Schnelle Diagnose, frühe Therapie: Wie sich Multiple Sklerose verändert hat

Schnelle Diagnose, frühe Therapie: Wie sich Multiple Sklerose verändert hat
Beim KURIER-Gesundheitstalk diskutieren Experten über Fortschritte in der Therapie von Multipler Sklerose und warum sich die Behandlung in den vergangenen 30 Jahren enorm verbessert hat.

Das Spektrum für die Therapie von Multipler Sklerose (MS) hat sich in den vergangenen 30 Jahren enorm erweitert. 1994 kam mit Interferon die erste MS-spezifische Therapie. „Heute sind in der EU 17 Medikamente zugelassen, das ist im Vergleich zu früher eine gigantische Anzahl“, sagt Thomas Berger, Leiter der Klinik für Neurologie an der MedUni Wien.

Mehr noch, ergänzt Barbara Kornek, die sich ebenfalls an der Klinik für Neurologie mit der chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankung beschäftigt. „Wir können die Therapie heute sehr individuell an den Krankheitsverlauf und die jeweilige Lebenssituation anpassen.“ Wie dies gelingt und über zukünftige Fortschritte diskutieren die Experten am kommenden Montag beim Gesundheitstalk von KURIER, MedUni Wien und Novartis.

Gesundheitstalk
Zum Thema „Multiple Sklerose besser verstehen“ diskutieren am 26. 2. 2024 um 18.30 Uhr   Thomas Berger und Barbara Kornek, beide von der Uni-Klinik für Neurologie, MedUni Wien, sowie  Christian Strasser von der Multiple Sklerose Gesellschaft Wien

Ort
Die Veranstaltung findet im Josephinum (Währinger Str. 25, 1090 Wien). 
Der Eintritt ist frei, Anmeldung aber erforderlich unter meduniwien.ac.at/kurier-gesundheitstalk 

Schnellere Diagnose

Bei MS greift das Immunsystem den Körper an, Entzündungsreaktionen führen zu Nervenschädigungen in Gehirn und Rückenmark. „Diese Phasen sind besonders in der Anfangszeit stark“ erklärt Berger. Daher hat sich auch der Verlauf der Therapie und der Zeitpunkt des Einsatzes von Arzneien geändert. Kornek: „Um das Entzündungsgeschehen zu verhindern, werden wirksame Therapien so früh wie möglich eingesetzt.“ Dank verbesserter Diagnosetools kann viel früher in den Krankheitsverlauf eingegriffen werden.

„Vor 30 Jahren wurde die Diagnose im Schnitt nach sieben Jahren gestellt, heute bereits nach wenigen Tagen“, so Berger. Dann sollte bereits mit der richtigen Therapie begonnen werden, betont Kornek. „Wenn man MS beeinflussen will, sollte man nicht jahrelang ohne Behandlung zuwarten. Einmal aufgetretene Schäden können nicht mehr rückgängig gemacht werden.“

Forschung wird vorangetrieben

Trotz aller Fortschritte in der Therapie wird weiter geforscht, etwa am Enzym Bruton-Tyrosinkinase (BTK). Es kommt in diversen Immunzellen vor und fördert bei MS die Vermehrung fehlgeleiteter B-Zellen, die an den Entzündungsprozessen beteiligt sind. Sogenannte BTK-Inhibitoren sollen diese Abläufe hemmen – aber auch die klassischen Entzündungsverläufe bekämpfen.

Derzeit laufen einige Studien in Phase III für diesen neuen Therapieansatz, also bereits mit tausenden Probanden. Allerdings musste eine dieser großen Studien im Dezember abgebrochen werden. „Das war ein großer Dämpfer“, erinnert sich Berger. „In greifbarer Zeit“, also in etwa zwei bis drei Jahren, sei kein Medikament mit einem neuen Wirkmechanismus für den klinischen Einsatz in Aussicht.

Epstein-Barr-Virus: Zusammenhang wurde geklärt

Auf einem anderen Gebiet hatte ein Forschungsteam der MedUni Wien hingegen Erfolge. Sie fanden die mögliche Erklärung, wie das Epstein-Bar-Virus (EBV) mit der Entstehung von MS zusammenhängt – für Berger „eine bedeutende Entwicklung, die für Aufsehen in der MS-Forschung sorgte“. Diese Verbindung wird seit 50 Jahren diskutiert.

EBV zählt zu den häufigsten lebenslang in allen Menschen kursierenden Viren. Warum einige MS entwickeln, war bisher unklar. Bei ihnen sind spezifische Immunantworten gegen EBV nachweisbar, die sich zusätzlich gegen bestimmte Strukturen des zentralen Nervensystems richten und somit zur Entwicklung der MS beitragen. Die Klärung der Frage, was MS mit EBV zu tun habe, sieht Berger als „eine bedeutende Entwicklung“.

Einfluss von Impfungen

Ein Diskussionspunkt werden beim Gesundheitstalk ebenso Impfungen sein. Häufig kursiert die Meinung, Vakzine – etwa gegen Covid-19, aber klassische Schutzimpfungen – könnten MS auslösen. Derartige Ängste seien unbegründet, beruhigt Kornek. „Es gibt weltweit sehr solide Daten , dass Impfungen keine MS auslösen, und auch keinen Schub bei bestehender MS.“ Vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie soll der Impfstatus überprüft und fehlende Impfungen nachgeholt werden.

Trotz aller Fortschritte hält sich das Stigma der Erkrankung noch immer in der Gesellschaft. Dadurch hätten viele Betroffene auch sozial und beruflich Einbußen. „Patienten wollen nicht nur gut therapiert werden, sondern auch am Arbeitsmarkt Möglichkeiten haben“, fordert Berger. Viele Betroffene sind jüngere Frauen mit Kindern. Kornek führt zusätzlich an, dass Menschen, die mit MS leben, durchaus auch leistungsfähig seien. „Viele haben ein stabiles, gutes Leben ohne sichtbare motorische Beeinträchtigungen.“

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