"Die Wechseljahre sind nach wie vor ein sensibles, fast tabuisiertes Thema", sagt Patrik Horak. Der Gynäkologe arbeitet am neu eröffneten, ganzheitlichen Frauengesundheitszentrum Feminin in Wien Döbling. Er plädiert für einen offenen Umgang mit der Menopause: "Es ist wichtig, dass man darüber spricht – die Wechseljahre sind keine Krankheit, sondern eine natürliche Übergangszeit in der Lebensmitte der Frau."
Die Wechseljahre, auch Klimakterium genannt, sind der Zeitraum der hormonellen Umstellung des weiblichen Körpers am Ende der fruchtbaren Lebensphase. "Bedingt dadurch, dass die Eierstöcke graduell ihre Funktion einstellen", beschreibt Horak. Über wie viele Jahre sich diese Phase erstreckt, ist unterschiedlich: "Einige Frauen betrachten sie binnen zwei bis drei Jahren als abgeschlossen, andere geben Zeiträume von mehr als zehn Jahren an", sagt Horak. In einer aktuellen Studie wird ein durchschnittlicher Wert von 7,4 Jahren beschrieben.
Die Menopause ist schließlich der Zeitpunkt der letzten Menstruation. "Das Durchschnittsalter liegt hier derzeit noch bei rund 51 Jahren", sagt Horak. Noch?
Tatsächlich könnte sich dieser Wert in den kommenden Jahrzehnten etwas nach vorne verschieben, erläutert der Experte. Mädchen kommen inzwischen früher in die Pubertät. Fachleute führen das unter anderem auf Ernährung und einen besseren Gesundheitsstatus zurück. Auch das Körpergewicht spielt eine Rolle: Insbesondere Übergewicht kann zu einem früheren Einsetzen führen. "Studien zeigen, dass bei Mädchen, die vor dem 12. Lebensjahr ihre Periode bekommen, im Vergleich zu jenen, die sie erst mit 13 oder später bekommen, auch die Menopause ein Jahr früher beginnt." Weil die Eizellreserve bei Frauen mit der Geburt festgelegt wird, bedeute eine frühe Regel eine frühere Erschöpfung dieser. Wie sich das auf die Gesundheit auswirkt, sei noch nicht vollständig geklärt. Horak hält Effekte auf Körper und Psyche nicht für ausgeschlossen.
Von solchen Verschiebungen zu unterscheiden ist die vorzeitige Menopause. Sie betrifft rund ein Prozent aller Frauen, bei denen die Eierstöcke vor dem 40. Lebensjahr ihre Funktion einstellen. Gründe dafür können genetische Erkrankungen, Autoimmunkrankheiten oder Infektionen wie Mumps sein. Auch eine operative Eierstockentfernung undeine Chemo- oder Strahlentherapie können ursächlich sein. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind teils beträchtlich. So haben betroffene Frauen etwa ein erhöhtes Risiko für Demenz, Osteoporose, Typ-2-Diabetes oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Kürzlich brachte eine Studie die vorzeitige Menopause mit einem erhöhten Brust- und Eierstockkrebsrisiko in Zusammenhang: "Gerade bei Brustkrebs ist die Studienlage noch widersprüchlich", gibt Horak zu bedenken.
Ein Drittel der Frauen bemerkt im Klimakterium keine, ein Drittel milde Beschwerden und ein weiteres Drittel leidet stark. Für Horak wichtig: "Frauen müssen Wechselbeschwerden nicht ertragen. Im besten Fall erfolgt die Behandlung ganzheitlich und symptomorientiert." Je milder die Beschwerden, desto eher kann mit pflanzlichen Präparaten das Auslangen gefunden werden. Neben pflanzlichen Mitteln stehen auch so genannte Phytoöstrogene zur Verfügung. "Das sind pflanzliche Wirkstoffe mit östrogenähnlicher Wirkung", präzisiert Horak. Etwa Isoflavone aus Soja oder Extrakte aus Traubensilberkerze oder Rotklee.
