches Verbreitungspotenzial hat wie Delta oder Omikron.

Kein Grund zur Sorge

Die neue Corona-Variante sollte Expertinnen und Experten zufolge beobachtet werden  eine große Gefahr können sie bisher aber nicht erkennen. "Wir sollten diese wie auch andere Varianten beobachten, aber es besteht kein Grund, speziell über diese Variante besorgt zu sein", sagte Richard Neher, Experte für Virusvarianten an der Uni Basel, am Dienstag.

Der US-Epidemiologe Eric Feigl-Ding schrieb auf Twitter: "Ich mache mir wegen B.1.640.2 noch keine großen Sorgen. Ich bezweifle, dass sie sich gegen Omikron oder Delta durchsetzt."

Französische Forscher um Didier Raoult vom Institut IHU Méditerranée Infection hatten die neue Variante in einer Preprint-Studie, also einer Veröffentlichung, die noch nicht von Fachkolleginnen und Fachkollegen begutachtet ist, beschrieben. Sie berichten, dass sie in Summe 46 Mutationen bei der Variante entdeckt hätten.

B.1.640.2 hat einige Mutationen im sogenannten Spike-Protein, die Experten bereits von der besonders ansteckenden Omikron-Variante kennen, wie Raoult und sein Team schreiben. Das Spike-Protein ist bei der Beurteilung von Varianten von besonderer Bedeutung, weil das Virus damit an menschliche Zellen bindet und auch, weil Impfstoffe auf dieses Protein ausgerichtet sind. Mutationen am Spike-Protein können zu einer schnelleren Ausbreitung des Virus führen. Zudem ist es möglich, dass Impfstoffe ihre Wirkung verlieren.

Allerdings scheine sich B.1.640.2 bisher nicht stark auszubreiten, meint der Basler Experte Neher. Sie sei "damit "eine unter vielen", die sich gegen Omikron und Delta zumindest bisher nicht durchsetzt". B.1.640.2 gehört zu einer Art Varianten-Familie, die seit November auf dem Radar der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist. Darauf verwies WHO-Epidemiologe Abdi Mahamud in Genf.

Erstmals im September gemeldet

B.1.640 wurde nach WHO-Angaben zuerst im September aus der Demokratischen Republik Kongo gemeldet und im November unter Beobachtung genommen, habe sich seitdem nach den vorliegenden Daten aber nicht erheblich ausgebreitet, sagte Mahamud. "Wir werden sie im Auge behalten."

Die WHO unterscheidet bei potenziell gefährlichen Corona-Varianten drei Kategorien:

  1. besorgniserregende Varianten,
  2. Varianten von Interesse und
  3. Varianten unter Beobachtung.

B.1.640 ist in Kategorie 3, ebenso wie zwei weitere Varianten, Omikron in Kategorie 1. Insgesamt 17 Varianten, die die WHO seit Beginn der Pandemie beobachtet hat, haben sich als kurzlebig oder wenig bedrohlich erwiesen und stehen nicht mehr unter besonderer Beobachtung.

Vieles unbekannt

Auch laut dem Virologen Norbert Nowotny von der Vetmeduni Wien besteht derzeit kein Grund zur Sorge. "Auf Basis dessen, was aktuell über diese Variante und ihr Genom bekannt ist, lässt sich nicht ableiten, wie gefährlich diese Variante wirklich ist", sagt er im KURIER-Interview. "Zwei der wesentlichen Mutationen, die diese Variante am Spike-Protein (vermittelt den Eintritt des Virus in Zellen und stellt den zentralen Angriffspunkt für Antikörper dar, die das Virus hemmen, Anm.) aufweist, kennen wir von vielen anderen Varianten, unter anderem von Alpha und Omikron. Die eine steigert potenziell die Infektiosität, die andere die Fähigkeit des Virus, sich durch Impfung oder vorangegangene Infektionen gebildeten Antikörpern teilweise zu entziehen." Das müsse aber nicht zwingend dazu führen, dass eine Variante dominant wird.

Allerdings weise die neue Variante nicht so viele Mutationen auf wie Omikron, das in dieser Hinsicht mit insgesamt 32 Mutationen am Spike-Protein heraussteche. "Omikron ist im Vergleich dazu ein anderes Kaliber", betont der Virologe. Klar sei, dass man die von den französischen Wissenschaftlern beschriebene Variante weiterverfolgen müsse. "Aber es wäre verfrüht, jetzt schon die Alarmglocken schrillen zu lassen."

Nowotny geht davon aus, dass die WHO die Variante als "Variant of Interest" unter Beobachtung halten wird. Derzeit gebe es keine Hinweise, die eine Einstufung als "Variant of Concern", sprich als besorgniserregende Variante, rechtfertigen würden. "Dafür muss man epidemiologische Daten abwarten, die bisher praktisch nicht verfügbar sind."

Laufend neue Varianten

Weltweit wurden und werden laufend viele Millionen Virus-Genome sequenziert. "Das gibt uns die Möglichkeit, neue Varianten rasch zu erkennen und im Auge zu behalten." Neben besorgniserregenden Varianten wie Omikron wurden bisher bereits einige Varianten entdeckt, die sich jedoch nicht durchsetzten, lokal begrenzt blieben und dann wieder verschwanden.

Mutationen liegen in der Natur jedes Virus, da bei seiner Vermehrung im Wirt laufend Kopierfehler auftreten können, die den genetischen Code des Virus verändern. Ab einer gewissen Anzahl von Mutationen im Virus-Genom spricht man von einer neuen Variante. Es setzen sich jene Varianten durch, deren Mutationen für die größtmögliche Verbreitung des Virus sorgen. Es ist nicht im Sinne des Virus seinen Wirt zu töten – immerhin sichert dieser ihm den Fortbestand.

Impfquote in Kamerun 2,4 Prozent

Generell bieten vor allem Menschen, deren Immunsystem ungeschützt ist, dem Virus Möglichkeit zur Mutation. "Besonders günstig für Mutationen sind Patienten mit langer Infektionszeit, also immer dann, wenn das Virus relativ lange in einem Patienten ist und Zeit hat, zu mutieren. Das ist eher bei Ungeimpften, schlecht geschützten Personen, weniger bei Geimpften der Fall", betonte etwa Christoph Neumann Haefelin, Virologe am Uniklinikum Freiburg, anlässlich des Auftauchens von Omikron.

In Kamerun liegt die Impfquote laut der Johns Hopkins University derzeit bei nur 2,4 Prozent. Das Virus trifft also auf viele Ungeschützte, in deren Organismus es zu Mutationen kommen kann. Dass die neue Variante allerdings tatsächlich aus dem afrikanischen Staat stammt, ist bisher nur eine Vermutung der französischen Forscher.

Schon bisher hatten Expertinnen und Experten, darunter etwa der deutsche Virologe Christian Drosten, darauf hingewiesen, dass für die erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie auch die Verbreitung von Impfstoffen in ärmeren Staaten der Welt notwendig ist. Drosten wollte etwa auf seinen Booster verzichten, solange nicht in afrikanischen Staaten Erstimpfungen weiter fortgeschritten wären, um auf das Problem aufmerksam zu machen. "Hier würde ich als Bürger dann auch sagen: Meine dritte Impfdosis geht erst mal nach Afrika", sagte Drosten etwa im August

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