Neuer Hoffnungsträger: Mann überlebt 100 Tage mit Kunstherz aus Titan

Das Bivacor-Kunstherz ist laut Hersteller die erste implantierbare rotierende Blutpumpe der Welt, die ein menschliches Herz vollständig ersetzen kann.

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Zusammenfassung
- Ein Mann überlebte 100 Tage mit einem Kunstherz, bevor er ein Spenderherz erhielt.
- Das neuartige Implantat, eine rotierende Blutpumpe, ahmt mit Magnetschwebetechnik den Blutfluss eines gesunden Herzens nach.
- Obwohl das Kunstherz als technologischer Fortschritt gilt, betonen Fachleute, dass es noch nicht die Langlebigkeit von Spenderherzen erreicht.
Die Bilder des neuartigen Implantats wecken Cyborg-Assoziationen: Das Kunstherz des US-australischen Medizintechnikunternehmens Bivacor passt – wie ein echtes Herz – in eine Hand.
Gefertigt ist es aus beständigem Titan, mehrere Ventile dienen als Ein- und Austrittspfoten für Blut, ein Schlauch imitiert die Aorta, die größte Arterien im menschlichen Körper.
Mann trug Kunstherz 100 Tage in seiner Brust
Glaubt man dem Hersteller, ist das auf den ersten Blick etwas bizarr anmutenden "Ersatzteil" eine medizinische Sensation. Mitte der Woche ließ man die Öffentlichkeit wissen, dass damit ein "uneingeschränkter klinischer Erfolg" gelungen sei. Gemeint ist damit, dass ein Australier das Kunstherz 100 Tage lang in seiner Brust trug, bevor er Anfang März ein menschliches Spenderherz transplantiert bekam.
Medienberichten zufolge ist er der erste Patient, der ein Krankenhaus mit einem vollständigen Kunstherz-Implantat verlassen hat. Konkret handelt es sich um eine rotierende Blutpumpe, die mithilfe der Magnetschwebetechnik den natürlichen Blutfluss eines gesunden Herzens nachbildet. Der Patient ist laut Medienberichten in seinen Vierzigern und hatte sich freiwillig für die klinische Studie gemeldet. Zuvor war das Implantat bereits fünf anderen Herzpatienten in den USA eingesetzt worden.
Sie hatten das Spital jedoch nicht mit dem Kunstherz verlassen, sondern noch während ihres Aufenthalts dort ein Spenderherz bekommen – die längste Tragedauer betrug 27 Tage.
"Wir haben jahrelang auf diesen Moment hingearbeitet"
Der australische Patient erhielt das Kunstherz in einer sechsstündigen OP im November, im Februar verließ er damit das Krankenhaus. Kurze Zeit später erhielt er ein Spenderherz. "Wir haben jahrelang auf diesen Moment hingearbeitet und sind sehr stolz, dass wir das erste Team in Australien waren, das dieses Verfahren durchgeführt hat", wird Transplantationschirurg Paul Jansz, der die Operation durchführte, im Guardian zitiert.
Kardiologe Chris Hayward, ebenfalls mit dem Fall vertraut, sieht in dem Implantat einen Meilenstein in der Transplantationsmedizin: Das künstliche Herz "läutet eine völlig neue Ära der Herztransplantation ein, sowohl in Australien als auch international". Hayward geht davon aus, dass das Kunstherz noch innerhalb des nächsten Jahrzehnts zur Alternative für Patienten werden wird, die nicht auf ein Spenderherz warten können oder für die keines verfügbar ist.
Weg in die klinische Routine ist "noch lang"
David Colquhoun von der University of Queensland und Vorstandsmitglied der australischen Heart Foundation, der nicht an der Studie beteiligt war, bezeichnete den Erfolg als "großen technologischen Fortschritt für Kunstherzen – Brückenherzen – vor der Transplantation".
Er gibt jedoch zu bedenken, dass die Funktionsdauer des Kunstherzens immer noch deutlich unter der eines Spenderherzens liegt, das mehr als zehn Jahre im Körper verweilen kann. Der Weg in die klinische Routine sei daher "noch ein weiter".
Globalen Organmangel ausgleichen
Tatsächlich befindet sich das Implantat derzeit noch in einem frühen Stadium der klinischen Prüfung. Entwickelt wurde es für Patientinnen und Patienten mit einer schweren Form der Herzinsuffizienz, meist als Folge eines Herzinfarkts oder einer anderen Herzerkrankung, oder auch anderer herzschädigender Krankheiten wie etwa Diabetes.
Menschliche Spenderorgane sind weltweit Mangelware. Auch in Österreich gibt es ein Spenderraten-Problem. Und das obwohl hierzulande jeder automatisch Organspender ist, sofern dem nicht zu Lebzeiten widersprochen wird. Ein Grund dafür sei der Personalmangel, erklärte Stefan Schneeberger, Leiter der Transplantationschirurgie an der Medizinischen Universität Innsbruck, vor einigen Monaten im KURIER-Interview. "Einen Spender zu melden, die Abklärung mit den Angehörigen zu machen und so weiter, ist eine zeitintensive Sache. Da und dort wird aus Zeitnot darauf verzichtet." Zum anderen gebe es wenig Bewusstsein in der Bevölkerung, dass jeder Organspender ist.
Die australische Regierung setzt jedenfalls große Hoffnungen in das von Bivacor entwickelte Implantat. Für die Entwicklung wurden umgerechnet rund 45 Millionen Euro an öffentlichen Geldern zur Verfügung gestellt.
Derzeit ist das Kunstherz noch nicht dafür gedacht, lebenslang im Körper eines Patienten zu verbleiben. Es verschafft Betroffenen und behandelnden Ärzten vielmehr Zeit, bis ein echtes Spenderherz verfügbar ist. Langfristig strebt Bivacor jedoch an, dass Implantatempfänger mit dem Gerät leben können, ohne eine Herztransplantation zu benötigen.
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