Lungenkrebs-Therapie: "Die Fortschritte sind revolutionär"
Noch ist es ein weiter Weg, um allen Patientinnen und Patienten mit Lungenkrebs eine Therapie anbieten zu können, die ihre Erkrankung dauerhaft chronisch macht oder sogar heilt. "Aber die Fortschritte sind revolutionär", sagt Lungenkrebsspezialistin Karen Kelly von der University of California, USA, die anlässlich des Welt-Lungenkrebs-Kongresses nach Wien gekommen ist. "Vor allem die vergangenen 15 Jahre waren eine unglaubliche Reise."
"Vor 30 Jahren gab es eine Chemotherapie und eine weitere Therapiemöglichkeit", erinnert sich Kelly. "Und heute haben wir eine Vielzahl an modernen therapeutischen Möglichkeiten, die einen zusätzlichen Nutzen bringen. Vor allem können wir diese Medikamente heute auch in einem früheren Stadium der Erkrankung einsetzen." Dadurch aber kann die Zeit ohne Nachweis eines Tumors vielfach verlängert werden. "Es is sehr aufregend, den Nutzen neuer Therapien bei allen Stadien des Lungenkrebses - von lokalem bis zu metastasierendem Krebs - sehen zu können."
Tumoreigenschaften werden bestimmt
Dabei wird die Therapie auch zunehmend individueller, erklärt Robert Pirker, langjähriger Lungenkrebsspezialist am AKH Wien und der MedUni Wien und Ehrenpräsident des Kongresses: Ganz entscheidend sei, zunächst die genetischen Eigenschaften des Tumors zu bestimmen.
- Bei rund 20 bis 25 Prozent der Patientinnen und Patienten gibt es spezielle genetische Veränderungen, sogenannte Treibermutationen, die das unkontrollierte Wachstum der Krebszellen begünstigen. Für diese Patientengruppe gibt es mittlerweile Medikamente, die die negative Wirkung dieser Mutationen gezielt blockieren - und so das Zellwachstum stoppen. Pirker: "Werden derartige genetische Veränderungen nachgewiesen, erhalten die Patienten nach der Operation solche zielgerichtet wirksamen Medikamente. Bei einer bestimmten Lungenkrebsform konnte damit das Risiko für einen Krankheitsrückfall, ein Rezidiv, deutlich verringert werden."
- Bei den anderen setzt man zunehmend auf sogenannte Immuntherapien: Sie ermöglichen dem Immunsystem, die Krebszellen besser zu erkennen und erfolgreicher zu bekämpfen. "Auch hier sehen wir, dass nach einer Operation durch diese Therapie der Zeitraum des krankheitsfreien Überlebens verlängert wird", sagt Pirker. Bei dem Kongress in Wien sollen jetzt Daten präsentiert werden, die zeigen, ob auch die Heilungsrate erhöht wird.
Auf die Fortschritte der vergangenen Jahre wies kürzlich auch der Lungenkrebsspezialist und Lungenfacharzt Maximilian Hochmair vom Krankenhaus Floridsdorf und Leiter des Arbeitskreises Pneumologische Onkologie der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) hin: "Das, was wir bisher vom fortgeschrittenen Lungenkrebs bezüglich Immun- und zielgerichteter Therapien gelernt haben, wenden wir nun auch in früheren Stadien an." Damit werde die Lebenszeit vieler Patientinnen und Patienten verlängert.
Spezialistin Kelly betont, dass aber auch Chemotherapie und Radiologie weiterhin bedeutend sind: "Die Chemotherapie bleibt sehr wichtig, ebenso die Strahlentherapie - aber auch hier gab es große Fortschritte. Ebenso haben sich auch die Operationstechniken deutlich verbessert."
Trotz der Forschritte ist Lungenkrebs derzeit noch bei Männern diie häufigste krebsbedingte Todesursache in Österreich, bei Frauen nach Brustkrebs die zweithäufigste. "Österreich liegt aber international an der Spitze, was den Prozentsatz der Patienten betrifft, die fünf Jahre nach der Diagnose noch leben: Mit 22 Prozent sind wir im obersten Bereich, was erreichbar ist. Das zeigt, dass Diagnostik und Therapie in Österreich sehr gut sind", erklärt Pirker. Knapp 5.000 Neuerkrankungen gibt es jährlich in Österreich.
Raucherprävention und Früherkennung mittels CT
Die Entwicklung neuer Lungenkrebstherapien wird in den kommenden Jahren weitergehen, sind alle Expertinnen und Experten überzeugt. "Die wichtigste Maßnahme zur Reduktion der Lungenkrebssterblichkeit ist aber die Raucherprävention", betont Radiologe Helmut Prosch von der MedUni Wien und AKH WIen. Schließlich ist Rauchen für den allergrößten Teil der Lungenkrebsfälle verantwortlich.
"Das große Probem ist, dass die meisten Erkrankungen erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium erkannt werden", sagt Prosch. Denn der Tumor könne sich lange relativ ungehindert in der Lunge ausbreiten. Erst wenn er in die Gefäße einbricht, kommt es zu Schmerzen.
Eine Maßnahme, um mehr Erkrankungen in einem besser behandelbaren Frühstadium zu erkennen, wäre ein Programm zur Früherkennung mittels CT-Untersuchungen. In mehreren EU-Ländern gebe es ein solches Program bereits. Menschen mit einem hohen Lungenkrebsrisiko - starke Raucher, die bereits seit 20 Jahren täglich eine Packung Zigaretten rauchen - sollten regelmäßig zu einer Computertomografie-Untersuchung gehen. "Dabei können ganz kleine rundliche Verdichtungen entdeckt werden, die sich zu Lungenkrebs entwickeln können." Wichtig seien dabei strenge Qualitätskriterien, um genau jene Veränderungen zu erkennen, die gefährlich sind.
Entsprechende Pilotprojekte sind in Wien und Innsbruck in Planung, noch steht die Finanzierung aber nicht.
Der Kongress findet zum ersten Mal seit 2019 auch wieder in Präsenz statt. "Es ist eine Anerkennung für Österreich und Wien, dass wir den Kongress innerhalb weniger Jahre zum zweiten Mal in Wien abhalten können", sagt Pirker. In der Messe Wien und online werden rund 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet. 2016 fand der Weltkongress erstmals in Wien statt.
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