Die Medizin gliedert die Menopause in drei Phasen: die Prä-, die Peri- und die Postmenopause.
Die Prämenopause setzt um das 40. Lebensjahr ein, wenn die Produktion der Geschlechtshormone langsam abzunehmen beginnt. Das kann sich in Zyklus- oder Blutungsveränderungen bemerkbar machen. Oftmals verläuft die Prämenopause gänzlich unbemerkt ab.
In der folgenden Perimenopause wird der Zyklus immer unregelmäßiger, manchmal vergehen mehrere Monate ohne Blutung. In dieser Zeit bemerken die meisten Frauen Auffälligkeiten wie depressive Verstimmtheit, Ängstlichkeit oder Müdigkeit. Oft werden die Symptome nicht mit dem Wechsel in Verbindung gebracht. Wenn die Sexualhormone, insbesondere das Östrogen, deutlicher abfallen, treten klassische Beschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Gewichtszunahme auf.
Die Postmenopause beginnt ein Jahr nach der letzten Regel, der Hormonhaushalt kommt zur Ruhe, die Beschwerden klingen ab.
Bei stärkeren Beschwerden hilft eine klassische Hormonersatztherapie, deren Effekt potenter ist. In der Gesellschaft genießt sie keinen allzu guten Ruf. "Zu Unrecht", sagt Horak und verweist auf überholte Studien, auf denen die Skepsis fußt. Bestimmte Risikogruppen, Frauen mit Thrombosen, Lebererkrankungen oder Brustkrebs in der Vorgeschichte etwa, kommen dafür nicht infrage.
In den USA und Großbritannien bereits zugelassen, in Österreich noch nicht am Markt erhältlich sind Neurokinin-3-Rezeptor-Antagonisten gegen klimakterische Beschwerden. Hier wird über die Beeinflussung der Thermoregulation im Körper Hitzewallungen vorgegriffen. "In den kommenden Jahren wird sich viel in Richtung personalisierte Medizin auftun, Frauen werden zielgerichteter behandelt werden können", ist Horak überzeugt.
Ernährung und Bewegung sind mächtige Hebel, um die Menopause erträglicher zu gestalten. Horak: "Ernähren sollte man sich ausgewogen und vor allem proteinreich. Krafttraining sollte in moderatem Maß erfolgen." Studien, die zum Schluss kommen, dass zu viel Bewegung Hitzewallungen triggern kann, sieht er kritisch: "Da geht es um exzessiven Sport – mäßige Bewegung verbessert das Wohlbefinden und reduziert Hitzewallungen." Laut einer neuen Studie soll der Saft der roten Rübe Frauen nach der Menopause vor Herzleiden schützen. "Grundsätzlich ein plausibler Gedanke", sagt Horak, der die positiven Effekte der roten Rühe auf die Gefäßgesundheit kennt.
Auch sexualtherapeutische Unterstützung – in den Wechseljahren leidet oft die Libido – Yoga, Meditation und andere Entspannungsverfahren können hilfreich sein. Wichtig sei, die Psyche nicht außen vor zu lassen: Das Depressionsrisiko ist in der Perimenopause neuesten Studien zufolge um fast 40 Prozent erhöht. Neben dem durch etwaige Beschwerden getrübten Wohlbefinden ist der schwankende Hormonspiegel mitverantwortlich: "Das beeinflusst Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin, was Depressionen die Rutsche legen kann."
Immer wieder lassen Untersuchungen aus anderen Kulturen vermuten, dass die Menopause eine soziale Komponente hat. Laut Horak formt die Gesellschaft entscheidend mit, wie Frauen den Wechsel erleben: "Die Stigmatisierung des Älterwerdens verstärkt das Leid. In Kulturen, wo älteren Frauen mehr Wertschätzung entgegengebracht wird, berichten diese seltener von Beschwerden."
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