Erfolg mit mRNA-Impfung: Die neuen Ansätze in der Krebstherapie

CT-Bilder einer Lunge:  „Es ist spannend und beeindruckend, was sich bei den Therapien tut“, sagt Lungenkrebsspezialist Maximilian Hochmair.
Individuelle mRNA-Impfstoffe, zielgerichtete Wirkstoffe, Immuntherapien: Trotz Pandemie gab es in den vergangenen zwei Jahren viele Fortschritte.

„Die Ergebnisse sind ermutigend“, sagt Özlem Türeci, Mitbegründerin von Biontech. Und meint damit nicht neue Daten eines mRNA-Impfstoffes gegen Coronaviren – sondern gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Biontech untersuchte bei 18 Patienten die Oberfläche ihrer Tumorzellen auf Merkmale (spezielle Tumorproteine), die sie von eigenen gesunden Zellen unterscheiden. Diese Tumorproteine erkennt das Immunsystem als fremd und greift sie an – allerdings ist die Reaktion zu schwach.

Erfolg mit mRNA-Impfung: Die neuen Ansätze in der Krebstherapie

Onkologe Wolfgang Hilbe: "Trotz Pandemie gab es in den vergangenen zwei Jahren deutliche Fortschritte in der Krebstherapie"

Der individuelle Krebs-Impfstoff von Biontech enthält die mRNA – den genetischen Bauplan – von jeweils bis zu 20 solcher Merkmale der Krebszellen. Nach der Impfung produziert der Patient diese Proteine. Das Immunsystem soll dadurch darauf aufmerksam werden, vermehrt Killerzellen produzieren und somit effektiv die Krebszellen mit diesen Oberflächenmerkmalen angreifen.

Genau das war in der Biontech-Studie bei immerhin acht der 16 Patienten der Fall. Die Zahl ihrer Abwehrzellen hatte sich stark vermehrt, der Tumor schrumpfte und es dauerte bei ihnen deutlich länger, bis es zu einem Rückfall kam. Gerade beim schwer therapierbaren Bauchspeicheldrüsenkrebs ein erster großer Erfolg.

Abwehr aktiviert

„Es zeigt sich, dass man mit einer solchen Impfung das Immunsystem zünden kann, die Abwehrzellen aktiviert werden“, sagt Wolfgang Hilbe, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie. „Aber wir wissen noch nicht, wie lange dieser Effekt anhält.“ Größere Studien sollen jetzt folgen. Hilbe hält die erste Zulassung eines solchen therapeutischen Vakzins in weniger als fünf Jahren für realistisch.

Erfolg mit mRNA-Impfung: Die neuen Ansätze in der Krebstherapie

Labor von Biontech: Ermutigende Daten zu mRNA-Impfstoff

Diese Krebs-Impfstoff-Studie (siehe auch unten) war einer der Höhepunkte beim US-Krebskongress ASCO in Chicago. „Dieser hat uns gezeigt, dass es trotz der Pandemie in den vergangenen mehr als zwei Jahren deutliche Fortschritte in der Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen gegeben hat“, so Hilbe. Die Forschung an den Krebs-Impfungen ist dabei aber nur ein Teil.

Applaus für Studie

„Standing Ovations“ – tosenden Beifall – gab es auf dem Kongress nach der Präsentation von Daten einer US-Studie mit 557 Frauen mit Brustkrebs im Spätstadium. Allen Frauen in der Studie war gemeinsam, dass an den Oberflächen ihrer Krebszellen nur sehr wenig von einem spezielle Protein (HER-2) vorhanden ist. Generell ist das bei rund 55 Prozent aller Patientinnen der Fall. Gibt es hingegen viel HER-2 auf der Zelloberfläche (15 % aller Patientinnen) lässt sich das Tumorwachstum gut blockieren. Bei wenig HER-2 war das jedoch bisher viel schwieriger.

Doch mit einem Präparat, das einen Antikörper und ein Chemotherapeutikum in einem kombinierte, gab es einen überraschenden Erfolg: Die Überlebensdauer der Patientinnen konnte deutlich verlängert werden im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie. Der Antikörper spürt gezielt die Krebszellen auf, das zellschädigende Chemotherapeutikum sickert in diese ein – und killt sie.

„Diese Studie wird unsere Behandlungsroutine verändern“, sagt der Onkologe Armin Gerger von der MedUni Graz. Erste Patientinnen könnten also bald von den Erkenntnissen profitieren.

100 Prozent Wirksamkeit

Für Staunen und Aufsehen sorgte auch eine Studie zu einer speziellen Form von Mastdarmkrebs: Normalerweise benötigen diese Patientinnen und Patienten eine Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie, danach eine Operation und dann wieder eine Chemotherapie – eine enorme Belastung.

In dieser Studie erhielten 18 Patienten einen Antikörper, der eine vom Tumor ausgelöste Blockade des Immunsystems löste. Bei allen 18 verschwanden daraufhin die Tumoren komplett und blieben das bisher auch (Beobachtungszeitraum 6 bis 25 Monate). Weitere Chemo-, Strahlen- oder operative Therapien waren bisher nicht notwendig. Studienautor Luis Diaz zeigte sich in der New York Times selbst verblüfft: „Ich glaube, das ist das erste Mal, dass das in der Geschichte von Krebs passiert ist.“

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